2024-04-25T14:35:39.956Z

FuPa Portrait
Trainerassistent Zahirat Juseinov vom Club "Welcome United Babelsberg" versorgt seine Spieler von der Seitenlinie aus lautstark mit wertvollen Tipps. Foto: dpa
Trainerassistent Zahirat Juseinov vom Club "Welcome United Babelsberg" versorgt seine Spieler von der Seitenlinie aus lautstark mit wertvollen Tipps. Foto: dpa

Flüchtlingstrainer fürchtet Abschiebung

Engagiert für Flüchtlinge und selbst von Ausweisung betroffen: Der Fall des Co-Trainers der hochgelobten Flüchtlingsmannschaft "Welcome United" schlägt hohe Wellen. Prominente fordern ein Bleiberecht.

Die Wanduhr in seiner Wohnung in Potsdam tickt leise, aber konstant vor sich hin. Zahirat Juseinov scheint bei jedem Klick-Klack förmlich zusammenzuzucken. Die Nerven liegen bei ihm und seiner Familie blank. In wenigen Stunden muss der Co-Trainer des Potsdamer Vorzeige-Flüchtlingsprojekts „Welcome United“ in der Ausländerbehörde erscheinen. Am Dienstag geht es dabei um die sofortige Ausweisung seiner mazedonischen Familie aus Deutschland.

„Mir geht es wirklich schlecht. Ich habe seit Tagen nicht geschlafen“, gesteht der 35-Jährige, den alle nur Hassan rufen. Nur der Fußball und der Zuspruch seines Clubs, SV Babelsberg 03, halten ihn über Wasser. „Ansonsten habe ich wirkliche, echte Angst.“

Seine Freundin Emel und er gehören der Volksgruppe der Roma an. „Wir Sinti und Roma sind in Mazedonien und auf dem ganzen Balkan rechtlos und müssen dort – von der Bevölkerung verachtet – unter dem Existenzminimum leben“, berichtet er Trainer. „Ich verstehe nicht, warum Mazedonien für uns Sinti und Roma ein sicheres Herkunftsland sein soll.“

2010 flüchtete er mit seiner Freundin und seinen damals drei Kindern nach Potsdam. Heute ist die Familie zu sechst und lebt mit Baby Ayschegün, das vor drei Monaten hier zur Welt kam, in einer eigenen Wohnung. Über den Fußball hat Hassan schnell in Potsdam Fuß gefasst. „Damals kam jemand von Babelsberg ins Flüchtlingsheim und hat uns zum Fußballspielen mitgenommen. Seitdem bin ich hier vollintegriert“, berichtet er.

Als später Babelsberg-Anhänger zusammen mit dem Verein eine eigene Flüchtlings-Fußballmannschaft ins Leben riefen, war er sofort dabei. „Ich spreche sechs Sprachen, habe mich sofort um die Jungs gekümmert, die aus aller Herren Länder nach Potsdam gekommen sind.“ Hassan kennt die Probleme der Flüchtlinge nur zu gut. „Man lebt in ständiger Angst, abgeschoben zu werden, weil man sich von Duldung zu Duldung hangeln muss.“ Aber es hilft nichts. „Man muss immer den Kopf oben behalten und Deutsch lernen.“

Er und seine Freundin sprechen inzwischen akzentfrei die Sprache ihres Gastlandes. Für die Kinder ist Deutsch ihre Muttersprache. Hassan und Emel verfügen sogar über eine Arbeitserlaubnis. „Ich bin bei einer Straßenreinigungsfirma eingestellt“, erzählt Hassan. „Besser integriert können wir gar nicht sein. Daher verstehen wir nicht, warum wir des Landes verwiesen werden sollen.“

Die Geschichte rührt sogar Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Er hat die drohende Abschiebung der Familie bereits „widersinning“ genannt. Auch Schauspieler Til Schweiger äußerte eine klare Meinung: „Das wäre ein fatales Beispiel.“

Im Potsdamer Rathaus scheinen die Zeichen der Zeit erkannt zu sein. In einem Beratungsgespräch sei der Fall Juseinov am Montag noch einmal besprochen worden, sagt Stadtsprecher Jan Brunzlow. Eine weitere Duldung könne aus rechtlichen Gründen wohl nicht ausgesprochen werden. Es gebe aber noch andere Möglichkeiten, zum Beispiel, die Härtefallkommission des Landes anzurufen. „Wir werden alle Optionen mit der Familie am Dienstagnachmittag besprechen.“

Aufrufe: 029.2.2016, 18:09 Uhr
SZ/dpa Georg-Stefan RussewAutor