Auf der Homepage gab man sich noch zögerlich. „Die Saison ist lang, mit dem heutigen Spiel ist noch nichts entschieden“, ließ sich Mišo Živkovic, Trainer des FC Serbia, in der Vorwoche nach dem 5:2-Sieg bei Rangierbahnhof noch zitieren. Falsch war das natürlich nicht, allenfalls ein wenig floskelhaft.
Vorstandsmitglied Daniel Lazic wird eine Woche später schon deutlicher: „Vereinsziel ist ganz klar der Aufstieg. Es wäre Schwachsinn, etwas anderes zu behaupten.“ Überheblich oder arrogant ist das nicht, eher selbstbewusst. Noch während Lazic über die Ziele seines Vereins spricht, beweist der FC Serbia auf dem Platz, dass der Klassenunterschied längst besteht — nur eben noch nicht auf dem Papier. Nur das erste Spiel ging, es war wohl der Urlaubszeit geschuldet, knapp gegen Eintracht Süd verloren, alle anderen Partien entschied der FC Serbia teils sehr deutlich für sich. Auch die zweite Mannschaft des VfL Nürnberg, die in der Vorwoche noch einen 7:1-Heimsieg gegen Falkenheim II gefeiert hatte, ist dem Tabellenzweiten an diesem Sonntag in allen Belangen hoffnungslos unterlegen. Mit 8:1 fällt Serbias Sieg keineswegs zu hoch aus.
Taktisch klug, schnell und variabel — ja, dieser FC Serbia ist zu gut für die A-Klasse. Viel zu gut. Coach Mišo Živkovic hat eine augenscheinlich klare spielerische Idee — und zu seinem Glück auch die Spieler, die diese Idee problemlos umsetzen können. Spieler wie Saša Pušac etwa. Der Mann mit der Rückennummer 2 ist äußerlich unscheinbar, nicht groß noch kräftig, dafür aber mit Ballgefühl und einer überragenden Spielintelligenz gesegnet. Die gute fußballerische Ausbildung, die er noch in Bosnien erhalten hat, merkt man ihm an — und dass er in Deutschland ausgerechnet für den FC Serbia spielt, sagt viel über die Anziehungskraft dieses jungen und kleinen Vereins aus.
Gerade einmal rund 50 Mitglieder hat der 2011 gegründete FC Serbia, der überwiegende Teil von ihnen läuft für die beiden Fußballmannschaften auf. Andere Sportarten gibt es beim FC Serbia nicht, eine Jugendabteilung ebenso wenig, dafür aber immerhin eine regelmäßige Fußballschule, die jungen Spielern aller Vereine offen steht. Wer gerade nicht spielt, hilft an anderer Stelle, so wie Serbias Topstürmer Milenko Babic, der außerdem auch im Vorstand sitzt und, von einem Muskelfaserriss gebremst, am Rande des Spiels gegen den VfL Nürnberg Getränke verkauft. „Wir sind zur Anlaufstelle für viele Serben geworden“, sagt Babic über den vor fünf Jahren gegründeten FC Serbia. Spieler, die auch in höheren Ligen bestehen könnten, entschieden sich bewusst für den A-Klassisten, weil der eben mehr sein will als bloßer Fußballclub.
„Nürnberg hat eine große und gut integrierte serbische Gemeinde“, erklärt Daniel Lazic, „und beim FC Serbia wollen wir Menschen dieser Gemeinde zusammenbringen, unsere Sprache und unsere Traditionen bewahren.“ In gewisser Weise versteht sich der FC Serbia als verschworene Gemeinschaft. Das Miteinander sei im Zweifel wichtiger als die Frage, in welcher Liga der Verein aufläuft. Oder mit den Worten Milenko Babics: „Die dritte Halbzeit ist die lustigste.“ Man gibt sich familiär beim FC Serbia, freut sich über die vielen Kinder am Spielfeldrand und über „Balkanderbys“ gegen Hajduk Nürnberg oder den FC Bosna, die längst nur noch auf dem Platz einen gewissen Zündstoff bergen.
Das Drumherum gleicht in der Regel einem kleinen Volksfest, mit reichlich Gegrilltem und Gebranntem. Man pflegt Freundschaften und hilft sich untereinander. Der Verein richte Benefizspiele aus, erzählt Lazic, zum Beispiel zugunsten kranker Freunde, Nachbarn oder Verwandter. Neuankömmlinge aus Serbien finden beim Verein ein Stück Heimat in der Fremde — und gleichzeitig Hilfe bei Wohnungssuche oder bei Behördengängen.
Vor diesem Hintergrund ist das wichtigste Vereinsziel kein sportliches: „Wir wollen, dass es uns auch in zehn, fünfzehn Jahren noch gibt“, sagt Daniel Lazic, „und wir wollen etwas hinterlassen.“ Und zwar deutlich mehr als nur den Eindruck, ein derzeit richtig stark aufspielendes Team gesehen zu haben.