2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Auch am Start: Der Aufsitzmäher bereitet den Boden für den FC Gießen.	Foto: Suer
Auch am Start: Der Aufsitzmäher bereitet den Boden für den FC Gießen. Foto: Suer

Zufrieden, dass der Ball überhaupt rollt

RL SÜDWEST: ++++ Beobachtungen beim Training des FC Gießen / Spieler mit Eifer dabei: „Rest nicht zu beeinflussen“ +++

GIESSEN. Einsam und verlassen steht er da an diesem Freitagnachmittag, der Rasenmäher. Nach getaner Arbeit wohlgemerkt. Hat Betreuer Sascha Becker dem Trainingsplatz an der Neumühle in Watzenborn-Steinberg doch gerade noch einen frischen Schnitt verpasst. Und mit der Ruhe ist es dann auch bald zu Ende. Marco Boras und Marcel Mansfeld betreten als Erste das Grün, spätestens um halb Vier sind alle fitten Spieler des FC Gießen da. 15.30 Uhr: Bundesliga-Anstoßzeit. Die darf während des „Lockdowns Light“ im November unbeirrt weiter auf Punktejagd gehen.

Für die Viertliga-Kicker gilt das nicht, aber zumindest können sie seit Montag wieder trainieren. Verrückte Wochen liegen hinter Trainer Daniyel Cimen und seiner Mannschaft. Im September ging es nach einem positiven Corona-Fall in Quarantäne, es folgte mit sieben Partien in 20 Tagen eine extrem hohe Belastung, ehe sich eine weitere Quarantäne aufgrund eines zweiten infizierten Spielers und die komplette Liga-Unterbrechung für (mindestens) diesen Monat anschlossen. „Die Quarantäne war der reine Horror für mich. Fußballer sind gerne draußen und es gewöhnt, jeden Tag auf dem Platz zu sein. Danach dieses Horror-Programm und wieder isoliert, das ist kein gesunder Rhythmus“, sagt Außenverteidiger Andrej Markovic.

Ob die aktuellen Trainingseinheiten dazu dienen, sich für den erneuten Einstieg in die Meisterschaft am 5. Dezember gegen den VfB Stuttgart II dienen, bleibt abzuwarten. Das hängt davon ab, welcher Entschluss (vermutlich) am kommenden Dienstag gefällt wird: Wenn die rheinland-pfälzischen Klubs nicht ins Training einsteigen (dürfen), verzögert sich der Re-Start. Darüber hinaus wehrt sich dem Vernehmen nach Bayern Alzenau als Mitglied des Hessischen Fußballverbandes, seine Heimspiele auf hessischem Boden auszutragen. In Bayern zählt die Regionalliga im Gegensatz zum Nachbarn zum Amateursport, Trainings- und Spielbetrieb sind daher verboten.

Alzenau wehrt sich

Die Liga braucht aber eine Lösung für alle 22 Vereine. „Stand jetzt ist das Spiel gegen Stuttgart angesetzt. Darauf bereiten wir uns vor, dass wir da spielen und versuchen, das Niveau im Training hochzuhalten. Die Ungewissheit ist natürlich doof, die hat aber jeder in der Gesellschaft“, hält Gießens Keeper Frederic Löhe sich an die Fakten, wie sie momentan gegeben sind. In diese Kerbe schlägt auch Innenverteidiger Hendrik Starostzik, der seine langwierige Sehnenreizung im Fuß endlich überstanden hat und wieder voll mitmischt. „Alles andere sind aktuell nur Gerüchte. Sich darum zu kümmern, wäre verschwendete Energie und macht keinen Sinn. Die Verantwortlichen sollen entscheiden und wir setzen es um. Uns hat während der vielen englischen Wochen auch niemand gefragt, wie es uns geht, ob fünf, sechs Spieler ausfallen. Ich sehe keinen Grund, etwas zu kommentieren, was wir nicht beeinflussen können“, so der 29-Jährige pragmatisch auf die Frage, ob für ihn vorstellbar ist, dass ab Mitte Dezember noch drei Spieltage bis zur Winterpause ausgetragen werden könnten. Rang 21 zu verlassen und sich nach oben zu arbeiten, das ist, wenn möglich noch vor Weihnachten, das Ziel. Andrej Markovic: „Auf jeden Fall. Da sind wir einer Meinung, dass wir etwas gut zu machen haben. Wir wollen zeigen, dass wir dort nicht hingehören.“ Starostzik bekundet zudem zufrieden zu sein, dass der Ball überhaupt rollt: „Wir sind froh darum. Bevor wir zu Hause alleine rumhängen, sind wir selbstverständlich lieber hier.“

Für Gabriel Weiß, vor der Saison vom FC Ingolstadt II gekommener Rechtsverteidiger, haben die Diskussionen, die sich zwischen möglichst baldiger Fortsetzung und Aussetzung bis 2021 bewegen, keine große Bedeutung: „Ich unterhalte mich nicht großartig darüber. Mir ist egal, was von außen gesagt wird. Ich bin zu 100 Prozent professioneller Fußballer, und ich will einfach spielen.“ Erst einmal aber wird nur trainiert: Das Aufwärmprogramm leitet Co-Trainer Marco Vollhardt, mit dabei sind auch die länger ausgefallenen Eckpfeiler Milad Salem, Dren Hodja und eben Hendrik Starostzik, während bei Kapitän Jure Colak (Muskelfaserriss) die Rückkehr auf sich warten lässt. Ebenso fehlen mit Blessuren Niclas Mohr, Jann Bangert (beide Muskelfaserriss), Ryunosuke Takehara (Hexenschuss), Tim Korzuschek (Muskelriss im Becken) und Nikola Trkulja (Zeh). Nach zwei „Eckchen“ mit dem beliebten Kreisspiel Fünf-gegen-Zwei treten zwei Teams im Wettkampfmodus zum Torschusstraining an, eine Turnierform mit drei Mannschaften rundet die Einheit ab, während Assistent Vollhardt über seine Idee für den weiteren Verlauf der Spielzeit spricht. „Die Hinrunde zu Ende spielen, 21 Matches wären das für jeden Club. Tabelle bei Rang elf teilen, die Punkte mitnehmen. Die obere Hälfte spielt den Meister und Aufsteiger aus, die untere die Absteiger.“ Da könne sich niemand beschweren, wenn er sein Ziel nicht erreicht, nach dann 31 absolvierten Begegnungen. Klingt definitiv praktikabler, als auf Gedeih und Verderb am üblichen Modus festzuhalten, was wohl eine Verlängerung bis in den Juli 2021 bedeuten würde. „Der 12. Juni wäre nicht machbar“, meint Frederic Löhe dazu. Um 16.30 Uhr steht der Rasenmäher immer noch da. Irgendwie beruhigend, wenn man darüber nachdenkt: So lange der Rasen gemäht wird und nicht zur wildwuchernden Wiese mutiert, ist auch der Fußball nicht am Ende. Und wie es weitergeht, wird sich weisen.

Aufrufe: 013.11.2020, 21:15 Uhr
Thomas Suer (Gießener Anzeiger)Autor