2024-04-25T14:35:39.956Z

FuPa Portrait
Ein Tor, ein Ball, eine Leidenschaft. Bei Brigitte, Fabian und Andreas Wessig dreht sich alles um Fußball. Der Sport taktet den Familienalltag.  Foto: Ulrich Wagner
Ein Tor, ein Ball, eine Leidenschaft. Bei Brigitte, Fabian und Andreas Wessig dreht sich alles um Fußball. Der Sport taktet den Familienalltag. Foto: Ulrich Wagner

Familie Wessig lebt für den Fußball

Im Alltag nimmt Fabians Hobby viel Raum ein +++ Der 14-Jährige spielt im Nachwuchs des FC Augsburg und träumt von einer Profikarriere +++ Die Eltern opfern Freizeit und fördern ihren Sohn – obwohl der Traum schnell platzen kann

Fabian Wessig hat einen Traum. Einen, den viele Jugendliche in seinem Alter hegen. Er will Fußball-Profi werden, will vor zehntausenden Menschen zeigen, dass er besser mit dem Ball am Fuß umgehen kann als andere. Wahrscheinlich locken ihn auch die Millionen Euro, die sich mit dem Kicken verdienen lassen. Vielleicht sogar der Starstatus – obwohl Allüren so gar nicht zum sympathischen, höflichen Auftreten des Buben mit dem Werbegesicht passen. Ungeachtet dessen weiß Fabian, was er will. Zweifel lässt der 14-Jährige nicht zu, weil er sich bisher keine Gedanken darüber machen musste. Für ihn läuft es vielversprechend.

Fabian steht im Fokus. Er spielt für den Nachwuchs des FC Augsburg, in der kommenden Saison für das Team der U15. Verträge dürfen Klubs zwar offiziell erst mit 16 Jahren abschließen. Dennoch existiert schon in diesem Alter ein internationaler Transfermarkt, auf dem Berater auf Eltern zugehen, um deren Kinder an sich zu binden. Mit den ersten Verträgen kassieren die Geschäftemacher dann mit.

Das Business schieben Fabian und dessen Eltern noch vor sich her. Wohl wissend, dass es sie einmal einholen wird, sollte Fabian weiterhin fester Bestandteil der U-Mannschaften sein. Bisher hatte er in seinen Teams stets eine führende Rolle, er war in den Jugendteams Kapitän oder Stellvertreter.

Fabian befindet sich auf einem guten Weg – mehr nicht. Eine Karriere im Profifußball ist nicht planbar. Und Talent und Training allein werden Fabian nicht reichen, um seinen Traum zu verwirklichen. Er muss dem Leistungsdruck standhalten, der Konkurrenzsituation, dem knallharten Auswahlverfahren, das in den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten herrscht. Fabian muss darauf hoffen, dass Trainer seinen Spielstil mögen, dass er körperlich mithalten kann, vor allem aber, dass er sich nicht schwerwiegend verletzt. Fabian fläzt lässig im Terrassenstuhl, lässt sich den psychischen Druck nicht anmerken, beteuert: „Mich belastet das nicht.“

Vater Andreas und Mutter Brigitte, beide 43 Jahre alt, wissen, wie gering die Chancen ihres Sohnes sind. Realistisch schätzen sie ein, dass ihr Sprössling nur einer von Tausenden ist, die Messi und Co. nacheifern. Das hindert sie nicht daran, ihren Sohn bei der Verwirklichung seines Traums beizustehen. Und das fast rund um die Uhr.

Familie Wessig wohnt in Inningen, einem Stadtteil Augsburgs. Mitten im Garten steht ein großes Fußballtor, das Gestänge steht für die Leidenschaft der Besitzer. Die Wessigs ordnen dem Hobby und damit Fabians Traum alles unter. Sie lieben nicht nur ihr Kind, sie lieben, was es macht. Fußball genießt Priorität, er taktet den Alltag, bestimmt die Freizeitaktivitäten, füllt den Familienkalender.

Sorgt mitunter sogar dafür, dass Familienfeiern abgesagt werden. Fabian war kurz davor, seine eigene Firmung zu verpassen, weil er bei einem wichtigen Spiel dabei sein wollte. „Er lebt das“, sagt Andreas Wessig und fügt mit Nachdruck hinzu: „Wir leben das.“ Wollen Oma oder Opa feiern, erkundigen sie sich schon mal im Vorfeld, ob die Wessigs überhaupt Zeit haben. Brigitte Wessig fügt lächelnd hinzu, sie hätte gewusst, auf was sie sich einlässt, als sie Mann Andreas in der Ausbildung kennengelernt hat.

Andreas Wessig hat selbst höherklassig gespielt, heute trainiert er den Bezirksligisten TG Viktoria Augsburg. Ist der 43-Jährige nicht mit seiner eigenen Mannschaft unterwegs, reist er mit seinem Sohn und dem Nachwuchs des FCA durch Deutschland, teils sogar Europa. Ohne die Förderung der Eltern bliebe Fabians Talent wohl auf der Strecke. Wessig bemüht sich, Vater und nicht Trainer zu sein. Er übt keinen Druck aus, mischt sich nicht ein. Sein Sohn müsse nicht schaffen, was er einst nicht geschafft hat, beteuert Wessig. „Wenn er das nicht machen wollen würde, müsste er das nicht machen.“

Den Weg endgültig eingeschlagen hat Familie Wessig, als Fabian aufs Gymnasium wechselte. Nicht auf das nächstgelegene, sondern auf eines, das mit dem FCA kooperiert. Fabian besucht die achte Klasse des Paul-Klee-Gymnasiums in Gersthofen. Leistungssport und Schule werden dort miteinander verzahnt.

Fabian trainiert zweimal in der Woche schon vor der ersten Unterrichtsstunde, außerdem wird mit Schulaufgaben, Prüfungen und Befreiungen Rücksicht genommen. Mama Wessig übernimmt den Fahrdienst, erklärt: „Das ist mein Job.“ Morgens kutschiert sie Fabian nach Gersthofen, abends nach dem Training holt sie ihn wieder ab. Gegen sieben Uhr verlässt der Bub das Haus, manchmal kehrt er erst gegen 20 Uhr zurück. An den Wochenenden stehen Spiele, Turniere und Auswahllehrgänge an. Auf 15 bis 20 000 Kilometer pro Jahr schätzt Andreas Wessig die Strecken, die die Familie für Fabian zurücklegt.

Organisatorisch lässt sich das regeln, weil Wessig Gleitzeit hat. In der Sanitätsakademie der Bundeswehr betreut er Studenten. Seine Kaserne in München liegt unmittelbar neben dem Areal, auf dem der FC Bayern derzeit für rund 70 Millionen Euro seine neue Nachwuchsakademie baut. Auch am Arbeitsplatz lässt Wessig das Thema nicht los. Brigitte Wessig ist bei der Deutschen Rentenversicherung tätig.

Während im Tennis, Segeln oder Motorsport Eltern mitunter viel eigenes Geld in die Förderung ihrer Kinder stecken, ist im Profifußball das Geld da. Die Wessigs investieren vor allem Zeit. Diese verbringen sie oft im Auto, auf Sportplätzen und in Hotels. Zehn bis 15 Wochenenden seien das pro Jahr, schätzt Wessig. Statt ausgedehnter Urlaube reist Familie Wessig in Städte, verbringt Tage in Italien, der Türkei oder der Niederlande, wenn Fabian gegen den Nachwuchs von Juventus Turin, des FC Chelsea oder Ajax Amsterdams spielt. „Diese Erlebnisse kann ihm niemand mehr nehmen“, meint Andreas Wessig.

Auch dann nicht, sollte der Profifußballtraum einmal jäh platzen.

Aufrufe: 025.6.2017, 16:41 Uhr
Augsburger Allgemeine / Johannes GrafAutor