2024-05-10T08:19:16.237Z

Ligavorschau
Sportvereins-Trainer Gianni Coveli sieht die derzeitige Entwicklung im Profifußball äußerst kritisch.  Foto: Giacinto Carlucci
Sportvereins-Trainer Gianni Coveli sieht die derzeitige Entwicklung im Profifußball äußerst kritisch. Foto: Giacinto Carlucci

Gianni Coveli geht beim SV Göppingen in sein viertes Trainerjahr

Interview

Nach einer guten ersten Saison in der Oberliga spricht der 47-Jährige im Interview über Verletzungssorgen und Ziele.

Am heutigen Samstag (14 Uhr) startet der Göppinger Sportverein in seine zweite Oberliga-Saison. In der vergangenen Runde überzeugten die Fußballer des Traditionsklubs als Aufsteiger mit Platz sieben. Vor dem Anpfiff der neuen Spielzeit blickte Trainer Gianni Coveli auf den Profifußball und den Sportverein.

Herr Coveli, vor wenigen Tagen sorgte die Ablösesumme von 222 Millionen Euro für Neymar bei seinem Wechsel von Barcelona nach Paris für viel Aufsehen. Wohin entwickelt sich der Profi-Fußball?

Gianni Coveli: Es geht immer mehr hin zum reinen Kommerz, aber nicht nur bei den Ablösesummen. Jeden Tag Fußball im TV ist nicht gut und ich glaube, viele Familien nervt es. Früher freute man sich auf Samstag und Sonntag, da hieß es dann zusammen Sportschau gucken.

Was sind die Folgen?

Am meisten leidet der Amateurfußball darunter, dass die Leute übersättigt sind. Die Masse pickt sich im Amateurbereich nur noch die Rosinen heraus, etwa Aufstiegsspiele oder Derbys. Die Resonanz ist allgemein alarmierend, obwohl ein großer Aufwand betrieben wird, der sich über die Zuschauer nicht mehr kosten­deckend absichern lässt.

Was bedeutet der Erstliga-Aufstieg des VfB Stuttgart für die Region – oder beobachten Sie als Ex-Blauer eher die Stuttgarter Kickers?

Der Aufstieg des VfB ist gut, weil unsere Region einen Erstligisten benötigt. Die Roten haben top Zuschauerzahlen und eine große Fanbase. Sehr positiv sehe ich auch die Entwicklung des FC Heidenheim, das passiert ja auch nicht allzu weit entfernt.

Und die Kickers?

So hart es klingt, mein ehemaliger Verein hat eigentlich in der Regionalliga nichts verloren, aber es sind bedauerlicherweise viele Fehler gemacht worden, die sich in der Ligazugehörigkeit widerspiegeln. Seit Jahren geht die Entwicklung in die falsche Richtung.

Blicken wir nochmals nach Heidenheim. Nach dem Test mit dem FC hier in Göppingen haben Sie anerkennende Worte gefunden, warum?

Ich bin als Trainer des TSV Schwieberdingen Frank Schmidt schon in der Oberliga begegnet. Er als Heidenheimer Trainer und der Verein haben seitdem von der Oberliga bis in die Zweite Liga eine enorme Entwicklung durchlaufen, konstant mit denselben handelnden Personen wie etwa auch Manager Holger Sanwald, die sich von Rückschlägen auf ihrem Weg nicht haben irritieren lassen. Das ist in der heutigen ergebnisorientierten Zeit bemerkenswert. Voraussetzungen dafür sind Vertrauen und Visionen, dann lässt sich nachhaltig arbeiten. Heidenheim ist ein Vorbild, da kann man Dinge abschauen.

Ihr Vertrag wurde im Winter bis Juni 2020 verlängert. Wie gehen Sie mit diesem Vertrauensvorschuss um?

Wie bisher auch, indem ich mich zu hundert Prozent einbringe. Nicht nur bei der Mannschaft, sondern auch bei den struk­tu­rellen Verbesserungen versuche ich zu helfen. Darüber hinaus gilt es, mit einem kleinen Budget eine gute Mannschaft zusammen zu stellen und somit ein gut ­funk­tionierendes Kollektiv auf den Platz zu bringen – Aufgaben, die mich täglich in Anspruch ­nehmen.

Welche Entwicklungsschritte hat Ihr Team in seinem ersten Oberliga-Jahr vollzogen?

Als Aufsteiger haben wir uns sensationell gut entwickelt. In einer sehr kurzen Vorbereitung haben wir unsere Physis gebacken bekommen und sind dabei mit Blick auf die Zeit bis zur Winterpause das Risiko eingegangen, dass nicht gleich die ersten zwei, drei Spiele die wichtigsten sind. Die Jungs haben die taktische Disziplin schnell verinnerlicht. Als es in einer Phase im Herbst lange keinen Dreier gab, sind wir nicht vom Weg abgerückt, sondern haben konsequent weitergearbeitet. Gerade die jungen Spieler haben dabei einen Lernprozess durchlaufen. Gegen Ende der Runde haben wir mit einem immer kleineren Kader noch Top-Ergebnisse eingefahren, weil bei uns Kameradschaft, Mentalität und konditionelle Verfassung stimmen.

Wohin führt der Weg nun in der zweiten Oberliga-Saison?

Das ist vor dem ersten Spiel immer ein großes Fragezeichen. Wir wissen, dass die Konkurrenz einmal mehr aufgerüstet hat. Wir sind also ein ganz kleiner Fisch im großen Karpfenteich. Für uns zählt nur der Klassenerhalt. Zudem macht uns eine extreme Verletztenmisere zu schaffen, es fehlen acht potenzielle Stammspieler. Das tut extrem weh.

Wie lässt sich der Sportverein im Etat-Ranking einordnen?

Im letzten Drittel, das steht auf jeden Fall fest. Laut den Berichten, die ich gelesen habe, hat nur Weinheim offensichtlich weniger Geld zur Verfügung. Die anderen Vereine haben größere Kader mit namhaften Spielern, die höherklassige Erfahrung vorweisen können. Nöttingen etwa hat als Regionalliga-Absteiger sein Team zusammengehalten, was einen Etat von einer Dreiviertelmillion oder mehr bedeutet.

Wie wirkt sich die große Zahl an Ausfällen bei Ihrer Mannschaft auf die Herangehensweise an die ersten Spiele aus?

Es gibt dadurch Parallelen zur vergangenen Saison und wir arbeiten mit einer gezielten und abgestimmten Trainingssteuerung. Wir werden versuchen, in den ersten Spielen mit einem Minikader zu punkten. Die Mannschaft ist taktisch gut geschult und somit wollen wir über das Kollektiv Punkte hamstern, um ähnlich gut in die Saison zu starten wie vergangene Runde.

Zuletzt gab es in Hofherrnweiler mit 0:2 das Zweitrunden-Aus im Verbandspokal. Ist das abgehakt?

Das Ergebnis hängt schon noch in den Kleidern. Wir bekommen in fünf Minuten zwei Tore aus dem Nichts, waren kurz nachlässig. Davor haben wir 60 Minuten gut gespielt, viele Chancen gehabt. Ich war sehr zufrieden, nur die Torausbeute war nicht Oberliga-tauglich. Letztlich ist das Aus aber kein Beinbruch, weil wir personell auf dem Zahnfleisch daherkommen und nun eine dritte englische Woche im August für uns wegfällt.

Wird es noch Verpflichtungen geben, hätten Sie gerne einen Torjäger?

Wir halten die Augen offen, aber es müsste ein Spieler sein, der uns sofort weiterhilft. Talente haben wir genügend. Zudem müsste der Neue sportlich, menschlich und finanziell zu uns passen. Ein Torjäger, der unsere Chancen zu Ende führt, würde uns kurzfristig sicher gut tun. Mittel- und langfristig erwarten wir Domenico Botta, Nebih Kadrija, Max ­Ziesche, Michael Renner und auch Franco Petruso zurück. Diese Spieler haben bereits bewiesen, dass sie Qualität besitzen und uns auch wieder verstärken.

Tore sind aber letztlich das Salz in der Suppe, oder?

Ich bin ein Freund des Offensivfußballs und gewinne gern mit vielen Toren. Letztlich aber gilt es, wie vergangenes Jahr die Balance zwischen erfolgreicher Offensive und stabiler Defensive zu finden. Wir hatten die drittbeste Abwehr der Oberliga, dieser Weg ist für uns richtig.

Wie sehen Sie die Zuschauerresonanz mit knapp 500 Fans pro Spiel?

Das war sehr gut. Die Oberliga wurde gut angenommen. Ich habe viele neue Gesichter gesehen, die Anspielzeit am Samstag um 14 Uhr passt. Wie sich die Mannschaft präsentiert, wird honoriert.

Mit welchem Resultat sind Sie nach dem Heimspielauftakt gegen Spielberg zufrieden?

Mit einem Sieg bin ich mehr als zufrieden, wir wollen auf jeden Fall punkten. Es wird nicht einfach, weil sich auch Spielberg gut verstärkt hat. Wir wollen nach dem Schlusspfiff sagen können, dass wir alles probiert und rausgehauen haben und dann sollte doch auch etwas Zählbares zuhause bleiben.

Aufrufe: 012.8.2017, 07:44 Uhr
NWZ / HARALD BETZAutor