Turgay Karali steht im Stau, er kommt nicht so recht voran und hat deshalb Zeit für ein kurzes Telefonat. „Geduld“, sagt Karali, „ist extrem wichtig.“ Er meint nicht den Straßenverkehr, er spricht natürlich über Fußball. Der Fußball hat Karali in Nürnberg ein bisschen berühmt gemacht. Er ist der Mann, der als Torwart, vor allem aber als Trainer das einst so gewöhnliche Dergahspor zu Nürnbergs zweitbester Fußballmannschaft gemacht hat. Es war eine wunderschöne Fußball-Geschichte, an der Karali und Dergahspor da geschrieben haben. Im Winter war sie plötzlich zu Ende. Die Gründe für die Trennung wurden nie endgültig offenbar: Am Abend bevor in der Halle am Berliner Platz der Burgpokal ausgespielt werden sollte, bat Karali seine Spieler ins Vereinsheim am Pferdemarkt. Karali hielt eine kurze Ansprache über die Erfolge der Vergangenheit — und erklärte kurz vor Mitternacht seinen Rücktritt. „Würden wir ihm ein Denkmal bauen“, sagte damals Pressesprecher Fatih Köseoglu, „hätten wir seine Verdienste um den Verein immer noch nicht ausreichend gewürdigt.“
Köseoglu sagte aber auch: „Keine Person steht über Dergahspor.“ Die neue Person, die Dergahspor zu weiteren Erfolgen führen sollte, hieß Erman Chamza, 32 Jahre jung und bis zu diesem Abend im Januar Karalis Co-Trainer. Leicht war der Einstieg in die neue Rolle nicht für Chamza, schon beim Turnier um den Burgpokal sah man Spieler, die unter ihrem Dergahspor-Trikot ein T-Shirt trugen, auf dem sie Karali dankten für die gemeinsame Zeit. Und wer Chamza im April dann wieder begegnet ist, der durfte erstmals ein wenig daran zweifeln, ob dieser engagierte Neueinsteiger sein Glück finden würde bei Dergahspor, diesem Verein, den die Unruhe immer ein wenig begleitet. Dergahspor hatte damals im April gerade 0:3 gegen die Spielvereinigung Weiden verloren. Eigentlich keine Überraschung, weil Weiden die Landesliga Nordost in dieser Spielzeit bei weitem überragt hat.
Fünf Minuten war Chamza nach dem Schlusspfiff gedankenversunken auf der Trainerbank gesessen. Seinen Kopf, sagte Chamza, habe er nach dem Spiel erst ordnen wollen. Dann sagte er: „Das war desillusionierend.“ Bis zum Mai hat er es noch ausgehalten, dann hat Chamza vor dem letzten Saisonspiel am vergangenen Wochenende seinen Rücktritt verkündet. Sein Nachfolger heißt: Karali. „Ich bin immer wieder gefragt worden, ob ich nicht wieder zurückkommen kann“, erzählt Karali. Er wollte nicht, er ist jetzt 39 Jahre alt, bald kommt sein erstes Kind zur Welt, die Zeit ohne den Fußball hat ihm gefallen.
Vor zehn Tagen aber haben sich dann auch die Verantwortlichen bei Dergahspor getraut, Karali nach einer Rückkehr zu fragen. Karali hat das dann zu Hause besprochen — und Ja gesagt. „Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie viel Zeit ich dann wieder investieren muss, aber ich konnte nicht mitansehen, wie hier alles den Bach runtergeht“, sagt Karali. Jetzt ist er wieder da, die Vergangenheit soll Vergangenheit bleiben. „Ich musste mich bei niemandem entschuldigen“, sagt Karali mit Blick auf die Geschehnisse des Winters. Den Weg Dergahspors hat er natürlich verfolgt, auch wenn er keines der Spiele unter seinem Nachfolger gesehen hat. „Ich habe Zeitung gelesen“, sagt Karali, „und im Internet nachgeschaut.“
Über Chamza will er eigentlich kein böses Wort verlieren, sagt dann aber doch ein paar Dinge: „Man braucht als Trainer Erfahrung, man braucht eine gewisse Ausbildung, ich bin studierter Sportlehrer.“ Jetzt muss er sehen, wie er die kurze Zeit bis zum Saisonstart am besten nutzt. Noch sind die Planungen ja ohne ihn vorangetrieben worden. „Die Spieler dürfen jetzt ein bisschen Pause machen, für mich gilt das aber nicht“, sagt Karali, „ich hatte jetzt schließlich lange genug Pause.“ Klingt ganz so, als würde da einer sehr ungeduldig auf seinen Posten zurückkehren.