2024-05-08T14:46:11.570Z

Allgemeines
  Abschied von Lehrwart  Jens Pleister: Schiedsrichter Kristof Jordan (links) überreichte dem vom Amt  zurückgetretenen Kollegen ein Trikot.
Abschied von Lehrwart Jens Pleister: Schiedsrichter Kristof Jordan (links) überreichte dem vom Amt zurückgetretenen Kollegen ein Trikot. – Foto: hp

Was Osnabrücks Fußball-Schiedsrichter vermissen

Obmann Torsten Aderhold kündigt Rückzug für Sommer an / Verhältnis zu Kreisvorstand zerrüttet / "Müssen wir erst streiken?" / Mit Kommentar

Viele Osnabrücker Fußball-Schiedsrichter vermissen die Unterstützung und die Wertschätzung durch Spieler, Trainer, Zuschauer, Vereine – und vor allem durch den Vorstand des NFV-Kreisverbandes Osnabrück-Stadt. Der Rücktritt des Schiedsrichters und Kreislehrwartes Jens Pleister hat ein Ventil geöffnet, das beim Belehrungsabend am Dienstag Ärger, Unmut und Enttäuschung freisetzte.

Mancher forderte sogar einen Schiedsrichter-Streik. Doch es gab bessere Ideen. Aber auch die Rücktrittsankündigung des Mannes, der die Schiedsrichter seit fast 20 Jahren führt.
Torsten Aderhold verkündete zunächst die Details für das Grünkohlessen, nannte Termine – und sorgte dann für fassungslose Stille. „Ich liege nachts wach und frage mich: Warum tue ich mir das noch an? Aber jetzt ist das Fass übergelaufen, die Kommunikation mit dem Vorstand ist schlecht. Ich höre im Sommer auf, denn das Vertrauensverhältnis zum Kreisvorstand und zu Frank Schmidt ist so zerrüttet, dass es nicht mehr weitergeht.“
Als die 80 anwesenden aktiven Schiedsrichter die Worte wiederfanden, wurden sie deutlich und redeten sich ihren Frust von der Seele:
„Die Gewaltexzesse auf dem Platz sind schlimm genug, aber man kommt damit klar. Aber dass wir von unserem Vorstand nicht geschützt werden, geht mir wirklich an die Nieren.“
„Es wird Zeit, dass die Vereine ihr Verhältnis zum Schiedsrichter grundlegend überdenken. Die müssen sich überlegen, was sie für uns tun können und sogar müssen, damit sie weiter Fußball spielen können.“
„Ich bin sprachlos, man lässt uns allein. Wir müssen uns viel mehr Gehör verschaffen. Müssen wir wirklich erst streiken, bevor sich etwas ändern kann?“
Auslöser war ein halbstündiger Vortrag von Jens Pleister. Der 26-Jährige Schiedsrichter des VfB Schinkel war im Januar 2020 zurückgetreten und hatte auch sein Amt als Kreislehrwart niedergelegt. Die dabei veröffentlichte Begründung führte er aus und zeigte eigene Statistiken, basierend auf 150 Spiel- und Sonderberichten. Seit Rückrundenbeginn 2018 gab es in den Spielen der Kreisliga und der Kreisklassen (Männer) drei Gewaltdelikte gegen Schiedsrichter, 39 Beleidigungen des Spielleiters, 48 Tätlichkeiten von Spielern. Nach Pleisters Erhebung waren Spvg. Haste, Kosmos, SC Türkgücü, SV Kosova, SC Schölerberg, SV Ballsport und TuS Haste oft beteiligt.
Es folgte eine teils emotionale, dennoch konstruktive Debatte. Mehrere interessante Vorschläge kamen zutage – vom Ordner-Einsatz über die Einführung von Schiedsrichter-Beauftragten in den Vereinen bis zur Regelkunde für Mannschaften durch Schiedsrichter.
Der Vorsitzende des Kreisverbandes, Frank Schmidt, sagte seine Teilnahme an dem Belehrungsabend kurzfristig ab, nachdem er am Mittag des Veranstaltungstages erfahren hatte, dass Pleister dort auftreten würde. „Torsten Aderhold hat mir gesagt, dass er mit persönlichen Eskalationen rechne, und wollte deshalb ein halbstündiges Vorgespräch mit Pleister und mir“, erklärte Schmidt am Mittwoch. Das sei ihm zu wenig Zeit gewesen: „Ich habe nicht gekniffen, aber ich wollte einer persönlichen Auseinandersetzung aus dem Weg gehen. Meine Dialogbereitschaft ist gegeben, ich stelle mich jeder Kritik und Diskussion.“ Schmidt betonte, dass weder Pleister noch Aderhold vor ihren Rücktrittsankündigungen das Gespräch mit ihm gesucht hätten.


Kommentar von NOZ-Sportchef Harald Pistorius: Mehr als ein Wutausbruch

Es war, als hätten die achtzig anwesenden ehrenamtlichen Schiedsrichter im NFV-Kreis Osnabrück-Stadt nur darauf gewartet – auf diesen Anlass, um sich Luft zu machen, angestauten Ärger rauszulassen und Enttäuschung auszudrücken.

Der Grundtenor war eindeutig: Die Unparteiischen fühlen sich alleingelassen in ihrem Amt – von Spielern und Trainern, von Vereinen und vom Verband. Sie fühlen sich nicht ausreichend geschützt gegen die steigende Zahl der Angriffe, verbale und körperliche, von der Beleidigung bis zur schweren Tätlichkeit.

Dass es viele Spiele gibt, die reibungslos und in sportlich-fairer Atmosphäre ablaufen, ist ein schwacher Trost. Die Schiedsrichter erwarten mehr: konsequente Bestrafung, konkrete Maßnahmen und Unterstützung, die über Worte hinausgeht.

Es war stellenweise beeindruckend, wie sachlich, konstruktiv und klar die Schiedsrichter Vorschläge zur Verbesserung vortrugen und diskutierten; am Ende standen viele gute Ideen, die einen Neuanfang einleiten könnten.

Doch das geht nur im gleichberechtigten Zusammenspiel mit einem Kreisvorstand, der sein Verhältnis zu den Unparteiischen dringend verbessern muss. Der Lehrwart ist zurückgetreten, der Vorsitzende des Schiedsrichterausschusses hat es angekündigt – beide begründen es mit dem Verlust an Vertrauen, Wertschätzung und Unterstützung. Und ernteten viel Zustimmung ihrer Kollegen.

Dass der Vorsitzendes des Kreisverbandes seine Teilnahme an der Veranstaltung kurzfristig absagte, verstärkte die negative Haltung. Frank Schmidt hat damit Kredit verspielt, doch er ist als ehemaliger Schiedsrichter und erfahrener Funktionär noch immer der Mann, der zusammenführen kann, was wieder zusammenwachsen muss.

Es ist Zeit für einen Runden Tisch mit allen Beteiligten, der einen Aktionsplan erarbeitet, konkrete Maßnahmen beschließt und Wege zur Durchsetzung aufzeigt. Bereitschaft und Kompetenz sind da, zumindest bei den Schiedsrichtern.

Torsten Aderhold
Torsten Aderhold

Aufrufe: 013.2.2020, 20:00 Uhr
Harald Pistorius / NOZ SportAutor