2024-05-10T08:19:16.237Z

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Schlusspfiff? In den Fußball-Amateurllgen geht es ums Aufhören oder Weiterspielen.    | Foto: Patrick Seeger
Schlusspfiff? In den Fußball-Amateurllgen geht es ums Aufhören oder Weiterspielen. | Foto: Patrick Seeger

Ist die Saison im Schwarzwald noch zu retten?

Umfrage unter Trainern aus der Landes-, Bezirks- und Kreisliga

Ist die Fußball-Saison im Schwarzwald noch zu retten? Trainer rund um den Feldberg hadern mit Corona und schwanken zwischen "weiter geht’s" und "Schluss jetzt". Eine Umfrage.
König Fußball ist in diesen Tagen ein Herrscher, dem alle Macht abhandengekommen ist. Die vermeintlich schönste Nebensache der Welt ist angesichts der Corona-Pandemie nur noch eine Randnotiz. Der Ball ruht auf dem Erdball und im Schwarzwald. Rund um den Feldberg ist Kicken in Gemeinschaft von Amts wegen verboten. Ist die Fußballsaison in den Amateurligen noch zu retten? Die BZ hat sich bei Trainern in der Region umgehört.


Skeptisch: Zeljko Cosic glaubt nicht, dass die Saison noch zu retten ist.   | Foto: Wolfgang Scheu
Skeptisch: Zeljko Cosic glaubt nicht, dass die Saison noch zu retten ist. | Foto: Wolfgang Scheu


Zeljko Cosic, Trainer des Fußball-Landesligisten FC Neustadt, macht sich keine Illusionen. "Die Fußball-Saison ist nicht mehr zu retten", ist der seit Jahrzehnten im Hochschwarzwald verwurzelte Kroate überzeugt, der bei einem großen Löffinger Textilunternehmen tätig und von Dienstag an für drei Wochen auf Kurzarbeit gesetzt ist. Bei seinen Kickern gehe derzeit "balltechnisch gar nix", weiß Cosic, Teamtraining ist verboten, "aber die Jungs wissen, dass sie sich fit halten müssen und die tun das auch". Laufeinheiten, sonst Kickers Graus, erfreuen sich zurzeit ungeahnter Beliebtheit, manch Blauer entdeckt das Rad fahren, andere exzessives Krafttraining für sich. Das Gespür für den Ball ist damit nicht zu retten. So ist das Training ohne das Runde, das jetzt einfach nicht ins Eckige darf, auch ein bisschen ankämpfen gegen Phantomschmerzen und Verlustängste. "Ja, Fußballer leiden ohne den Ball", ahnt Cosic, "warum soll's den Jungs auch anders gehen als mir".

Die Corona-Krise gelte es dennoch anzunehmen und gemeinsam durchzustehen. Das sei zu schaffen, auch für Fußballer. "Corona ist besser als Krieg, wenn man weiß, was in Syrien und im Jemen passiert", so Cosic. Über die aktuelle Saison macht sich der FCN-Trainer nicht mehr allzu viele Gedanken, weil da nichts mehr zu retten sei. "Für den Amateurfußball ist diese Frühjahrsrunde erledigt", ist Cosic überzeugt: "Das wird nix mit der Hoffnung auf Tag X." Die Spielzeit, mit frühestem Beginn Anfang Mai, bis Ende Juni zu verlängern, um auf Biegen und Brechen in englischen Wochen in Serie die noch ausstehenden Partien durchzuziehen, mache keinen Sinn: "Wer will schon fünf Mal in Folge jeden Mittwoch und dazu am Samstag und Sonntag antreten", fragt Cosic, "das macht doch jeden nur kaputt". Um zu retten, was noch zu retten sei, plädiere er für eine Annullierung der Runde und dafür, die Liga in der kommenden Saison aufzustocken. "Eine bessere Idee hab' nicht, da müssen wir jetzt halt alle durch".


Augen auf und durch: Trainer Uli Bärmann vom FC Löffingen   | Foto: Wolfgang Scheu
Augen auf und durch: Trainer Uli Bärmann vom FC Löffingen | Foto: Wolfgang Scheu


Uli Bärmann, noch bis zum (irgendwann) anstehenden Saisonende Trainer des auf dem letzten Tabellenplatz notierten Landesligateams des FC Löffingen, lässt die Hoffnung nicht fahren. "Extrem nervig" sei diese ganze Corona-Geschichte und selbstverständlich sehne er den Tag X herbei, an dem endlich wieder in der Landesliga der Ball rollen soll: "Wir beim FC Löffingen hoffen und rechnen sehr damit, dass die Saison fortgesetzt wird." Von einer Annullierung hält Bärmann "rein gar nichts", nicht zuletzt deshalb, weil den Löffingern, als Träger der roten Laterne womöglich am grünen Tisch der Abstieg droht. "Ich vermisse den Fußball massiv", gesteht der hochaufgeschossene Übungsleiter, "und meinen Buben geht es genauso".



Aufgeben sei beim FC Löffingen keine Option. "Wir wollen wieder spielen und wir werden wieder spielen", ist Bärmann überzeugt, eine Ausdehnung der Landesligaspielzeit 2019/20 bis Ende Juni sei denk- und machbar "und wir sind bereit dafür". Der Wille, in dieser Runde mit Verve zur Ballarbeit auf den Platz zurückzukehren, sei bei seiner Mannschaft unverkennbar. "Die Jungs sind sehr aktiv und jeder Einzelne arbeitet sehr fleißig", lobt Bärmann seine Buben. Jeder sei jetzt sein eigener Coach. Per Smartphone-App vergleichen die Kicker ihr jeweiligen Aktivitäten unter- und miteinander und spornen sich damit gegenseitig an. "Das ist ein virtueller Wettstreit, der alle vorwärts bringt und den Zusammenhalt in dieser schwierigen Zeit fördert", hofft der FCL-Trainer. "Die Jungs haben sich beim Training in der Winterpause unglaublich viel Mühe gegeben, es wäre jammerschade, wenn die Saison jetzt einfach so zu Ende geht."


„Corona wirbelt alles durcheinander“, sagt Mario Heinrich.   | Foto: Wolfgang Scheu
„Corona wirbelt alles durcheinander“, sagt Mario Heinrich. | Foto: Wolfgang Scheu


Mario Heinrich, seit 1. Juli 2019 Trainer des A-Kreisligisten FC Lenzkirch, macht sich Sorgen um die Zukunft seines Sports. "Ich weiß schon gar nicht mehr, wie ein Fußball aussieht", erklärt der wortmächtige Übungsleiter, der als Bereichsleiter einer großen Furtwanger Messtechnikgeräte-Firma derzeit in einem gespreizten Arbeitsalltag gefordert ist. Er und seine Mitarbeiter arbeiten im rollierenden Dreischicht-System rund um die Uhr. So ist es möglich, auch bei intensivem Miteinander an den Maschinen den durch Corona dringend gebotenen Sicherheitsabstand von zwei Metern zum Nebenmann einzuhalten. "Corana wirbelt alles durcheinander, der Fußball ist nicht das Wichtigste", weiß der St. Märgener. Für jeden seiner Fußballer gebe es individuelle Trainingspläne, "aber ein bisschen rumjoggen ersetzt halt nicht die Arbeit am Ball". Der Tag X spiele natürlich eine Rolle in seinen Gedanken, "doch je weiter dieser Tag nach hinten rückt, desto schwieriger wird es".

Gehe es, wie erhofft, im Mai weiter mit dem Spielbetrieb, gelte es noch zwölf Partien zu absolvieren. Und das höchstwahrscheinlich im Drei-,Vier-Tage-Rhythmus. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand wirklich will", sagt Heinrich. Was jetzt helfe, sei Geduld und Vertrauen. "Ich bin überzeugt, dass die Fußballfunktionäre eine vernünftige, tragfähige Lösung finden werden."


Schwäbischer Italiener auf dem Höchst: Giovanni Castiglione   | Foto: Wolfgang Scheu
Schwäbischer Italiener auf dem Höchst: Giovanni Castiglione | Foto: Wolfgang Scheu


Giovanni Castiglione, Trainer des A-Kreisligisten SV Eisenbach, dessen in Zimmern ob Rottweil perfektionierter schwäbischer Zungenschlag auf dem Höchst bestens ankommt, hat italienische Wurzeln. Seine Familie stammt aus der Gegend um Como, verwurzelt sind die Castigliones in der Region Bergamo, einem der Epizentren der Corona-Pandemie. "Meinen Verwandten geht's gut", berichtet der SVE-Coach, "das sind junge Leute, die sind fit und lebensfroh". Ist die Saison noch zu retten? "Mit englischen Wochen ganz bestimmt", so der SVE-Trainer, "ich hoffe, dass wir in dieser Runde noch ein paar Spiele absolvieren können." Den Juni komplett durchzuspielen, sei für ihn "völlig okay, schließlich ist das die schönste Jahreszeit". Und die neue Spielzeit könne dann ruhig erst im September beginnen. "Das ist machbar, wenn die Funktionäre das wollen und es schaffen, die ganzen Turniere einfach mal wegzulassen."

Die Eisenbacher Spieler halten sich individuell fit. Es soll sogar SVE-Ballstreichler geben, die wie Toni Kroos mit dem Runden am Fuß durchs heimische Wohnzimmer dribbeln. "Zwei Wochen Vorwarnung sollten reichen", so Castiglione, "wenn die Jungs am Weißen Sonntag wissen, dass es ab 1. Mai wieder losgeht mit dem Fußball, sind die parat".


Handfester Coach: Thomas Wolf von der SG Unadingen-Dittishausen   | Foto: Wolfgang Scheu
Handfester Coach: Thomas Wolf von der SG Unadingen-Dittishausen | Foto: Wolfgang Scheu


Thomas Wolf, Trainer des Kreisliga-A-Aufsteigers SG Unadingen-Dittishausen, ist ein Mann, der das Leben handfest meistert. Als Chef einer Dachdecker- und Fassadenbaufirma beschäftigt er 25 kräftige Kerle. "Die sind alle gesund und richtig gut in Form", berichtet der bodenständige Hobbyfußballer: "Woascht, Handwerker sind abgehärtet", erklärt er dem BZ-Menschen, "die wirft so schnell nix um." An Ostern hat er aus gebührender Ferne zwei seiner Kicker beobachtet, die sich auf einer Unadinger Wiese longline den Ball zuspielten. Wolf sah es mit Wehmut, "denn es geht halt gar nix". Der Fußballplatz ist gesperrt, mehr als laufen, laufen und nochmals laufen, sei nicht drin. Ist die Saison noch zu retten? "Ich fürchte nein", sagt Wolf. Corona sei nun mal ein weltweiter Spielverderber. "Ich vermute, dass frühestens im Herbst wieder der Ball rollt."
Aufrufe: 014.4.2020, 15:00 Uhr
Johannes Bachmann (BZ)Autor