2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview

"Ein David Copperfield wird hier nicht auftreten"

Freeway Cup: Turnierleiter Christian Spönemann stellte sich im Kabinengespräch den Fragen von Michael Meier und Philipp Knappmeyer

Januar und Lübbecke. Verbunden ist diese Kombination eindeutig mit dem größten Fußballmoment, den der Altkreis zu bieten hat. Auch in diesem Jahr waren die Eintrittskarten für die 19. Auflage des „Freeway Cup“ binnen weniger als 30 Minuten komplett vergriffen. Der „Freeway Cup“ zieht die Massen ich seinen Bann. Was mit einer Idee von Heinz-Dieter Holsing begann, hat sich mittlerweile zu einem festen Termin gemausert, der nicht nur Fußballbegeisterte in die Lübbecker Kreissporthalle lockt.

Turnierleiter Christian Spönemann folgte im Vorfeld des Turniers der Einladung von Michael Meier und Philipp Knappmeyer an den Ort, wo Fußballer Tacheles reden – zum Kabinengespräch!

Philipp: Ich war vor zwei Jahren mit unserer ältesten Tochter beim „Freeway Cup“. Da ist mir aufgefallen, dass sich die Zeit zwischen Viertelfinale und Endspiel immer sehr in die Länge zieht.
Showeinlagen, Musik, noch eine Zwischenmoderation, unzählige Auftritte vom „Müller“.
Vorm Finale dann auch noch die Nationalhymne. Ich komme als Fußballer in die Halle und sehe dann Stunts, Dunks und Musik. Für mich war die Grenze überschritten.
Seid ihr in die Eventisierungsfalle getappt?

Christian: Ganz klar, nein! Wir haben Eventisierung gemacht, ja. Aber wir sind nicht in eine Falle getappt, weil du in eine Falle nur unwissentlich und unvorbereitet tappst. Wir haben das aber ganz bewusst gemacht, weil wir rund um den Fußball einfach mehr bieten wollen. Wir sind da aber ganz klein angefangen mit Einlagespielen oder einer Feuer-Show. Erst 2012 hatten wir zum ersten Mal die „Dunking Devils“ zu Gast. Und von da an gingen die Zuschauerzahlen durch die Decke.
Die Sache mit der Nationalhymne ist eher aus einer Bierlaune entstanden. Wir bezeichnen uns ja als inoffizielle deutsche Hallenmeisterschaft, also warum nicht auch die Nationalhymne spielen. Wir treiben es damit auf die Spitze, dass kann man kritisieren. Aber wir haben festgestellt, dass wir damit ein Alleinstellungsmerkmal haben. Kein anderer traut sich das.
Wir werden mit dieser Entwicklung medial anders wahrgenommen - Nämlich als Event. Das ist nicht zwingend anzustreben, aber durch die Eventisierung haben wir ein anderes Publikum bekommen. In erster Linie haben wir dadurch mehr Frauen und Familien in die Halle gelockt.
Die Leute, die in die Halle kommen wollen, um Fußball zu sehen und dann keine Karte bekommen, werden sicherlich die Nase rümpfen. Aber jeder hat beim Kartenvorverkauf die gleichen Chancen.
Deswegen: Eventisierung ja, aber im Kern wird immer der Fußball stehen. Ohne guten Fußball kannst du soviel Show machen, wie du willst. Der Inhalt muss stimmen, nicht die Verpackung.

Michael: Ich habe dennoch den Eindruck, dass Du die wahren Fußballfans nicht in die Halle lockst, die schon auf die Barrikaden gehen, wenn Helene Fischer beim DFB-Pokalfinale auftritt. Ihr habt ein sehr gutes Rahmenprogramm, was es auch zu diesem Event macht. Aber ich glaube, dass es viele im Publikum wiederum nicht einmal interessiert, wer da auf der Platte gegen wen spielt.

Christian: Du hast sicherlich ein Stück Fachpublikum, aber auch ein Stück weit Zuschauer, die wegen des Events kommen. Aber wir sind uns doch alle einig: Wenn wir nicht mehr Mannschaften wie Schalke 04 oder Borussia Dortmund als Teilnehmer haben, sondern die SpVg Erkenschwick oder Eintracht Norderstedt, wäre der „Freeway Cup“ erledigt.
Wenn du die Topmannschaften nicht am Start hast, bleiben zunächst die Fachbesucher weg und dann auch die, die wegen des Events kommen. Dann gibt es eine Abwärtsspirale, die nicht mehr aufzuhalten ist.

Michael: Wird das Rahmenprogramm noch weiter ausgebaut oder ist das Ende jetzt erreicht?

Christian: Nein, einen weiteren Ausbau des Rahmenprogramms haben wir nicht vor. Wir haben damit die Spitze erreicht. Mehr ist auch nicht möglich. Es ist auch schwierig Dinge zu finden, die wir noch nicht hatten. Zudem geraten wir mit der Kreissporthalle auch an unsere Grenzen. Das ist halt eine Schulsporthalle und keine O2-Arena. Wir werden uns weiter bemühen, auch durch externe Unterstützung, fernab vom Organisationsteam, ein attraktives Rahmenprogramm zusammenzustellen, aber ein David Copperfield wird hier nicht auftreten.

Philipp: Christian, Du sagst, dass der Inhalt stimmen muss. Dann lass uns auf die schauen, die dafür zuständig sind: Die Spieler und deren Trainer! Die Trainer baten euch den Modus zu ändern und damit verbindlich ein Spiel mehr zu garantieren. Sie wollen ihre Teams in viele hochklassige Spiele schicken.
Beim „Freeway Cup“ spielen die Jungs dann an zwei Tagen vor 5.000 statt vor 100 Zuschauern.
Zusätzlich machen Sie Fotosessions und laufen zur Nationalhymne ein. Ist so ein Wochenende die Grenze des Leistbaren für 15jährige?

Christian: Wie die Vereine ihre Spieler pädagogisch auf dieses Wochenende vorbereiten, können wir ihnen nicht abnehmen. Alle Vereine wissen, was sie hier in Lübbecke erwartet. Die Aussage der Trainer ist aber auch: was ihr dort erlebt, erlebt ihr nirgendwo anders. Es ist vielleicht ein wenig drüber alles, aber wir sind als Turnier ein Stück anders unterwegs. Die Spieler werden hier bei uns zwei Tage in Watte gepackt. Es wird alles für Sie getan.
Sie kriegen die große Bühne und müssen eigentlich nur Fußball spielen. Sie leben doch alle den Traum Profi zu werden und dann gehört das mit dazu. Dann gehören die zehn Minuten mit Fans, die viel Geld für die Karte hier gezahlt haben, um Fotos zu machen, einfach mit dazu. Ich finde das ganz legitim. Es ist auch eine gute Schule für die Jungs für die Zukunft. Und wir wollen insgesamt besondere Momente für die Spieler, Trainer und Zuschauer schaffen. Aber ganz klar, es ist immer ein schmaler Grat auf dem wir unterwegs sind.

Philipp: Ungefähr 3000 Spieler haben euer Turnier gespielt. Davon haben es rund 300 Spieler geschafft, Regionalliga oder höher zu spielen. Ich habe mir mal an einem langweiligen Abend die Arbeit gemacht und in eurer großen Datenbank geschaut wer sich zu einem „stabilen“ Bundesligaspieler entwickelt hat. Da bin ich bei 80 gelandet – sprich knappe 3%.
Auch dieses Jahr sehen wir wieder knapp 200 Spieler von denen wohl lediglich 5 oder 6 ganz oben ankommen. Beschäftigt ihr euch damit eurem (fachfremden) Publikum zu erklären wie hart die Realität im Fußball ist und wie viele Jugendliche am Traum „Profifußball“ scheitern – es ist ja der weitaus größere Teil der Geschichte…..

Christian: Erst einmal finde ich eine Quote von ca. 3 % gut. Extrem gut. Jeder Trainer wäre wohl froh, wenn es einer von 100 in die Bundesliga schafft. Aber es ist natürlich so, dass wir die Story verkaufen, hier seht ihr die Stars von morgen. Davon werden wir auch nicht abweichen, keinen Millimeter. Dadurch bleiben wir auch zukunftsfähig. Aber mehr Sensibilität für die Spieler, die es nicht geschafft haben - den Ansatz finde ich gut. Das könnten wir in Zukunft auch mal betrachten und nicht nur Spieler wie Joshua Kimmich oder Timo Werner in den Fokus stellen, die es in die Nationalmannschaft geschafft haben.

Michael: Aus den letzten Jahren ist mir eigentlich nur Lukas Podolski in Erinnerung geblieben, der auch schon beim „Freeway Cup“ wegen seiner „Schelle“ hervorgestochen ist. Viele andere der großen Namen wie Neuer oder Müller sind doch eigentlich an den Tagen in Lübbecke eher weniger in Erscheinung getreten oder täusche ich mich da komplett? Dagegen sind andere Topspieler des Turniers wie etwa Derflinger eher in der Versenkung verschwunden.

Christian: Ich habe als Hallensprecher eher wenig davon mitbekommen. Ich kann nicht sagen, ob ein Sven Ullreich oder Julian Draxler hier schon geglänzt haben. Dafür ist man zu sehr mit dem Turnier beschäftigt. Viele Spieler entwickeln sich aber danach erst richtig. Wie beispielsweise ein Per Mertesacker. Der hat teilweise auch noch in der zweiten A-Jugendmannschaft gespielt. Aber an Derflinger kann ich mich schon noch erinnern. Das war vom Tempo schon aufsehenerregend.

Michael: Ich habe mir mal den Kader der Mühlenkreisauswahl angeschaut. Der ist doch stark Minden und Bad Oeynhausen lastig. Die Lübbecker Spieler kommen meiner Meinung nach zu kurz. Und das gerade bei dem Turnier, welches in Lübbecke stattfindet und die meisten Zuschauer aus dem Altkreis anzieht. Ist es daher weiter zielführend, eine Mühlenkreisauswahl zu haben oder sollte man nicht doch eher auf eine lokale Mannschaft aus dem Fußballkreis Lübbecke setzen?

Seit 2017 Turnierleiter beim Freeway-Cup: Christian Spönemann (r.)

Christian: Wir hängen uns als Veranstalter in zwei Dinge nie rein. Wer die Mühlenkreisauswahl trainiert und wer nominiert wird. Das ist nicht unser Geschäft. Es gab vor Jahren mal die Anfrage an uns als Ausrichter, ob nicht drei Spieler vom VfL Theesen, die aus dem Kreis Minden-Lübbecke stammen, mitspielen können.
Dem hat Heinz-Dieter Holsing schnell eine Absage erteilt. Die Tür machen wir nicht auf. Es bleibt dabei, dass alle Spieler aus den Vereinen der Fußballkreise Lübbecke und Minden kommen müssen. Es entscheidet nicht der Wohn- oder Geburtsort über eine Teilnahme.
Wir möchten weiter eine Kreisauswahl haben und die Spieler ansprechen, auch wenn es in Zukunft immer schwieriger wird, eine schlagkräftige Mannschaft zu stellen. Gerade weil viele Spieler mittlerweile auch für Rödinghausen spielen und auch Arminia Bielefeld immer früher scoutet. Für mich bleibt aber die Mühlenkreisauswahl die wichtigste Mannschaft des Turniers.

Philipp: Ab und zu punktet unsere Auswahl ja auch mal überraschend gegen einen der großen Vereine. Ich denke, dass das teilweise daran liegt, dass unsere Mühlis auch Spieler des älteren Jahrganges einsetzen dürfen. Darüber wird öffentlich eigentlich nie gesprochen – warum eigentlich? Es ist irgendwie ein „magisches Geheimnis“ des „Freeway Cup“.

Christian: Ich finde das auch gar nicht schlimm. Und wir halten das auch nicht bewusst unter der Decke. Wir erhöhen dadurch einfach die Chancengleichheit.

Philipp: Völlig richtig. Doch gerade dann kann man das auch öffentlich mal sagen.

Christian: Wer nicht fragt, bekommt auch keine Antworten (lacht). Grundsätzlich ein interessanter Ansatz. Aber ist das dem Publikum nicht ziemlich egal? Die wollen nur die Jungs mit dem blauen Trikot sehen und denen ist es egal, ob er nun 15 oder 16 Jahre alt ist.

Philipp: Das Publikum trägt die Mühlenkreisauswahl völlig zu Recht enthusiastisch durch das Turnier. Aber ihr veranstaltet einen Wettbewerb und müsst wenigstens im Programmheft erklären unter welchen Bedingungen der ausgetragen wird.

Michael: In der Kreissporthalle ist der „Freeway Cup“ organisatorisch an die Grenzen gestoßen. Ist dieser Standort gesetzt oder gibt es vielleicht Überlegungen, mal nach Minden zu gehen. Zumal ja auch Spieler aus dem Mindener Raum in der Mühlenkreisauswahl spielen. Könntet ihr den Verlockungen einer modernen, neuen Multifunktionshalle in Minden widerstehen?

Christian: Der Standort Lübbecke ist gesetzt. Gehen wir aus Lübbecke weg, ist das Turnier tot. Es ist schon eine lokale Veranstaltung. Die meisten Zuschauer generieren wir aus dem Raum Lübbecke. Wir haben hier unsere Wurzeln und auch die Helfer kommen von hier. Die kann man nicht verpflanzen. Ich würde mir zwar gerne eine größere Halle wünschen, aber die haben wir nicht.

Michael: Gibt es Überlegungen, vielleicht auch mal internationale Mannschaften einzuladen?

Christian: Ein klares Nein. Wir wollen den nationalen Vergleich. International kommt für uns nicht in Frage. Das gibt es zu viele Unwägbarkeiten, die wir nicht lösen und wollen. Der deutsche Leistungsvergleich ist uns heilig. Wir wollen schnell nach dem Turnier wieder Planungssicherheit für das kommende Turnier haben und nicht vor zu vielen Fragezeichen stehen.

Philipp: Der „Freeway Cup“ ist Name des Turniers und gleichzeitig auch Name des Freeway-Cup e.V. Ich habe nur in zwei Jahrzehnten nie etwas von einer Jahreshauptversammlung gelesen.
Könnt ihr euch das bei eurer Wirkung für den Altkreis überhaupt erlauben. Es ist ja immer noch eine gemeinnützige Organisation, über die man kaum etwas liest.
Oder ist der Freeway Cup e.V. ein closed shop?

Christian: Es ist auf keinen Fall ein „closed shop“. Wir haben Mitglieder, die mit dem Turnier überhaupt nichts zu tun haben. Wir haben den e.V. gegründet, da wir klare Verhältnisse haben wollen, gerade was die Finanzen betrifft. Wir wollen da sauber unterwegs sein. Viele Turniere scheitern auch daran. Der Verein will die Jugend fördern. Das steht auch in der Satzung. Deswegen machen wir auch so Sachen, wie in der Werder Bremen-Fußballschule in der Vergangenheit oder Trainerfortbildungen. Wir haben nichts zu verbergen, aber letztlich interessiert das den Besucher nicht, wer alles hinter der Veranstaltung steckt.

Aufrufe: 016.1.2018, 21:00 Uhr
Michael Meier(Foto: Rainer Placke)Autor