2024-05-10T08:19:16.237Z

Transfers
In der vergangenen Saison spielte Filip Rettig (rechts) noch für Hoffenheim II in der Regionalliga, nun soll er die Verteidigung des FV Ravensburg verstärken. Foto: Imago images
In der vergangenen Saison spielte Filip Rettig (rechts) noch für Hoffenheim II in der Regionalliga, nun soll er die Verteidigung des FV Ravensburg verstärken. Foto: Imago images
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Wiesental statt Betzenberg

Wiesental statt Betzenberg: Eigentlich stand der Überlinger Filip Rettig im Sommer schon kurz vor der Unterschrift beim 1. FC Kaiserslautern. Weshalb er nun beim FV Ravensburg in der Oberliga spielt.

Ravensburg / sz - Manchmal ist Fußball ganz einfach: Ein schneller Antritt, ein kurzer Haken, schon ist Filip Rettig ist ausgespielt – und der Ball im Tor. Beim Treffer zum 3:1 des SV Sandhausen II gegen den FV Ravensburg sieht der Linksverteidiger nicht wirklich gut aus. Dabei hatte sich der Neuzugang für sein erstes Heimspiel im Trikot der Ravensburger einiges vorgenommen – und war nach der 1:4-Niederlage gegen den Tabellenletzten der Oberliga dementsprechend enttäuscht. "Natürlich hätte ich mir das heute anders gewünscht", sagte der 21-Jährige nach Schlusspfiff.

So sehr die Niederlage, die den FV Ravensburg von Platz eins auf fünf zurückwarf, schmerzte, so sehr passte sie ins bisherige Fußballerleben von Filip Rettig: mit hohen Erwartungen gestartet, mit einer Enttäuschung gelandet. "Fußball ist ein komischer Sport", sagt der Ravensburger Neuzugang. Denn der Linksverteidiger gilt als hoch veranlagt, durchlief die Jugendabteilungen des VfB Stuttgart, RB Leipzig und des 1. FC Nürnberg, für die er über 70-mal in den U17- und U19-Bundesligen zum Einsatz kam. Doch der Durchbruch ist ihm bislang nicht gelungen. Weder in einem seiner drei Ausbildungsvereine noch bei Eintracht Braunschweig, wo er als 19-Jähriger unter Trainer Torsten Lieberknecht bereits mit der Zweitligamannschaft trainierte, noch bei 1899 Hoffenheim, wo er in der vergangenen Saison mit der zweiten Mannschaft in der Regionalliga spielte und im Sommer seinen Vertrag auflöste. "Ich hatte schon viel Pech in meiner Karriere", sagt Rettig und meint damit auch eine Episode aus diesem Sommer: "Ich war kurz vor der Unterschrift in Kaiserslautern", erzählt der Linksfuß. "Doch dann kamen einige Dinge zusammen und es hat leider doch nicht geklappt." Statt für Rettig entschieden sich die Roten Teufel für den drittligaerfahrenen Philipp Hercher. Und auch bei den Würzburger Kickers, bei denen er ebenfalls im Probetraining vorspielte, fiel die Entscheidung gegen ihn.

Vertrag bis zum Saisonende

Jetzt also Ravensburg. Wiesental statt Betzenberg. Oberliga statt dritte Liga. Ein Rückschritt, für den sich der 21-Jährige bewusst entschieden hat. "Ich will vor allem wieder Spaß am Fußball haben." Nachdem er seit Sommer vereinslos war, musste sich Rettig alleine fit halten und hatte seit Juni nicht mehr in einer Mannschaft gespielt. "Das habe ich sehr vermisst." Zwar habe es auch mehrere Gespräche mit Regionalligisten gegeben, "so wirklich hat mich aber keiner überzeugt". Erst als FV-Trainer Steffen Wohlfarth auf ihn zukam, merkte Rettig, dass es für ihn passen könnte. "Ich kenne seinen Berater noch von früher", berichtet Wohlfarth, der als Profi unter anderem für Ingolstadt und Wiesbaden spielte. "Wir hatten ein langes, gutes Gespräch und ich bin froh, dass sich ein Spieler mit so einer guten Ausbildung für uns entschieden hat."

Seit drei Wochen trainiert Rettig nun mit den Ravensburgern. Wohlfarth schätzt den neuen Mann als "Kämpfer mit extremer Ballsicherheit". Doch eine Stammplatzgarantie gebe es deshalb noch lange nicht. Vielmehr gehe es jetzt darum, den Linksverteidiger "ohne Druck" wieder an den Spielbetrieb zu gewöhnen und den jungen Spieler, der bislang vor allem in Nachwuchsteams von Profimannschaften aktiv war, an den Fußball im Erwachsenen- und vor allem im Amateurbereich zu gewöhnen. "Hier hat er ja noch kaum Erfahrung", sagt Wohlfarth. Vorerst bis zum Saisonende ist der Vertrag befristet. "Ich glaube, dass er den Weg mit uns auch gerne länger gehen wird", so der Trainer. Rettig selbst meint: "Die Vertragslaufzeit ist erst mal egal. Ich will einfach wieder Spaß haben."

Bei seinem Entschluss für den FV spielte auch die Nähe zur Familie eine große Rolle. In Frankfurt geboren, ist Rettig in Überlingen am Bodensee aufgewachsen. Mittlerweile wohnen seine Eltern in Bregenz und der Sohn ist nach vielen Stationen in Fußball-Jugendinternaten wieder zu Hause eingezogen. "Ich war zehn Jahre außer Haus. Da fühlt sich das ungewohnt, aber auch gut an", sagt der 21-Jährige, der neben der deutschen auch die schwedische Staatsbürgerschaft besitzt und zweimal in der schwedischen U16-Nationalmannschaft zum Einsatz kam. "Es macht einfach keinen Sinn, 800 Kilometer von der Familie entfernt zu spielen." Hier in Bregenz findet er auch die nötige Ruhe für sein Fernstudium zum Sportbetriebswirt. Schließlich will Filip Rettig eine Alternative haben, sollte es als Profifußballer nicht mehr klappen.

Ganz abgehakt hat er seinen Traum aber noch nicht. "Ich hatte mein ganzes Leben das Ziel, Fußballer zu werden. Und ich werde es weiter versuchen." Damit sein Traum doch noch Wirklichkeit wird, sollte er in Zukunft aber solche Zweikämpfe wie am Samstag gegen Sandhausen am besten nicht mehr verlieren.

Aufrufe: 020.11.2019, 18:39 Uhr
Schwäbische Zeitung / Martin DeckAutor