2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Tristesse in Bötzingen:  In der Verbandsliga ist  der Klub sportlich und finanziell  gescheitert. | Foto: Sebastian Ehret
Tristesse in Bötzingen: In der Verbandsliga ist der Klub sportlich und finanziell gescheitert. | Foto: Sebastian Ehret

Wenn Vereine keine Mannschaften haben

Das Beispiel des FC Bötzingen zeigt, dass Amateurfußballklubs vor großen Herausforderungen stehen und sowohl sportlich als auch finanziell scheitern können

Verlinkte Inhalte

Das Beispiel des FC Bötzingen zeigt, dass Amateurfußballklubs vor großen Herausforderungen stehen und sowohl sportlich als auch finanziell scheitern können.
14 Wochen ist es erst her: Am 20. Dezember 2016 verkündete der FC Bötzingen auf einer eigens einberufenen Mitgliederversammlung: „Es geht nicht mehr, wir ziehen uns aus der Verbandsliga zurück.“ Die Verantwortlichen zogen damit die Konsequenz aus der finanziellen und personellen Lage. Von 19 Spielern zu Saisonbeginn waren nur noch zwölf übrig geblieben. Auch die finanziellen Reserven, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten, waren aufgebraucht, obwohl der fünfstellige Etat weit unter dem Durchschnitt der südbadischen Verbandsligisten lag.

Viele selbsternannte Fußballexperten hatten schon seit geraumer Zeit hinter vorgehaltener Hand geunkt: „Die halten die Saison nicht durch.“ Die Bestätigung wurde diesen Fachleuten nun geliefert. Der kaum mehr erwartete Klassenerhalt am letzten Spieltag der vorangegangen Spielzeit sollte sich nun als Stolperstein für den Klub vom Kaiserstuhl entpuppen.

„Leider sind diejenigen Spieler, die uns den Klassenerhalt ermöglicht haben, danach alle zu anderen Vereinen gewechselt“, stellt der seit Oktober 2016 erst interimsmäßig amtierende und mittlerweile gewählte Vorsitzende Udo Riva fest.

Doch was sollte der Verein dagegen machen? Sportlich blieb der Klub in Deutschlands sechster Liga, obwohl die Voraussetzungen dafür strukturell nicht mehr gegeben waren. Die damaligen Verantwortlichen wagten das Experiment und verließen letztlich mitten während der Vorrunde das sinkende Schiff. In der Saison 2013/14 standen die Bötzinger noch im Finale des Südbadischen Verbandspokals, kämpften um den Einzug in den DFB-Pokal. Bei ihrem Rückzug kurz vor Weihnachten war der Kaiserstühler Klub mit neun Jahren Zugehörigkeit dienstältester Verbandsligist.

Bereits vier Jahre zuvor erwischte es den FV Donaueschingen. Ohne ein Pflichtspiel zu absolvieren, zog sich der Traditionsverein wenige Tage vor Saisonbeginn aus dem Verbandsligaspielbetrieb zurück. In der Saison 1996/97 spielten die Donaueschinger noch als Titelträger des SBFV-Pokals gegen den 1. FC Köln in der ersten Runde des DFB-Pokals. Beim Rückzug aus der Verbandsliga (2012/13) hatte sich kurz vor Saisonbeginn das Team in Luft aufgelöst, lediglich fünf Kicker waren noch bereit, anzutreten. Im März 2016 musste sich der FVD gar aus der Bezirksliga Schwarzwald zurückziehen. Aktivmannschaften besitzt der Klub heuer gar keine mehr, „eine traurige Entwicklung“, erklärt Siegbert Lipps, der Geschäftsführer des Südbadischen Fußball-Verbandes (SBFV). Überhaupt fällt es einem Gros der Vereine schwer, die jungen Kicker über die D-Jugend (jünger als zwölf Jahre) hinaus an diese Sportart zu binden.

Ist dies eine Entwicklung, die in Zukunft häufiger zu beobachten sein wird? Sind die Amateurvereine den Herausforderungen nicht mehr gewachsen? Unisono antworten SBFV-Präsident Thomas Schmidt und Geschäftsführer Lipps: „Nein, das ist nicht der Fall.“ Es sind in ihren Augen Einzelfälle, „sonst wären wir als Verband in dieser Richtung schon längst tätig geworden“, fügt Schmidt an.

Fakt ist: Nicht wenige Vereine verschwanden nach sportlichen Höhepunkten in der Versenkung. Bekannte Beispiele sind der VfB Gaggenau, der aufgrund von Zahlungsunfähigkeit im Jahr 2001 aufgelöst und neu gegründet werden musste (aktuell in der Kreisliga A).

Die Gefahr, von einem einzigen Sponsor abhängig zu sein

Der Freiburger FC, im Jahr 1906 deutscher Meister, stand nach finanziellen Problemen 2008 kurz vor der Insolvenz. Mittlerweile hat der Verein die Kurve bekommen, spielte zwei Jahre in der Oberliga und ist derzeit in der Spitzengruppe der Verbandsliga involviert. Der FC Steinen-Höllstein, einst stolzer Oberligist vom Hochrhein, belegt derzeit den drittletzten Platz der Kreisliga A, Staffel West.

„Oft sind die Probleme hausgemacht“, erklärt Schmidt, „die Klubs machen sich von einzelnen Sponsoren abhängig, es wird viel Geld an einzelne Spieler gezahlt, und es fehlt am Konzept.“ Genau diese Abhängigkeit von einzelnen Sponsoren oder Mäzenen, die privates Geld zusteuern, sieht er im Amateurfußball problematisch. „Wenn der Eine aussteigt, geht es ganz schnell bergab.“

Außerdem leiden immer mehr Vereine unter Mitgliederschwund, ehrenamtliche Helfer melden sich immer weniger, kaum einer will noch Verantwortung übernehmen. Doch wo sieht der Präsident die Lösung? „Es muss ein Umdenken in den Konzepten stattfinden“, sagt Schmidt. Ihm wäre es lieber, die Vereine würden in die Jugend investieren, würden auch bedenken, dass nur ausgegeben werden kann, was eingenommen wird.

„Ein Verein mit einem guten Konzept und einer guten Jugend funktioniert auch“, erklärt Schmidt. Die zweiten Mannschaften, die den Zwischenbau zwischen A-Junioren und den höherklassigen Teams darstellen, sollten gestärkt werden. Weg vom sogenannten Söldnertum. „Natürlich verstehe ich, dass bei einem gewissen Aufwand auch eine Entschädigung gezahlt wird, aber wenn ein Spieler dafür bekannt ist, dass er jedes halbe Jahr oder jedes Jahr wegen 50 Euro mehr den Verein wechselt, dann sollte man als Klub hinterfragen, ob ich den nehmen will“, kritisiert der SBFV-Chef. Es sind nur Hilfestellungen, die der Verband geben kann, befehlen kann er nichts. „Wir stehen im Dialog mit den Vereinen, versuchen ihnen durch unsere Ideen zu helfen.“ Denn Schmidt ist sich der Tatsache bewusst: „Fußball ist für viele nicht mehr Freizeitbeschäftigung Nummer eins. Durch den gesellschaftlichen Wandel gibt es heute viele andere Freizeitbeschäftigungen, die reizvoller sind.“

Dabei haben Schmidt und Lipps auch viele lobende Beispiele parat. „Schauen Sie sich mal den SV Au-Wittnau oder den FC Auggen an“, erklärt der Präsident. Finanziell können beide Vereine keine großen Sprünge machen, Spieler mit Geld zu locken, ist ihnen nicht möglich, doch sie arbeiten mit einer klaren Vision, machen aus der Not eine Tugend: „Aus der Jugend kommt die Kraft.“

Dabei kämpfen auch diese Vereine um Ehrenamtliche, haben aber genaue Vorstellungen. „Verbandsliga ist das höchste der Gefühle“, sagt FCA-Vorsitzender Michael Muser. Doch er weiß auch zu berichten, dass er immer wieder gefragt wird: „Warum tust Du Dir das an?“ Ein Problem, das viele Ehrenamtliche haben. „Ohne Unterstützung meiner Familie würde es nicht gehen, aber es ist mein Hobby“, sagt Muser, doch er weiß: Die Zeiten, in denen es nur Musik-, Fußballverein oder Feuerwehr in einem Ort gab, sind vorbei. Die Konkurrenz ist groß.

Ein Beispiel fügt Lipps noch an: „Schauen Sie in die Ortenau, schauen Sie nach Lahr!“ Dort gab es im Lahrer FV und in der SpVgg. Lahr zwei gestandene Landesligisten. Und doch sahen beide Vereine im Frühjahr 2015 die einzig zukunftsfähige Möglichkeit in einer Neugründung aus den beiden bestehenden Klubs: Es entstand der SC Lahr. Weil beide Klubs Probleme hatten, die Vorstandsposten zu besetzen und sich gegenseitig die Sponsoren abgruben. Es heißt, sich aufzustellen für die Zukunft, um nicht unterzugehen. Allerdings gesteht Lipps auch: „Ich hoffe, dass dies nicht immer die Lösung sein muss.“ Für die Fußballvereine heißt es kämpfen. Es geht um ihre Existenz.
Aufrufe: 029.3.2017, 22:02 Uhr
Benedikt Hecht (BZ)Autor