2024-05-02T16:12:49.858Z

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"Ich glaube nicht, dass das allen Amateurclubs klar ist"

Sportrechtler Horst Kletke spricht im TV-Interview über den Fall Kevin Trapp und die Ehrlichkeit von Weltclubs

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Was steckt hinter dem Begriff Ausbildungsentschädigung und wie ehrlich sind große Proficlubs, wenn es darum geht, die korrekte Ablösesumme zu nennen? Diese und weitere Fragen hat Sportrechtler Horst Kletke im Interview mit Volksfreund-Redakteur Marek Fritzen besprochen.
Herr Kletke, Im Fall von Kevin Trapp streiten sich drei Clubs einer Jugendspielgemeinschaft um die Aufteilung eines Solidaritätsbeitrags. Gibt es solche Streitigkeiten öfter?
Horst Kletke: Dieser Fall ist außergewöhnlich, das muss ich schon zugeben. Mir fällt spontan kein ähnlicher ein.
Der Verein in der Jugendspielgemeinschaft, bei dem Trapp zwischen seinem zwölften und 14. Lebensjahr offiziell als Spieler gemeldet war, war der SSV Bachem. Steht diesem Club daher der komplette Solidaritätsbeitrag aus Paris zu?
Kletke: Es ist grundsätzlich so, dass der Solidaritätsbeitrag auf die Ausbildung eines Spielers im Alter zwischen dem 12. und dem 23. Geburtstag zielt. Der Club, bei dem dieser Spieler während dieser Zeit registriert war, der erhält den entsprechenden Anteil des Solidaritätsmechanismus’.
Das heißt: Die anderen Vereine, für die Trapp zwischen dem sechsten und dem zwölften Lebensjahr aktiv war, gehen leer aus?
Kletke: So ist es. Alles unter zwölf Jahren ist Kinderfußball, der auf der Spaß-Ebene läuft. Das zwölfte Lebensjahr ist dann allerdings eine Grenze, ab der man offiziell auch von Ausbildung sprechen kann.
Das besagt die Fifa. Heißt das, dass sich die anderen Verbände wie DFB, Fußballverband Rheinland oder Saarländischer Fußballverband ebenso an diese Regularien halten müssen?
Kletke: Ja, genau. Das Regelwerk heißt "Fifa-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern", unter Paragraf 21 ist dieser Solidaritätsmechanismus geregelt. Die nachfolgenden Verbände wie der DFB sind dem Regelwerk der Fifa unterworfen, da der Saarländische Fußballverband wiederrum dem DFB untergeordnet ist, muss er sich ebenfalls an die Fifa-Regularien halten.
Das heißt, die nicht Pass-gebenden Vereine in einer Spielgemeinschaft haben keinen rechtlichen Anspruch auf den Solidaritätsbeitrag?
Kletke: Um das im Fall Trapp genau sagen zu können, müsste ich Akteneinsicht erhalten. Aber generell gilt: Für die Fifa ist die Registrierungsliste maßgeblich, die sie über den DFB bekommt. Dort ist registriert, wer der pass-gebende Verein war - das zählt. Ob es nun im jeweiligen Fall noch interne Absprachen innerhalb der Spielgemeinschaft gegeben hatte, interessiert die Fifa nicht. Das sind Dinge, die Clubs unter sich ausmachen.
Wann wird der Solidaritätsbeitrag fällig?

Kletke: Wenn bei einem Wechsel ins oder innerhalb des Auslands eine Transfersumme gezahlt wird, dann muss der aufnehmende Verein - im Fall von Kevin Trapp Paris St. Germain - fünf Prozent der Transfersumme abgeben, abzüglich bereits vorher gezahlter Ausbildungsentschädigung.
Heißt das, die Ausbildungsclubs kassieren auch bei jedem weiteren Wechsel ins oder im Ausland?
Kletke: Genau, das gilt bei jedem weiteren Wechsel bis zum Karriereende eines Spielers.
Haben Sie denn das Gefühl, dass alle unterklassigen Clubs wissen, was ihnen da in solchen Fällen zusteht?
Kletke: Ich glaube nicht, dass das allen Amateurclubs klar ist. Nicht nur beim Solidaritätsbeitrag, sondern auch beim Thema Ausbildungsentschädigung.
Was steckt hinter dem Begriff Ausbildungsentschädigung?
Kletke: Die Ausbildungsentschädigung muss der Verein zahlen, bei dem ein Spieler seinen ersten Profivertrag unterschreibt. Das gilt bis zum 23. Geburtstag eines Spielers (genaue Erklärung siehe Extra Ausbildungsentschädigung). Gerade in diesem Zusammenhang fällt sicherlich das eine oder andere Mal etwas unter den Tisch.
Was meinen Sie damit?
Kletke: Es könnte ja beispielsweise sein, dass ein Spieler, der in Deutschland ausgebildet wurde, seinen ersten Profivertrag bei einem ausländischen, vielleicht sogar einem außereuropäischen Proficlub unterschreibt. Solch ein Fall wird dann oft nicht unbedingt öffentlich. Wenn nun frühere Clubs des Spielers in Deutschland, die den Spieler ausgebildet haben, keine Informationen über den Wechsel erhalten, dann kann diesen Vereinen schon mal was durch die Lappen gehen. Beim Solidaritätsbeitrag ist das doch meist anders, weil es wie im Fall Trapp ja doch eher öffentlichkeitswirksame Transfers sind, die nicht einfach geräuschlos und damit unbemerkt über die Bühne gehen. Aber die kleinen Vereine sind gut beraten, wenn sie da die Augen offen halten.
Im Fall Trapp heißt es, dass Paris 9,5 Millionen Euro an Eintracht Frankfurt gezahlt habe - diese Ablösesummen sind maßgeblich, wenn es um die Berechnung des Soli-Beitrages geht. Wie sicher können die kleinen Clubs sein, dass die Großen bei den angegebenen Transfersummen nicht flunkern und den Kleinen somit weniger Geld überwiesen wird`?
Kletke: Da sind die kleinen Clubs auf die Ehrlichkeit der Proficlubs angewiesen. Die Höhe der Transfersumme ist Gegenstand eines Transfervertrages, der hoch vertraulich ist. Da hat kein Außenstehender dritter Club das Recht, sich diese Verträge anzuschauen.
Müssen die denn nicht der Fifa vorgelegt werden?
Kletke: Doch, insbesondere im Streitfall. Sollte es beispielsweise in Sachen Solidaritätsbeitrag ein Verfahren bei der Fifa geben, kann sich die Fifa die Unterlagen anfordern und den Fall bewerten. Aber ich denke, dass die Beträge bei Transfersummen durchgängig korrekt angegeben werden. Denn sollten bewusst falsche Transfersummen genannt werden, nur um Solidaritätsbeiträge niedrig zu halten, dann wäre das Betrug und damit ein Fall für den Staatsanwalt. Aber mir ist kein derartiger Fall bekannt. volksfreund.de/Marek Fritzen

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Aufrufe: 022.1.2016, 20:41 Uhr
volksfreund.de/Marek FritzenAutor