2024-05-02T16:12:49.858Z

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Richtig gemessen: Ronnys Hammer zum 1:1 in Hannover hatte eine Geschwindigkeit von 119 km/h. Foto: imago
Richtig gemessen: Ronnys Hammer zum 1:1 in Hannover hatte eine Geschwindigkeit von 119 km/h. Foto: imago

Sorry, Ronny: Wir klauen dir den Rekord

Herthas Bomber

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Dieser Text hat die Länge von 119 Zeilen – aber keineswegs 210. Das können KURIER-Leser sofort nachrechnen. Doch es gibt schwierigere Aufgaben in der Mathematik und Physik. Ronny begeisterte uns alle mit seinem Hammer-Freistoß zum 1:1 in Hannover, ein Böller mit einer Geschwindigkeit von 119 km/h. Angeblich soll Herthas brasilianischer Zauberfuß sogar den schnellsten Freistoß aller Zeiten geschossen haben mit 210 km/h. Sorry, Ronny, diesen Rekord klauen wir dir!

Es ist der 26. November 2006. Ronny sitzt bis zur 73. Minute auf der Ersatzbank von Sporting Lissabon. Es steht 0:0 im Auswärtsspiel bei Naval de Maio. In der 88. Minute läuft der Supertechniker wie in Hannover zum Freistoß und trifft zum 1:0 für Sporting.

Der Geschwindigkeitsmesser im Stadion zeigt unglaubliche 210 km/h für den Hammerschuss an. Seit diesem Tag wird Ronny beim Video-Internetportal Youtube als Torschütze mit dem schnellsten Schuss gehandelt. Selbst bei der Wissensseite Wikipedia wird es so erwähnt.

Alles falsch, das geht so nicht! Das sagt Physik-Professor Metan Tolin (48). Der KURIER sprach mit dem Wissenschaftler, der ein Fußballfan ist. „210 Stundenkilometer? Auf diese Geschwindigkeit kann kein Fußball kommen. Das ist physikalisch unmöglich“, sagt Tolin.

Der Professor für experimentelle Physik von der technischen Universität Dortmund beschäftigt sich Jahren mit dem Fußball, hat darüber sogar schon ein Buch mit dem Titel „Manchmal gewinnt der Bessere“ geschrieben. Er hat die Formel für die Schussgeschwindigkeiten im Fußball und sie ist gar nicht so kompliziert. „Der physikalische Ausdruck für einen Schuss ist ein elastischer Stoß. Man nimmt die Anlaufgeschwindigkeit des Spielers, im Idealfall verdoppelt sie sich beim ausholen mit dem Fuß. Dazu trifft ein schwerer Körper auf einen leichteren – also noch mal eine Verdopplung. Also Anlaufgeschwindigkeit mal Vier, wenn alles perfekt läuft.“

Ein Fußballer kommt maximal auf ungefähr 30 km/h, also 120 km/h für den Ball. Tolin: „Selbst Sprint-König Usain Bolt erreicht in der Spitze nur 45 km/h. Er würde in der Theorie einen Schuss von 180 Stundenkilometern schaffen, mehr nicht!“

Aber gab es vielleicht bei Ronnys Schuss in Portugal starken Rückenwind? „Kein falscher Gedanke. Der kann sehr stark Geschwindigkeiten beeinflussen. Aber nicht mehr in den heutigen Stadien. Die hohen Tribünen, die Überdachung, da gibt es keinen starken Wind mehr.“ Nein, auch der Wind kann den Ronny-Rekord nicht retten.

Aber wie kam es dann zu dieser Messung von 210 km/h bei Ronnys Freistoß? Tolin: „Ich habe ihn anhand des Videos überprüft. Ich bin auf knappe 110 km/h gekommen. Also das ist bei Ungenauigkeiten ein Faktor von zwei. Da hat ein Gerät wohl einfach falsch gerechnet.“

Das ist ein Trost für Ronny. Sein Wumms ist in sieben Jahren noch stärker geworden. In Hannover schaffte er 119 km/h, also neun km/h schneller.

Tja, Training verbessert die Werte. Hängt so ein Top-Speed vielleicht von der Größe oder Form des Fußes ab?

Auch darauf hat der Professor eine ziemlich ernüchternde Antwort: „Nein! Da gibt es keinen Unterschied. Selbst zwischen Amateurfußballern und Profis nicht. Jeder kann auf 120 Stundenkilometer kommen. Doch ein untrainierter Mensch schafft es nur einmal, dann ist er aus der Puste. Ein Profi schafft das öfter hintereinander.

Aber wir reden nur von der Geschwindigkeit, nicht von der Zielgenauigkeit.“ Ronny, bei der Treffsicherheit bleibst du ein Meister. Punktgenau 119 Zeilen ...

Aufrufe: 013.10.2013, 17:25 Uhr
Berliner-KURIER.de / W. HeiseAutor