2024-05-14T11:23:26.213Z

Allgemeines

Ein Auto liefert die Trainingsbeleuchtung

Groundhopping am Rhing, Teil IV: Uckerath, Auf dem Steimel

Eigeninitiative und Improvisationstalent waren in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gefragt, wenn es darum ging, endlich wieder dem favorisierten Sport nachzugehen. Das galt auch für die Fußballer des SC Uckerath. Noch bevor wieder eine Seniorenmannschaft ins Leben gerufen wurde, spielten die Jugendlichen des Clubs zunächst mangels einer geeigneten Anlage auf der B 8 stundenlang mit Kieselsteinen und später mit aus alten Flugzeugreifen zurechtgeschnittenen kleinen Gummibällen – die freilich rasch unbrauchbar wurden, wenn sie in eine Pfütze fielen und sich mit Wasser vollsaugten.

Als der Verkehr zunahm, zogen die engagierten Kicker Anfang 1947 auf das Areal „Auf dem Steimel“ und versuchten, den alten Aschenplatz auf dem heutigen Tennisgelände als Spielfläche herzurichten, wie der frühere, kürzlich verstorbene Vorsitzende Karl Faßbender im Jubiläumsheft zum 75-jährigen Bestehen des 1922 gegründeten Vereins im Jahre 1997 berichtet.

Dass dies mit allerlei Schwierigkeiten verbunden war, ist nur allzu leicht nachzuvollziehen. „Der Zustand des Platzes war nicht gerade berauschend. Er war übersät mit Granattrichtern und altem Gerümpel. Wildwuchs von allem möglichen Gesträuch, insbesondere Ginster, machte sich überall breit“, schreibt Faßbender. „Auf dem Platz lagen Mengen loser Kieselsteine, die alle aufgelesen werden mussten.“ Dass die Spielfläche ein wenig „hängig“ war, sprich dass bergauf und bergab gespielt werden musste, focht die Aktiven in keinster Weise an.

Das größte Problem für sie: Die Tore fehlten. Glücklicherweise fand sich bald ein Spender, der den Fußballern einige Tannen zur Verfügung stellte. Die Jungs ließen sich nicht lange bitten und fällten die Bäume, dummerweise – wie Faßbender sich seinerzeit erinnerte – auf dem falschen Grundstück. Geschält und zurechtgeschnitzt wurden sie trotzdem; nach dem Aufbau hing allerdings die Latte ein bisschen durch, und der Torwart durfte sich in der ersten Zeit nicht an einen Pfosten lehnen, weil er sonst am Baumharz festzukleben drohte.

Kuriose Geschichten rund um die alte Aschenplatzanlage gibt’s zur Genüge. Das weiß auch Herbert Erbe, 1979/80 und von 1983 bis 1992 Vorsitzender der Fußballabteilung sowie von 1986 bis 1990 Präsident des Gesamtvereins. So fand sich zur offiziellen Einweihung des Sportplatzes am 3. Juni 1951 – mittlerweile existierten wieder zwei Seniorenteams – sogar der damalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Peco Bauwens, ein, der die Eröffnung im Rahmen eines Einlagespiels zwischen den A-Jugend-Teams des SCU und des SSV 05 Troisdorf vornahm.

Erfinderisch zeigten sich die Uckerather angesichts der fehlenden Beleuchtung bei den Übungseinheiten in den Abendstunden: „Der damalige Spielerobmann und Betreuer Robert Anders erklärte sich bereit, in die Bresche zu springen“, erzählt Erbe. „Er hatte damals schon ein eigenes Auto, einen kleinen Fiat 500, fuhr kurzerhand hinauf auf den Hügel oberhalb des Platzes und schaltete die Lampen seines Wagens ein. Das reichte, um nach Einbruch der Dunkelheit weitertrainieren zu können. Das war Mitte der 1950er Jahre.“

Anfang der 1960er Jahre entschlossen sich die Verantwortlichen des Vereins dazu, Anders abzulösen. „Wir haben in Eigenleistung Gräben ausgehoben, Leitungen verlegt und vier Masten mit vier Leuchten aufgestellt“, erinnert sich Erbe daran, wie 1962 die erste Flutlichtanlage erstrahlte. Der Club wuchs stetig, sodass die Anlage bald renovierungsbedürftig war. Knapp zehn Jahre später wurden die Arbeiten aufgenommen, 1971 wurde der „Steimel“ wiedereröffnet.

Eigeninitiative war auch gefragt, wenn es nach dem Training oder dem Spiel ums Duschen ging. „Da musste erst mal ein Ofen angeworfen werden, damit wir heißes Wasser hatten“, erinnert sich Erbe. „Wochentags kam unser Betreuer mit Tannenzweigen, um den Ofen zu bestücken; Briketts vom Verein gab es lediglich am Wochenende.“

Die kickende Prominenz gab sich in Uckerath ebenfalls ein Stelldichein – obwohl die Ex-Profis Rasen und nicht staubige Asche gewohnt waren. So gastierte 1972 zum 50-jährigen Bestehen des SCU die Bundesligatruppe der Düsseldorfer Fortuna auf dem „Steimel“, mit dem unvergessenen Heinz Lucas als Trainer, mit Stars wie Dieter Herzog und Reiner Geye. Während der Sportwoche gab sich am 10. August 1979 sogar einer der ganz Großen die Ehre: DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler trat mit seiner Traditionsmannschaft und Idolen wie dem 1954er-Weltmeister Horst Eckel, Willi Schulz und der Dortmunder Legende Lothar „Emma“ Emmerich gegen eine Auswahl von der Sieg an. Die Stars gewannen vor 800 Zuschauern mit 6:3, Seeler steuerte ebenso wie „Emma“ einen Treffer bei.

Zehn Jahre später waren sich der ehemalige Schalker Erwin Kremers, Mönchengladbachs Ex-Keeper Uli Sude, der Kölner Hannes Löhr sowie die späteren Trainer Reinhard Saftig und Peter Hermann nicht zu schade, mit den „Ruhrkickern“ auf der Uckerather Asche anzutreten. Vor einer ähnlich großen Kulisse – mehr Besucher ließ die enge Platzanlage praktisch auch gar nicht zu – setzten sich die Prominenten gegen eine Kreisauswahl mit 6:2 durch. Als Unparteiischer lief der Euskirchener Fifa-Schiedsrichter Walter Eschweiler auf.

Seit Oktober 1997 ist der Sportplatz „Auf dem Steimel“ Geschichte. An anderer Stelle, am Kantelberg, wurde auf insgesamt 30 000 Quadratmetern eine moderne neue Kunstrasenanlage geschaffen. Der Umzug war auch dringend notwendig, denn eine Sanierung des Platzes auf dem alten Areal hätte seinerzeit aufgrund der Lage mitten in einem Wohngebiet etwa eine Million Mark gekostet.

Aufrufe: 016.4.2020, 13:07 Uhr
General-Anzeiger Bonn/Wolfgang LeyAutor