2024-06-17T07:46:28.129Z

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Nuri Saltik, hier bei einem Integrations-Workshop des DFB, führt den Fußballbezirk Bodensee an. <em>Foto: Jochen Dedeleit</em>
Nuri Saltik, hier bei einem Integrations-Workshop des DFB, führt den Fußballbezirk Bodensee an. <em>Foto: Jochen Dedeleit</em>
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"Grillabende online sind schwer möglich"

Er ist der Vorsitzende des Fußball-Bezirks Bodensee, war selbst 30 Jahre lang Schiedsrichter, und spricht im Interview über Schiedsrichterprobleme, den Besuch der Bayern in Lindau und den E-Sport.

Friedrichshafen / - Nuri Saltik aus Friedrichshafen ist seit gut einem Jahr der Vorsitzende des Bezirks Bodensee im Württembergischen Fußballverband. Der 51-jährige selbstständige Kaufmann ist seit 1994 ehrenamtlich tätig. Mit Jochen Dedeleit sprach Saltik, der auch Schiedsrichter ist, über das Spiel des FC Bayern in Lindau, den DFB-Integrationsbeauftragten Cacau und E-Sport.

Der FC Bayern war in Lindau, und Sie mittendrin. War es auch für Sie ein Highlight?

In Lindau in der ersten Reihe zu stehen mit Karl-Heinz Rummenigge ist sicher nichts Alltägliches, ich durfte ja auch eine Rede halten. Und natürlich war ich positiv überrascht, als ich mich mit den ganzen Bayern-Stars ins Goldene Buch der Stadt Lindau eintragen durfte.

Schön war doch sicher auch das Zusammentreffen mit dem DFB-Integrationsbeauftragten Cacau in der DFB-Zentrale in Frankfurt?

Dort trafen sich die Fußballverbände Süddeutschlands, um in Arbeitsgruppen Integration, Chancen und Zukunftsentwicklungen zu prägen und mitzugestalten. Aber ich betone immer wieder, dass mir die Begriffe Integration und Toleranz nicht gefallen, die haben etwas Negativbehaftetes. Am Ende des Tages gehören Migranten doch nicht dazu – das machen ja die Begriffe Deutsch-Italiener oder Deutsch-Türken schon deutlich. "Teilhabe am gesellschaftlichen Leben" gefällt mir besser, Fußball war da immer schon Vorreiter.

Hier im Bezirk Bodensee sind Sie auch der Integrationsbeauftragte.

Ja, das heißt nun mal so. Wir müssen stetig versuchen, den Dialog zwischen den Vereinen aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Wenn der Sport nicht anfängt, gesellschaftliche Barrieren einzureißen, dann ist es auch anderswo nicht zu schaffen. Wermutstropfen für mich ist, dass Dostluk Friedrichshafen seit Ewigkeiten um eine eigene Anlage und ein Vereinsheim kämpft. Dem Verein gehören 70, 80 Prozent Deutsche an, die in der dritten, vierten Generation hier sind. Aber selbst im Fußball, der Sportart Nummer 1 unter den Jugendlichen, kämpfen wir noch an anderer Front. Den demografischen Wandel merken wir in allen möglichen Bereichen.

Die da wären?

Immer weniger wollen sich ehrenamtlich engagieren. Qualifizierte Trainer sind wie Schiedsrichter Mangelware. Dabei sollten sie doch persönlich etwas zurückgeben wollen, was sie selbst in ihrer Jugend bekommen haben. Was denken Sie, warum ich das hier mache? Ich habe selbst unheimlich viel profitiert, durfte auf diesem Weg früh erfahren, was Fairness, Sportsgeist, Kameradschaft und Ehrlichkeit bedeutet.

Auch die Zahl der Mannschaften wird immer kleiner ...

In der E- und F-Jugend gibt es immer noch genügend Kids. Abgefedert wird diese Problematik natürlich auch durch die Migranten. Aber in der A- und B-Jugend sieht es schon ganz anders aus, und dadurch bekommen auch die ersten oder – so sie denn noch gibt – zweiten Mannschaften Probleme. Deswegen wird es vermehrt Spielgemeinschaften geben müssen. Wissen Sie, an was ich mich noch gut erinnern kann?

An was?

An Vereine mit einer E2 oder E3, auch mit einer A2. Aber wer hat denn noch mehrere Mannschaften in einer Jugendstufe? Der Fußball ist international, Fußball können auch all diejenigen spielen, die die Sprache eines Landes nicht beherrschen. Die Regeln sind einheitlich, Sprache, Religion und Hautfarbe sind unerheblich. Darum gilt es, die Leute durch gezielte Konzepte abzuholen.

Weg vom Rasen: Wo positionieren Sie sich denn auf dem E-Sport-Spielfeld?

Es gibt Funktionäre, die es total ablehnen, und es gibt Verbände und Vereine wie etwa der VfB Stuttgart oder Schalke 04, die sich auf dem Gebiet total reinhängen. Bisher hatte ich da eine ganz klare Meinung dazu: Ich habe mich für das Ehrenamt entschieden, damit sich junge Menschen im Fußball sportlich betätigen können. Im E-Sport sehe ich Kommerzialisierung. Die sportliche Betätigung untereinander fehlt. Ein Grillabend online ist schwer durchführbar.

Der neue E-Sport-Beauftragte dürften Sie somit kaum werden?

Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter füllen sozialpolitische Aufgaben aus. Mit ihrem Engagement sorgen sie dafür, dass junge Menschen Werte wie eben Kameradschaft oder auch Sozialkompetenz vermittelt bekommen. Das ist nur vermittelbar, wenn wir die Leute im Verein haben, und nicht an den Konsolen. Aber ich sagte: Bisher habe ich es ausschließlich aus dieser Sichtweise betrachtet.

Was hat sich geändert?

Ich habe mit anderen Bezirksvorsitzenden gesprochen, und die meinten, ihre Vereinsheime waren zuletzt leergefegt. Jetzt werden dort E-Sport-Turniere gespielt, um die Leute aktiv am Vereinsleben teilhaben zu lassen. Aber dennoch werde ich mich immer mit E-Sport schwertun.

Schwer werden Sie sich auch tun, um jemandem die Rolle des Schiris schmackhaft zu machen?

Ja, weil es eine Aufgabe ist, die von außen unheimlich erschwert wird. Was sich unsere Unparteiischen mittlerweile anhören müssen – Woche für Woche – ist mehr als grenzwertig. Wenn ein 14-Jähriger ein E-Jugendspiel pfeift und seine Eltern dreimal mitbekommen, was die Eltern der Spieler ihm an den Kopf werfen, sagen sie doch: Das tust du dir nicht mehr an!

Die Eltern, das altbekannte Problem ...

Leider ist es so. Wenn’s um die Eltern geht, springen auf dem Platz gefühlt 15 Messis umher. Und die einzige Pfeife ist der Schiedsrichter.

Aufrufe: 021.6.2019, 19:32 Uhr
Schwäbische Zeitung / Jochen DedeleitAutor