2024-05-08T14:46:11.570Z

Allgemeines
Serbia (rot) hat häufig keine Mühe mit dem Gegner. F: Roland Fengler
Serbia (rot) hat häufig keine Mühe mit dem Gegner. F: Roland Fengler

FC Serbia: Mehr als nur ein Stück Heimat in der Fremde

Alltag in der A-Klasse 7 - Teil 8: Auf dem Platz spielen die serbischen Fußballer bereits in einer anderen Liga, gemeinschaftlich liegt die größte Stärke aber in der dritten Halbzeit

Verlinkte Inhalte

Gut, sie war ja nie weg, die A-Klasse. Wir haben sie hier nur versteckt, eine Saison lang. Jetzt sind wir wieder dort, auf holprigen Wiesen, bei den Jungs mit den schweren Knochen, bei denen, die lieber nächtelang feiern gin­gen als ins Fußballinternat. Eine wöchentliche Liebeserklärung an die ehrlichste Fußball-Liga Nürnbergs.

Auf der Homepage gab man sich noch zögerlich. „Die Saison ist lang, mit dem heutigen Spiel ist noch nichts entschieden“, ließ sich Mišo Živkovic, Trainer des FC Serbia, in der Vorwo­che nach dem 5:2-Sieg bei Rangier­bahnhof noch zitieren. Falsch war das natürlich nicht, allenfalls ein wenig floskelhaft.

Vorstandsmitglied Daniel Lazic wird eine Woche später schon deutlicher: „Vereinsziel ist ganz klar der Aufstieg. Es wäre Schwachsinn, etwas anderes zu behaupten.“ Überheblich oder arrogant ist das nicht, eher selbstbewusst. Noch wäh­rend Lazic über die Ziele seines Ver­eins spricht, beweist der FC Serbia auf dem Platz, dass der Klassenunter­schied längst besteht — nur eben noch nicht auf dem Papier. Nur das erste Spiel ging, es war wohl der Urlaubs­zeit geschuldet, knapp gegen Ein­tracht Süd verloren, alle anderen Par­tien entschied der FC Serbia teils sehr deutlich für sich. Auch die zweite Mannschaft des VfL Nürnberg, die in der Vorwoche noch einen 7:1-Heim­sieg gegen Falkenheim II gefeiert hat­te, ist dem Tabellenzweiten an diesem Sonntag in allen Belangen hoffnungs­los unterlegen. Mit 8:1 fällt Serbias Sieg keineswegs zu hoch aus.

Taktisch klug, schnell und variabel — ja, dieser FC Serbia ist zu gut für die A-Klasse. Viel zu gut. Coach Mišo Živ­kovic hat eine augenscheinlich klare spielerische Idee — und zu seinem Glück auch die Spieler, die diese Idee problemlos umsetzen können. Spieler wie Saša Pušac etwa. Der Mann mit der Rückennummer 2 ist äußerlich unscheinbar, nicht groß noch kräftig, dafür aber mit Ballge­fühl und einer überragenden Spielin­telligenz gesegnet. Die gute fußballeri­sche Ausbildung, die er noch in Bosni­en erhalten hat, merkt man ihm an — und dass er in Deutschland ausgerech­net für den FC Serbia spielt, sagt viel über die Anziehungskraft dieses jun­gen und kleinen Vereins aus.

Gerade einmal rund 50 Mitglieder hat der 2011 gegründete FC Serbia, der überwiegende Teil von ihnen läuft für die beiden Fußballmannschaften auf. Andere Sportarten gibt es beim FC Serbia nicht, eine Jugendabtei­lung ebenso wenig, dafür aber immer­hin eine regelmäßige Fußballschule, die jungen Spielern aller Vereine offen steht. Wer gerade nicht spielt, hilft an anderer Stelle, so wie Serbias Topstürmer Milenko Babic, der außer­dem auch im Vorstand sitzt und, von einem Muskelfaserriss gebremst, am Rande des Spiels gegen den VfL Nürn­berg Getränke verkauft. „Wir sind zur Anlaufstelle für viele Serben gewor­den“, sagt Babic über den vor fünf Jah­ren gegründeten FC Serbia. Spieler, die auch in höheren Ligen bestehen könnten, entschieden sich bewusst für den A-Klassisten, weil der eben mehr sein will als bloßer Fußballclub.

Zündstoff Balkanderby

„Nürnberg hat eine große und gut integrierte serbische Gemeinde“, er­klärt Daniel Lazic, „und beim FC Ser­bia wollen wir Menschen dieser Ge­meinde zusammenbringen, unsere Sprache und unsere Traditionen be­wahren.“ In gewisser Weise versteht sich der FC Serbia als verschworene Gemeinschaft. Das Miteinander sei im Zweifel wichtiger als die Frage, in wel­cher Liga der Verein aufläuft. Oder mit den Worten Milenko Babics: „Die dritte Halbzeit ist die lustigste.“ Man gibt sich familiär beim FC Ser­bia, freut sich über die vielen Kinder am Spielfeldrand und über „Balkan­derbys“ gegen Hajduk Nürnberg oder den FC Bosna, die längst nur noch auf dem Platz einen gewissen Zündstoff bergen.

Das Drumherum gleicht in der Regel einem kleinen Volksfest, mit reichlich Gegrilltem und Gebrann­tem. Man pflegt Freundschaften und hilft sich untereinander. Der Verein richte Benefizspiele aus, erzählt La­zic, zum Beispiel zugunsten kranker Freunde, Nachbarn oder Verwandter. Neuankömmlinge aus Serbien finden beim Verein ein Stück Heimat in der Fremde — und gleichzeitig Hilfe bei Wohnungssuche oder bei Behörden­gängen.

Vor diesem Hintergrund ist das wichtigste Vereinsziel kein sportli­ches: „Wir wollen, dass es uns auch in zehn, fünfzehn Jahren noch gibt“, sagt Daniel Lazic, „und wir wollen etwas hinterlassen.“ Und zwar deut­lich mehr als nur den Eindruck, ein derzeit richtig stark aufspielendes Team gesehen zu haben.

Aufrufe: 019.10.2016, 10:02 Uhr
Marco Schrage (NN)Autor