2024-04-25T14:35:39.956Z

Ligabericht
In Corona-fernen Zeiten gehörte der gemeinsame Vereinsausflug nach Mallorca zu den Fixterminen des FC Künzing.
In Corona-fernen Zeiten gehörte der gemeinsame Vereinsausflug nach Mallorca zu den Fixterminen des FC Künzing. – Foto: FC Künzing

Knapp 100 Fußballer, vier Mannschaften - und noch mehr Freunde

Der FC Künzing stellt insgesamt vier Mannschaften und hat somit ein absolutes Luxusproblem +++ Torjäger Seidl: "Ich hoffe immer, das einer der Torhüter ausfällt" +++ Vorstand Bauer: "Wir sind ein großer Haufen"

Manche Bezirksligisten haben damit zu kämpfen, eine konkurrenzfähige Reserve zu stellen. Wiederum andere haben bereits eine Spielgemeinschaft gegründet, um die 2. Mannschaft am Leben zu erhalten. Und der FC Künzing? Auf den Sportplätzen der Römer tummeln sich knapp 100 Hobbyfußballer aller Qualitätsstufen, vier Mannschaften nehmen am offiziellen Spielbetrieb teil. Ein absoluter Personal-Reichtum in Zeiten des demographischen Wandels, der die Vereinsführung um Vorsitzenden Reinhard Bauer immer wieder vor Erschwernisse stellt.

Diese Herausforderungen nimmt die Vorstandschaft um den 61-Jährigen aber gerne in Kauf, da es sich ausschließlich um Luxusprobleme handelt und diese sich deshalb zunächst als Schwierigkeiten eingestuft relativ schnell und einfach lösen lassen. "Uns stehen insgesamt drei Plätze zur Verfügung. Genauer gesagt eigentlich zwei - denn auf dem Hauptplatz wird nur gespielt. Um alle Herren- und Jugendmannschaften darauf unterzubringen, ist schon großes Organisationstalent gefragt", gewährt Reinhard Bauer einen Einblick in seinen Alltag, den andere Vereine mit Handkuss adaptieren würden.

Die Folgen der alternden Gesellschaft scheinen Künzing bisher (noch) nicht erreicht zu haben. Genauso hat die Jugend im Ort im Landkreis Deggendorf offenbar einzig und allein das runde Leder im Kopf - und beispielsweise nicht die Spielekonsole. Zahlen, die das eindrucksvoll bestätigen: Knapp über 3.000 Einwohner hat die Kommune, 650 Mitglieder der Fußballclub - und knapp 100 davon kämpfen aktiv um Tore und Punkte. Denn selbst die Erste, die in der Bezirksliga Ost zum Spitzenfeld gehört, greift nur wenig auf Auswärtige zurück - und wenn, kommen diese aus den unmittelbaren Nachbarortschaften wie im Falle von Patrick Pfisterer, der im wenige Minuten entfernten Pleinting wohnt.


Demographischer Wandel ist Realität - aber nicht in Künzing



Der FC Künzing hat aber nicht nur Quantität, sondern auch Qualität. Das beweisen Heringlehner & Co. seit Jahren auf Bezirksebene. Auch die beiden ältesten Jugend-Jahrgänge - die Römer haben übrigens jede Altersklasse mit einer Mannschaft besetzt, ohne SG - sind als Bezirksoberligisten überregional im Einsatz. Warum das so ist, warum die Gäuboden-Gemeinde das amateurfußballerische Schlaraffenland zu sein scheint, wissen die FC-Verantwortlichen nicht. "Es gibt dafür einfach keine Erklärung", stellt Vorstand Bauer fest. Es ist auch nicht die Aufgabe der Funktionäre, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Die Führungskräfte müssen vielmehr das Beste aus dieser Situation machen - und das tun sie.

Ein Beispiel dafür ist die Gründung einer 4. Mannschaft zu Beginn dieser Spielzeit im Sommer 2019. Vor eineinhalb Jahren sind wieder einmal viele Jugendspieler in den ohnehin bereits mit großen Kadern gesegneten Herrenbereich aufgerückt. "Uns war klar, dass viele unserer Fußballer nicht spielen hätten können, wenn wir nicht noch ein Team anmelden", erinnert sich Reinhard Bauer. "Gott sei Dank haben wir uns dann getraut, es tatsächlich auch zu tun." Etwaige Sorgen, die Lust an der Reserve der Reserve der Reserve würde nur ein temporärer Phänomen sein, haben sich umgehend im Luft aufgelöst. Es ist praktisch das Gegenteil eingetreten.



"Einige Ehemalige haben sich wieder dazu entschlossen, für uns aufzulaufen, weil sie in der Vierten ausschließlich Spaß am Spiel haben können. Studenten und Schichtarbeiter sind glücklich, spielen zu können, auch wenn sie mal nicht ins Training kommen können. Wir sind ein großer Haufen", berichtet der 1. Vorsitzende. Er und seine Vorstandskollegen schätzen nicht nur die Erfolge in der Bezirksliga wert - sondern auch und vor allem die Basis im eigenen Verein. So ist bei so gut wie jedem Spiel im Herren- oder Jugendbereich ein Funktionär vor Ort. Nicht weil er muss, sondern weil er darf. Und auch die Spieler untereinander verstehen sich bestens, feuern sich gegenseitig an, feiern miteinander.

Matthias Stadler ist einer derjenigen, die extra die Fußballschuhe wieder aus dem Keller geholt haben, um in der Vierten gegen die Pille zu treten. Früher, zu Kreisklassen-Zeiten, spielte der 33-Jährige in der Ersten. Sein Beruf als Fliesenleger war jedoch nicht immer mit den Trainingszeiten vereinbar, weshalb er schweren Herzens seine Karriere beenden musste. Als er von den Bemühungen hörte, ein Team in der Reserverunde der A-Klasse aufzubauen, war er sofort Feuer und Flamme. "Es macht einfach riesengroßen Spaß", berichtet Stadler, in dessen Kalender die Spieltage plötzlich wieder dick markiert sind. "Würden wir nun auch noch trainieren, wer weiß, was dann drin wäre", sagt er und lacht.

Egal, ob Vierte, Dritte, Zweite oder Erste: Beim FC Künzing haben alle Teams dieselben Trikots, individuell bedruckt mit Namen und Nummer.
Egal, ob Vierte, Dritte, Zweite oder Erste: Beim FC Künzing haben alle Teams dieselben Trikots, individuell bedruckt mit Namen und Nummer. – Foto: Karl-Heinz Hönl


Der Spaß am Spiel ist das eine, das Zwischenmenschlich das andere. Denn die Vierte ist nicht vielleicht das fünfte Rad am Wagen, das kleine lästige Geschwisterchen des erfolgreichen großen Bruders. "Der Schlechteste unserer Mannschaft ist der beste Freund des Besten der Ersten", fasst Matthias Stadler das Miteinander in seiner ganz eigenen, humorig-sympathischen Art zusammen. Sein fiktives Beispiel hat, wenn man so will, gewissermaßen auch einen Namen - Christian Seidl.

Der 25-Jährige ist nicht nur Torjäger vom Dienst und ehemaliger Regionalliga-Spieler, sondern auch Co-Trainer der 4. Mannschaft - und dort darüber hinaus Ersatz-Ersatz-Keeper. "Wir haben für die vier Teams vier Tormänner. Insgeheim hoffe ich immer, dass einer ausfällt, denn dann darf ich ins Tor", erzählt das Aushängeschild der Römer von seiner eigentlichen Passion. Generell würde man sich gegenseitig gerne aushelfen, solange es die 14-Tage-Regel und die private Situation zulässt, erzählt er. Diese unbedingte Kameradschaft war übrigens auch der Grund, warum Seidl sein Vierliga-Engagement beim SV Schalding-Heining vor zwei Jahren beendete - trotz Stammplatz und zweistelliger Torausbeute.

Wenn alle Stricke reißen, läuft Vorstand Reinhard Bauer selbst auf



"Alle halten hier zusammen, gehen gemeinsam weg, feiern miteinander, helfen sich gegenseitig - das ist einfach überragend", gerät Christian Seidl regelrecht ins Schwärmen, wenn es um seinen FC Künzing geht. Während viele andere Amateurfußballer von Vereinen mit einer ähnlichen Struktur ab und an zu viel auf die Stanz gehen und zu beste Freunde sind, schaffen es die Römer, sich zusammen zu reißen und Leistung zu bringen, wenn es darauf ankommt - in der Bezirksliga Ost, wo Winnerl & Co. seit Jahren zu den Topteams zählen, nachdem sie von der Kreisklasse dorthin durchmarschiert sind.

Einer, der vor allem wegen des Leistungsgedankens den Weg nach Künzing gesucht hat, ist Trainer Thomas Prebeck, der sich inzwischen, wie er zugibt, auch von der FC-Atmosphäre hat anstecken lassen. "Das ist natürlich ein Traum für einen Trainer, wenn er auf so viele Spieler zurückgreifen kann", berichtet der erfahrene Übungsleiter. "Es ist mir aber schon ein Anliegen, einen Stammkader zu haben und diesen etwas zu separieren, um für die Bezirksliga gerüstet zu sein." Zu Beginn seiner Amtszeit sah es der 44-Jährige noch mit Bauchschmerzen, wenn seine Schützlinge in den Reserveteams aufliefen, wie Stürmer Seidl mit einem Schmunzeln berichtet. Zu groß sei die Verletzungsgefahr, so die Angst Prebecks, die sich inzwischen verflüchtigt hat.

Matthias Stadler gehörte zu Kreisklassen-Zeiten zum Kader der Ersten, nun ist der Leitwolf der Vierten.
Matthias Stadler gehörte zu Kreisklassen-Zeiten zum Kader der Ersten, nun ist der Leitwolf der Vierten. – Foto: Karl-Heinz Hönl


Denn eins steht fest: Größer als die Sorge hinsichtlich kleinerer und größerer Wehwehchen ist beim FC Künzing die Freude, gemeinsam Fußballspielen zu können. Und sollte dann doch mal irgendwann alle personellen Stricke reißen, holt selbst Vorstand Reinhard Bauer seine Fußballschuhe aus dem Ruhezustand. So geschehen vor knapp einem Jahr, als der 61-Jährige eine Halbzeit in der 4. Mannschaft aushalf. Auch beim alljährlichen Mallorca-Ausflug des Vereins in Vor-Corona-Zeiten war der FC-Chef bereits dabei - Teambuilding in seiner ursprünglichsten und reinsten Form. Schmunzelt betont Bauer: "Es ist mir immer wieder eine Ehre."

Aufrufe: 08.11.2020, 06:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor