2024-05-10T08:19:16.237Z

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Karl-Heinz Rummenigge äußert sich ausführlich zu den geplanten Geisterspielen und dem potenziellen Ende des exzessiven Profitums. dpa / Roland Weihrauch
Karl-Heinz Rummenigge äußert sich ausführlich zu den geplanten Geisterspielen und dem potenziellen Ende des exzessiven Profitums. dpa / Roland Weihrauch

Ausufernde Fußballer-Gehälter begrenzen? FCB-Boss Rummenigge erwägt revolutionären Eingriff

FCB-Vorstandschef im großen tz-Interview

Karl-Heinz Rummenigge, Boss des FC Bayern München, spricht im tz-Interview über die Wiederaufnahme der Bundesliga und die Corona-Krise als Chance für einen Umbruch.
  • FC Bayern München : Karl-Heinz Rummenigge spricht im tz-Interview über die Bundesliga in der Corona-Krise - und die Folgen für den Profifußball.
  • Der Vorstandsboss der Rekordmeisters fordert eine Neuausrichtung des Transfersmarkts nach der Coronavirus-Pandemie und schließt eine Deckelung der Spielergehälter zumindest nicht aus.
  • Rummenigge warnt: „Borussia Dortmund und Bayern München würden wahrscheinlich überleben, aber viele ...“

    München – Die Fußball-Bundesliga hat ihre Hausaufgaben gemacht, der Blick geht am Donnerstag nach Berlin. Wenn Kanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten über die nächsten Schritte in der Corona-Krise spricht, steht auch das Thema „Wiederaufnahme des Spielbetriebs*“ auf der Agenda. Karl-Heinz Rummenigge sieht Geisterspiele als „alternativlos“ an, wie der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München im Interview verrät.

Herr Rummenigge, hoffen Sie auf den 9. Mai?

Karl-Heinz Rummenigge: Das ist ja kein „Wünsch Dir was“. Ob eine Entscheidung fällt, weiß ich nicht. Wir wollen da keinen Druck machen, sondern uns in Geduld üben.

Bundesliga trotz Corona? Rummenigge macht Hoffnung - und zitiert Söder

Die Signale sind positiv.

Rummenigge: Die Signale aus dem Arbeitsministerium haben uns natürlich gefreut. Man muss aber auch sagen, dass das Konzept der DFL alle rechtlichen medizinischen Forderungen der Politik erfüllt. Da kann man der Geschäftsführung der DFL und der Medizin Task Force nur ein großes Kompliment machen! Wir wollen keine Sonderrolle, aber der Profi-Fußball ist ein Beruf – und wir möchten gewährleisten, dass dieser Beruf unter Einhaltung bestimmter Vorschriften wieder ausgeführt werden kann.

Wäre es ein Start auf Bewährung?

Rummenigge: Natürlich muss der Fußball von Spiel zu Spiel den Beweis erbringen, dass wir mit den Vorgaben vorbildlich und diszipliniert vorgehen. Diese Anforderung hat die Politik zurecht an den Fußball gestellt. Wir wollen und werden unserer Verantwortung gerecht werden.

Ist Ihnen der Fußball im Moment zu politisch?

Rummenigge: Wir haben die wahrscheinlich größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, und es ist klar, dass in dem emotionalen Thema Fußball teils konträre und polarisierende Meinungen kundgetan werden. Aber der Fußball kann eine wichtige Signalwirkung haben. Für alle in unserem Land. Ich darf hier den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder zitieren: Ein Wochenende mit Fußball ist besser als ein Wochenende ohne. Der Fußball kann wieder für ein Stück Normalität sorgen, das die Menschen so dringend benötigen.

FC Bayern: Für Rummenigge sind Geisterspiele in der Bundesliga alternativlos

Was kontern Sie Kritikern, die von einer „Sonderrolle“ des Fußballs sprechen?

Rummenigge: Uns war von Anfang an klar, als wir uns entschlossen haben, das Konzept auszuarbeiten mit Politkern und Medizinern, dass es dafür nicht nur Beifall gibt. Die eine oder andere Kritik muss der Fußball aushalten. Wir müssen unsere Kritiker überzeugen, dass der Fußball das Thema Coronavirus seriös angeht.

Auch zahlreiche Fangruppierungen haben Ihren Unmut über Geisterspiele kundgetan. Wie ist der Austausch des FC Bayern mit den Anhängern?

Rummenigge: Wir hatten am Dienstag eine virtuelle Videokonferenz mit dem Arbeitskreis Fandialog, der sich aus allen geografischen Regionen zusammensetzt. Und als Stimmungsbild kann ich übermitteln, dass die überwiegende Mehrheit dieses Arbeitskreises kundgetan hat, dass Spiele ohne Zuschauer* nicht optimal sind, aber alternativlos. Es geht darum, zu gewährleisten, dass der Ball wieder rollt, damit die Bundesliga als Ganzes überlebt. Das ist in unser aller Interesse.

Was würde bei einem Saisonabbruch passieren?

Rummenigge: Dann haben wir gleich zwei Probleme. Zum einen die sportliche Bewertung, die nicht stattgefunden hat. Sie sehen ja, was für Diskussionen gerade in Holland geführt werden, wo die Liga abgebrochen wurde. Da gibt es schon Klagen gegen den Verband. Das Wichtigste ist doch, dass es eine Entscheidung auf dem Platz gibt – und nicht am Grünen Tisch. Die Fans sehen das wie ich: Der FC Bayern will nicht Meister am Grünen Tisch werden.

Rummenigge: „Borussia Dortmund und Bayern München würden überleben“

Das Wort „Corona-Meister“ wird sich nicht vermeiden lassen.

Rummenigge: Wir möchten trotzdem nicht, dass unserem Kapitän die Schale übergeben wird, weil wir nach dem 25. Spieltag an der Tabellenspitze stehen. Wir wollen die Meisterschale überreicht bekommen, wenn wir nach dem 34. Spieltag oben stehen sollten, denn dann hätten wir sie verdient.

Der FC Bayern würde aber auch bei einem Saisonabbruch überleben.

Rummenigge: Borussia Dortmund und Bayern München würden wahrscheinlich überleben, aber viele andere Clubs nicht. Was mir in dieser Krise deshalb besonders gefällt, dass Clubs wie Leipzig, Dortmund, Leverkusen und auch Bayern sich besonders dafür einsetzen, dass der Spielbetrieb wieder aufgenommen wird, um einfach die kleinen und mittleren Clubs zu unterstützen*. Wir möchten, dass die Bundesliga – das Brot- und Buttergeschäft – in ihrer jetzigen Form erhalten bleibt.

FC Bayern: Rummenigge macht sich Sorgen wegen Coutinho, Perisic und Odriozola

Einige Ultra-Gruppierungen sind trotzdem gegen Geisterspiele.

Rummenigge: Spiele ohne Zuschauer sind natürlich nicht optimal, aber leider alternativlos. Mit dieser Haltung erreicht man, dass einige Traditionsclubs nicht überleben würden. Und das ist das Gegenteil dessen, wofür sich verschiedene Fangruppierungen einsetzen: für die Tradition im Fußball.

Halten Sie es wie Hans-Joachim Watzke, der gesagt hat: Jede Woche später ist ein Risiko?

Rummenigge: Das Ziel der DFL ist es, die Saison bis Ende Juni zu beenden. Das hat auch vertragstechnische Gründe. Auch wir haben drei Spieler, deren Leihverträge am 30. Juni auslaufen (Philippe Coutinho, Ivan Perisic, Alvaro Odriozola / d. Red.), und es ist arbeitsrechtlich bisher ungeklärt, wie in diesen Fällen vorgegangen wird. Dürften wir diese Spieler im Juli für Liga oder Champions League einsetzen?

Eine Entscheidung über die Champions League steht noch aus.

Rummenigge: Weil die Voraussetzung für die Champions League ja ist, dass die nationalen Ligen erst zu Ende gespielt werden. Man weiß heute noch nicht, wann das der Fall sein wird.

Geisterspiele in der Allianz Arena: Rummenigge appelliert an Bayern-Ultras

In Deutschland sehen die Fans vor allem die für den Fußball benötigten Testkapazitäten kritisch.

Rummenigge: Die DFL hat seriös belegt, dass es keine Corona-Test-Unterkapazitäten gibt. Im Gegenteil. Wir werden nicht zulasten der Bevölkerung testen. Unsere Aussage steht! Wir testen, um zu gewährleisten, dass die Spieler infektionsfrei sind. Im Übrigen finanziert die Liga das alles selbst, darüber hinaus stellt sie Testkapazitäten für Dritte zur Verfügung.

Ein weiterer Kritikpunkt: Fan-Ansammlungen. Die Fans sehen sich unter Generalverdacht.

Rummenigge: Das wollen wir nicht! Wir möchten sie nicht kriminalisieren, nur dazu aufrufen – wenn wir die Spielgenehmigung kriegen –, zu Hause zu bleiben. Ich bin zu 100 Prozent davon überzeugt, dass kein einziger Fan zur Allianz Arena kommen wird, wenn wir dort wieder spielen. Die werden vor den TV-Geräten mitfiebern und hoffen, dass ihr FC Bayern gewinnt.

Fußball bleibt in aller Munde.

Rummenigge: Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Nur durch die ruhige Hand der Politik und durch die bisherigen Entscheidungen, ist diese Wiederaufnahme – wenn sie denn kommt – überhaupt möglich. Wenn wir den Ligabetrieb wieder aufnehmen, wäre das auch ein Zeichen Deutschlands an die Welt, dass unsere Politik sehr gut arbeitet. Ich habe in den letzten Tagen wahnsinnig viele Anrufe aus Italien, England und Spanien* erhalten, die sich erkundigen, wie es möglich ist, dass wir überhaupt trainieren dürfen.

Aki Watzke sprach von einem „Qualitätszeugnis der deutschen Politik“.

Rummenigge: Und ich sage: Es wäre eine Wiederbelebung des „made in Germany“.

FC Bayern: Rummenigge schließt Obergrenze für Spielergehälter nicht aus

Trotzdem stellt sich die Frage, wieso eine Branche mit so viel Geld in so kurzer Zeit zittern muss?

Rummenigge: Wenn diese Krise vorbei ist, sind wir verpflichtet, uns damit seriös auseinanderzusetzen, dass man gewisse Dinge mit Augenmaß wieder zurückdreht. Aber auch dazu werden wir – das sage ich zielbewusst – nicht nur die deutsche, sondern die europäische Politik brauchen. Ich war in den Jahren 2008 und 2009 sieben, acht Mal mit den Herren Platini und Infantino in Brüssel, um einen europäischen Salary Cap mit der EU-Kommission zu diskutieren. Bei jedem Versuch ist uns mitgeteilt worden, dass das mit europäischem Wettbewerbsrecht nicht in Einklang zu bringen ist. Leider.

Immerhin haben Sie Financial Fairplay durchgesetzt.

Rummenigge: Das ist aber ein Schwert, das nicht annähernd so scharf ist wie ein Salary Cap. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will keine amerikanischen Verhältnisse, die finde ich auch nicht gut. Unsere Sportkultur braucht Absteiger und Aufsteiger, einen echten Wettbewerb. Trotzdem müssen wir uns nach dieser Krise mit dem Thema auseinandersetzen, was wir tun können, um den Fußball rationaler und stabiler zu machen.

Rummenigge: Corona-Krise als Chance für den Transfermarkt

Meinen Sie konkret den Transfermarkt?

Rummenigge: Kein Club hat Interesse daran, dass jedes Jahr die Ablösesummen und Gehälter* nach oben gehen. Wir wollen mit Augenmaß fahren. Jede Krise birgt auch die Chance.

Sie fordern also „Zurück zu den Wurzeln“?

Rummenigge: Bis dato war es ein Rattenrennen, das um die besten Spieler der Welt stattfindet. Wir müssen gewisse Exzesse versuchen, zu normalisieren. Fußballspieler waren immer im Vergleich zu normalen Arbeitnehmern hoch bezahlt, aber was insbesondere in den letzten zehn Jahren stattgefunden hat, hat zu ungesunden Entwicklungen geführt. In anderen Ländern war das ja noch dramatischer als hier.

Interview: Hanna Raif

*tz.de ist ein Angebot des bundesweiten Ippen Digital Redaktionsnetzwerks




Aufrufe: 030.4.2020, 05:34 Uhr
Münchner Merkur / tz / Hanna RaifAutor