2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
– Foto: FuPa Thüringen

Es ist Zeit zu handeln!

Es ist ein Thema, das den Thüringer Amateurfußball in diesen Zeiten enorm beschäftigt: Die Schiedsrichter. Und dabei geht es nicht etwa um irgendwelche Entscheidungen oder die Spielleitung. Viel mehr gehen den Vereinen die Schiedsrichter aus. Es hagelt Punktabzüge und Geldstrafen im Freistaat: Der FC An der Fahner Höhe und der FC Steinbach-Hallenberg können davon ein Lied singen.

Doch was tun? Heilen denn diese Strafen das Grundübel? In den Augen vieler Fußballfreunde tun sie es eben nicht. Es ist eine Angelegenheit, die auch Steinbach-Hallenbergs Trainer David Reich in den letzten Wochen enorm beschäftigt hat. Er hält die Konzepte für überholt und sanierungsbedürftig. Darüber hinaus stellt der Coach in Frage, warum – wie im Fall seines Vereins – Sprachschwierigkeiten das Hauptkriterium sein sollen, weshalb potenzielle Schiedsrichter nicht zugelassen werden.

In einem offenen Brief wendet sich Reich an den DFB-Präsidenten Fritz Keller, hinterfragt dabei kritisch die Konzepte, erläutert Ideen. Er legt den Finger in die Wunde, nennt die Dinge beim Namen: Vom "unwürdigen Umgang" bis zum "Schiedsrichter-Schwarzmarkt." Ein Umdenken in diesem Punkt hält Reich für überfällig – Einge Fußballfreunde aus Thüringen werden ihm zustimmen:

"Sehr geehrter Herr Keller,

Sie haben als neuer Präsident eine Generalinventur des DFB angekündigt und haben das Ohr auch am "kleinen" Mann. Deshalb bin ich mir sicher, dass Sie meinen Brief und meine Vorschläge zur Überholung des Schiedsrichterwesens gespannt lesen werden. Ich hoffe auf eine Antwort. Vielleicht halten Sie mich für einfältig oder größenwahnsinnig, aber wer, wenn nicht Sie, müssen um die Missstände an der Basis wissen, um zu helfen.

Mein Name ist David Reich, ich bin 38 Jahre, wohne im thüringischen Meiningen, bin ein verheirateter Vater zweier Jungs und arbeite als Ingenieur. Ich war lange aktiver Fußballspieler und bin vor 10 Jahren auf die Trainerbank gewechselt. Vier Jahre trainiere ich nunmehr den FC Steinbach-Hallenberg, einen Verein mit knapp 300 Mitgliedern und Mannschaften von den Jüngsten bis zu den Ältesten. Unser Verein kämpft seit langer Zeit mit zurückgehenden Geburtenraten, territorialen Gegebenheiten und finanziellen Heraus-forderungen. Nichtsdestotrotz hat man in den letzten Jahren sehr viel auf die Beine gestellt und weit über die Region hinaus von sich Reden gemacht. Neben einer Spielvereinigung mit umliegenden Ortschaften haben wir einen Sportförderverein gegründet und ein komplett neues Kunstrasen-Stadion als Gemeinschaftsprojekt erbaut. Viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich, um Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen das Fußballspielen zu ermöglichen. Was wir jedoch formell durch fehlende Schiedsrichter erleben, macht uns sehr betroffen und hat mich veranlasst, diese Zeilen zu verfassen.

In unserer Region werden viele Fachkräfte gebraucht und wir haben das Glück, dass sich trotz des ländlichen Gebietes eine starke Wirtschaft etabliert hat, die auch auf ausländische Mitarbeiter/innen setzt. Diese finden den Integrationsweg oft über den Sport. Der DFB versucht über viele medienwirksame Kampagnen, diese Integration zu fördern und zu unterstützen. Wie kann es daher sein, dass es nicht möglich ist, zwei ausgebildete Schiedsrichter aus Rumänien, die hier leben und arbeiten, für unseren Verein anzumelden? Leider wurden die Schiedsrichter bzw. -anwärter abgelehnt, da die deutsche Sprache in Wort und Schrift als grundlegende Eigenschaft definiert wird, um deren Schiedsrichterausbildung erneut abzulegen.

Zweifelsohne verstehe ich einerseits die Auffassung, dass die Sprache möglicherweise das Konfliktpotenzial bei strittigen Entscheidungen zu schlichten vermag, aber ist die Sprache einzig und allein entscheidend? Es geht bekanntlich anders: Wenn ein Peruaner bei der WM ein Spiel zwischen Nordkorea und Frankreich leitet, reicht doch auch die Fußballsprache, oder? Die versteht jeder.

Ich habe mich auch gefragt, wie unsere "Ausländer" die Fahrschulprüfung absolvieren? Ich brachte dabei in Erfahrung, dass die Tests mittlerweile in nahezu allen Sprachen verfügbar sind und somit nach erfolgreichem Abschluss diese "Ausländer" sogar auf deutsche Straßen dürfen? Warum geht das dann nicht auch beim DFB, damit ausländische Fachkräfte (=Schiedsrichter) auch auf deutsche Sportplätze dürfen? Zumal es in den Vereinen (Profis wie Amateure) genug Spieler/-innen gibt, die keinerlei Deutschkenntnisse aufweisen. Wie verstehen diese Mitmenschen unsere "deutschen" Schiedsrichter?

Nicht nur mein Verein kämpft seit Jahren um Schiedsrichternachwuchs und weiß daher, was es bedeutet, wenn ein Schiedsrichter aus Altersgründen aufhört oder wegen dem unwürdigen Umgang auf den hiesigen Plätzen sich anderen Hobbies widmet. Junge Leute haben bei uns aus Angst vor Übergriffen ihre Schiedsrichter-Ausbildung abgebrochen oder fangen deshalb erst gar nicht damit an. Ebenso hat sich bereits ein "Schwarzmarkt" für Schiedsrichter gebildet, bei denen Honorare für Referees gezahlt werden, die sich viele kleine Vereine gar nicht mehr leisten können. Zahlt man dies nicht, warten Geldstrafen und Punktabzüge auf den Verein, so wie in unserem Fall. Ich musste nun schon zum zweiten Mal meine Spieler vom Punktabzug unterrichten und in deren traurige Augen schauen.

Ich bin mir sicher, dass sich diese Situation weiter zuspitzen und viele Vereine zwingen wird, Mannschaften abzumelden, sich zu verschulden oder gänzlich zu kapitulieren. Anderen Vereinen deren Schiedsrichter "abzukaufen", ist eine Lösung, die nur dem aufnehmenden und finanzstarken Verein und dem Geldbeutel des Schiedsrichters hilft. Anderen Vereinen fehlen dann eben jene Schiedsrichter.

Die Regelungen rund um Geldstrafen und Punktabzüge für Vereine, welche diese Richtwerte nicht erfüllen sind deshalb fragwürdig bzw. zu reformieren. Was hilft der Punktabzug, wenn es für Schiedsrichter keine Backmischungen gibt? Gibt es für Vereine die deren Schiri-Soll übererfüllen demnächst Punktgutschriften? Ich meine, hier sind nicht mehr nur die Verein in der Pflicht.

Deshalb ist es Zeit zu Handeln!

Werter Herr Keller, als "kleiner Mann" an der Basis habe ich erste Vorschläge für eine Umstrukturierung des Schiedsrichterwesens in Deutschland:

1. Zentrale Ausbildung und Organisation der Schiedsrichter über den DFB bzw. den Landesverband. Der DFB darf diese Aufgabe nicht an die Vereine abschieben, die dann ohne Eigenverschulden mit Punktabzügen oder Geldstrafen belegt werden. Verlassen Sie sich nicht auf die Vereine, sondern gestalten Sie und binden Sie dann die Vereine aktiv mit ein.

2. Zwingend notwendig ist eine Stärkung der Rolle des Schiedsrichters in der öffentlichen Wahrnehmung - in keiner anderen Sportart wird mit Schiedsrichtern auf den Spielfeldern oder in den Medien so umgegangen wie beim Fußball. Respekt und Wertschätzung sind unbedingte Voraussetzungen, um junge Menschen wieder für eine Ausbildung begeistern zu können. Revolution bei der Anwendung des VAR, Image-Kampagnen, steuerliche Bevorteilungen für Schiedsrichter... Ideen gibt es viele und weitere.

3. Überarbeitung der Anforderungen für eine Ausbildung zum Schiedsrichter gerade in Hinblick auf ausländische Anwärter. Die Vielfalt bringt vieles Neue, viel Gutes und viele neue Möglichkeiten neben und vor allem auf dem Platz, vielleicht ja auch bald zwei rumänische Schiedsrichter beim FC Steinbach-Hallenberg, Thüringen bzw. bundesweit. Die Sprache fördert die Integration, umgekehrt aber genauso.

4. Falls Sie sich für weitere Details zu den oben genannten Problematiken, unserem Verein oder unseren Ideen interessieren, stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung. Gerne erarbeiten wir mit von Ihnen ausgewählten Ansprechpartner neue Konzepte. Einzig ausgenommen die Zeiten, zu denen wir gerade auf dem Platz stehen, um der Fußballbegeisterung aller Vereinsmitglieder gerecht zu werden.

Werter Herr Keller, viele Vereine und ehrenamtlich Tätige setzen auf Sie und Ihre Ankündigungen, grundlegende Änderungen anzustoßen. Sie alle freuen sich auf Ihre Amtszeit und verbinden große Hoffnungen auf Neuerungen damit.

Hochachtungsvoll und mit freundlichen Grüßen

David Reich"

Aufrufe: 020.12.2019, 16:20 Uhr
FuPa / David ReichAutor