2024-05-02T16:12:49.858Z

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Die Blauen des FC Neustadt bejubeln das 3:3-Ausgleichstor von Sascha Waldvogel, den Neustadts Kapitän  Fabian Papa  auffängt. Rechts Florian Heitzmann und Robin Maier, links Ralf Schubnell.   | Foto: Patrick Seeger
Die Blauen des FC Neustadt bejubeln das 3:3-Ausgleichstor von Sascha Waldvogel, den Neustadts Kapitän Fabian Papa auffängt. Rechts Florian Heitzmann und Robin Maier, links Ralf Schubnell. | Foto: Patrick Seeger

FC Neustadt schippt stundenlang Schnee und holt 0:3 auf

FC Neustadt besiegt im Derby den FC Bad Dürrheim 4:3

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Wenn Männer wie Kinder schreien und sich auch so freuen, muss etwas Besonderes passiert sein. Satz- und Wortfetzen wie „wir waren groß“, „überragend“ und „hundertprozentig“ dringen aus dem Neustädter Nach-dem-Spiel-Kreis auf die andere Seite des Kunstrasenplatzes herüber, Klaus Gallmann ist nach rassigen 90 Minuten emotional in Höchstform und tut das, was er außergewöhnlich gut kann: Er lobt seine Spieler, redet sie stark, er versucht ihnen die positive Essenz dieser Begegnung für die kommenden zwölf Spiele im Abstiegskampf einzuimpfen.

Am Donnerstag lagen noch ein paar Zentimeter Schnee auf dem Kunstrasen, an der südöstlichen Seite zur Gutach hin hatten sich Eisplatten gebildet. Auf Veranlassung des Platzbeauftragten wurde der Platz geräumt. Eine Zehnerschaft schippte am Freitagabend drei Stunden Schnee, am Samstagmorgen hängte die zweite Mannschaft des FC Neustadt noch einmal zweieinhalb Stunden dran. „Ich habe noch nie erlebt, dass ein Verein gezwungen wird, einen Platz zu räumen, auf dem stellenweise eine drei bis vier Zentimeter dicke Eisschicht liegt. Unfassbar. Das ist ein Skandal“, wettert Trainer Klaus Gallmann, der mit seinem Bruder Benjamin Gallmann den FC Neustadt coacht. Rolf Eckert, der sportliche Leiter des FCN, der „gefühlt 200 Anrufe“ im Vorfeld des Spiels tätigen musste, um den Arbeitseinsatz zu koordinieren und für das Spiel alles hinzubekommen, sagt: „Ich rechne mit einer Reaktion der Mannschaft. So schätze ich sie ein. Die Spieler werden jetzt alles geben.“

Die Neustädter konnten bis eine Woche vor diesem ersten Pflichttermin nicht ein einziges Mannschaftstraining mit Ball im Jahnstadion absolvieren. Von sechs Testspielen fielen drei aus. Die Auswirkungen werden in den ersten Minuten sichtbar. Die Gäste aus Bad Dürrheim sind ball- und kombinationssicherer, die Fehlerrate bei den Blauen ist hoch. Automatismen, die in der Herbstrunde gegriffen haben, müssen erst wieder erarbeitet werden. Das Stellungsspiel der FCN-Abwehr offenbart Defizite, weshalb Anspiele der Bad Dürrheimer in die Spitze ständig für Gefahr sorgen. Nach sieben Minuten treibt Sime Fantov einen Schuss knapp am langen Eck vorbei. Fünf Minuten später spielt sich Nico Tadic auf der rechten Seite durch, zieht nach innen in den Strafraum und geht im Zweikampf mit Ralf Schubnell zu Boden. Wenn Schiedsrichter Steffen Fante, der das Spiel unaufgeregt und mit feinem Gespür für Situationen leitet, auf Elfmeter entscheiden würde, wäre das nachvollziehbar, aber er lässt weiterlaufen.

Wenig später läuft Sime Fantov allein auf Simon Gantert zu, beim Versuch den Neustädter Torwart zu umspielen, fällt Fantov. Jetzt zeigt der Referee auf den Punkt. Bad Dürrheims Torjäger Christian Braun verwandelt den Strafstoß zum 1:0 (18.). Als Josip Katava wenig später im Mittelfeld nach einem Stockfehler den Ball verliert, klingelt es ein zweites Mal im Neustädter Kasten. Dieses Mal darf Almeida Compagnucci ohne Verfolger auf des Neustädter Tor zusteuern – er trifft zum 2:0. Aller guten Dingen sind drei: In der 38. Minute taucht der Bad Dürrheimer Mittelstürmer Cil nach einem hohen Ball allein vor Gantert auf: 3:0. Die Bad Dürrheimer machen das Spiel, sie kontrollieren das Geschehen. Der FC Neustadt wirkt hilflos in seinem Bemühen, den Kombinationsfußball der Gäste zu bremsen. Die Partie ist frühzeitig entschieden, zu groß sind die Unterschiede in diesen ersten 40 Minuten. Kurz vor der Pause springt der Dürrheimer Torwart Jonas Kapp nach einem hohen Ball außerhalb des Fünfmeterraums den zum Kopfball hochsteigenden Stefan Ketterer um. Es gibt Elfmeter auf der anderen Seite, den Torjäger Sam Samma furztrocken zum 1:3 verwandelt. Geht doch noch was für den FC Neustadt?

„Ich habe noch nie erlebt, dass ein Verein gezwungen wird, einen Platz zu räumen.“ FCN-Trainer Klaus Gallmann

Die Gallmann-Brüder versuchen das Momentum zu nutzen, sie appellieren in der Pause an das Team, mit Wucht und Leidenschaft zu spielen und an die eigene Chance zu glauben. Die Neustädter Mannschaft wirkt durch das Elfmetertor wachgeküsst. Jetzt sind all die Tugenden da, die die Mannschaft in der Herbstrunde so stark gemacht haben: Aggressivität, hohe Laufbereitschaft, Erfolgshunger, Leidenschaft, Herz. Wann fällt das zweite Tor? In der 56. Minute ist es soweit: Gestocher im Bad Dürrheimer Strafraum, Samma versucht es zweimal, dann spitzelt Stefan Ketterer den Ball mit der Pike ins Tor. Jetzt ist Alarm auf dem Platz. Zwei Minuten später zieht Ketterer aus 25 Metern ab, der Ball klatscht an den Pfosten. Kurz darauf dringt Sascha Waldvogel in den Gästestrafraum ein und hebt den Ball mit viel Gefühl ins lange Eck: 3:3. Im Gegenzug hat der eingewechselte Mario Giesler die Chance, Bad Dürrheim erneut in Führung zu bringen, aber sein Flachschuss landet am Pfosten. Es ist in dieser Phase ein rassiges Spiel, die taktischen Fesseln sind längst abgelegt. Als Sam Samma kurz vor dem Ende einen Freistoß von Peter Schubnell ins Bad Dürrheimer Tor köpft (84.), ist ein Spiel, das frühzeitig entschieden schien, vollends gekippt. Drei Minuten später landet der Ball abermals nach einer Flanke von Stefan Ketterer im Gästetor, der Linienrichter hat jedoch die Fahne oben: Abseits.

Der Ausgang des Spiels spiegelt sich in Rolf Eckerts Gesicht wider. Er grinst verschmitzt wie ein Lausbub: „Wir haben fünfeinhalb Stunden Schnee geschippt, wenn man so will, ist es ein Sieg der Tüchtigen.“ Verständlicherweise hat Bad Dürrheims Coach Reiner Scheu eine andere Sicht der Dinge: „Wenn eine Mannschaft anfangs so dominiert und dann noch das Spiel verliert, muss man sich erst einmal an die eigene Nase fassen.“ Die Niederlage sei „unnötig und ärgerlich“.

FC Neustadt – FC Bad Dürrheim 4:3 (1:3).
FC Neustadt: Gantert, Gutscher (46. Maier), Papa, Bruhn, St. Ketterer, Heitzmann, Katava, R. Schubnell, P. Schubnell (83. Gibba), Samma, Waldvogel. Bad Dürrheim: Kapp, Schwer, Braun, Tadic, Y. Bartmann, S.Fantov (72. Akgün), Cil (58. Giesler), Woelke, Z. Fantov, Schaplewski, Compagnucci. Tore: 0:1 Braun (18./Foulelfmeter), 0:2 Compagnucci (28.). 0:3 Cil (38.), 1:3 Samma (44./Foulelfmeter), 2:3 St. Ketterer (56.), 3:3 Waldvogel (60.), 4:3 Samma (84.). SR: Fante (Neuenburg). ZS: 120. Rot: Braun (90./Bad Dürrheim).

Aufrufe: 019.2.2017, 19:45 Uhr
Jürgen Ruoff (BZ)Autor