2024-04-29T14:34:45.518Z

Allgemeines
– Foto: André Nückel

Angst ist die Triebfeder der Rebellen

Der Streit in der 3. Liga ist eskaliert und belastete zwischenzeitlich sogar das Verhältnis zwischen DFB und Politik. Inzwischen wird gemeinsam nach Lösungen gesucht, die es dennoch ermöglichen, das Gesicht zu wahren.

Verlinkte Inhalte

Die erste und zweite Liga haben den Spielbetrieb wieder aufgenommen. Lucien Favre, der Trainer von Borussia Dortmund freute sich über den 4:0-Sieg seiner Mannschaft und sein Kollege David Wagner vom FC Schalke 04 war trotz der herben Niederlage froh, denn es wurde endlich wieder Fußball gespielt.
Im Amateurfußball sind auch alle froh – dass die Saison beendet ist. Die Vereine fällten die Entscheidung mit überwältigender Mehrheit, der Verband stimmte zu, doch es gibt noch einige knifflige Fragen, die unbeantwortet sind: Wie kann der Aufstieg geregelt werden?

In der 3. Liga tobt seit Wochen ein erbitterter Streit, der zum Machtkampf entartet ist. Soll der Spielbetrieb in der Profi-Liga an der Schwelle zum Amateurbereich fortgesetzt werden oder nicht? Wochenlang wurden in Deutschland die Argumente zwischen Befürwortern und Gegner ausgetauscht. Beide haben gute Argumente. Doch darum geht es längst nicht mehr.

Anfangs ergab eine erste Abstimmung, dass zehn Vereine für die Fortsetzung der Saison waren, acht dagegen, wobei es auch Gegenstimmen gab, die lediglich mehr Klarheit verlangten. Auffällig war dabei jedoch, dass die Abstimmung von Eigeninteressen der Vereine getrieben war. So stimmten alle in Abstiegsgefahr schwebenden Vereine gegen eine Fortsetzung der Saison, was verständlich ist: Denn sie verbinden damit zugleich ihre Forderung, dass es keinen Abstieg geben dürfe. So bliebe ihnen der Sturz in den Amateurbereich erspart.

Eine Ausnahme gab es allerdings: den SV Waldhof Mannheim. Der Tabellenzweite stimmte ebenfalls für einen Saisonabbruch in der Hoffnung, sich so den Aufstieg sichern zu können. Um den müsste er ansonsten in elf noch ausstehenden Spielen kämpfen, wobei die Erfolgsaussichten aufgrund der Tabellendichte nicht allzu groß sind.

Inzwischen ist die Zahl derer, die für einen Saisonabbruch votiert haben, geschrumpft, doch die Gegner haben sich radikalisiert. In Mannheim ließ sich kein Mediziner finden, der bereit war, den Zeitaufwand eines Hygienebeauftragten in Kauf zu nehmen. Ein Trio beschritt einen politischen Weg. Dem 1. FC Magdeburg und dem Halleschen FC ist es in Sachsen-Anhalt ebenso gelungen wie dem FC Carl-Zeiss Jena in Thüringen, die Landespolitiker für ihre Interessen zu gewinnen. Während es in allen anderen Bundesländern den Fußballprofis ermöglicht wurde, zu trainieren, blieb es dort beim Verbot der Behörden.

So kam es zum Eklat zwischen den politischen Landesfürsten und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), der ansonsten seit je her auf vorzügliche Beziehungen zur Politik bedacht ist. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff behauptete, der DFB übe einen „unerträglichen Druck auf Politik und Vereine“ aus. Dem widersprach DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius, der das „mit Verwunderung“ registrierte.

Wie können sich DFB und Politiker aus der misslichen Lage befreien? Wie könnte eine Lösung aussehen, ohne dass dabei eine Seite ihr Gesicht verliert? Der DFB hat bereits eingelenkt, indem er den vorgesehenen Termin zur Fortsetzung des Spielbetriebs, den 26. Mai, gekippt hat. Das musste er nicht, schließlich hätten die Vereine an Spielorten außerhalb ihrer Bundesländer ihre Heimspiele austragen können. Doch dem DFB ist eben an einem guten Verhältnis zur Politik und den Behörden gelegen, deren positive Entscheidungen zur Fortsetzung der Saison er auch stets betont hatte.

Am 25. Mai tagt der außerordentliche Bundestag des DFB, der einen Saisonabbruch beschließen oder sich für die Fortsetzung des Spielbetriebs aussprechen kann. Das behördliche Verbot für ein Mannschaftstraining in Sachsen-Anhalt läuft am 27. Mai aus. Dann könnte der Ball Anfang Juni tatsächlich auch in der 3. Liga wieder rollen – zumindest theoretisch.

Bleibt die Frage, ob die rebellischen Vereine eine solche Vorgabe zähneknirschend und unter lautstarkem Protest akzeptieren oder eine weitere Stufe der Eskalation heraufbeschwören würden – zum Beispiel mit Hilfe ihrer Fans. Der bislang für die Liga angerichtete große Schaden würde auf den gesamten deutschen Fußball ausgeweitet, den die Vereine zu verantworten haben.

Der DFB muss das Wohl aller Vereine und Ligen im Blick haben. Ihm muss daran gelegen sein, die Saison sportlich zu beenden und so juristische Streitigkeiten zu vermeiden. Nur so lassen sich Auf- und Absteiger ermitteln – und darum geht’s.

Die Fortsetzung der Saison ist mit einem ökonomischen Mehraufwand verbunden – in puncto Arbeit und Finanzen. Ein Saisonabbruch wäre nicht preiswerter, aber er käme viele Spieler teuer zu stehen. Betriebsbedingte Kündigungen bei längerfristig bestehenden Verträgen würden geprüft und wären nicht ausgeschlossen, die Spieler mit auslaufenden Verträgen könnten sich nicht empfehlen. Vor diesem Hintergrund ist es verwunderlich, dass sich in den vergangenen Wochen nur die Spielunwilligen lautstark zu Wort gemeldet haben.

Die erste und zweite Liga sind einen Schritt weiter. Sie sind froh, dass sie wieder spielen dürfen.

Aufrufe: 018.5.2020, 21:00 Uhr
RP / Thomas SchulzeAutor