Der Traditionsverein DJK Bayern ist Geschichte. Am Dienstagabend fand ein letztes Trainingsspiel statt, dann ging das Licht aus – für immer. Für Spieler und Ehemalige ein Schock, denn der Verein war mehr als nur Fußball. Es ging um Begegnungen, Freundschaften und das Erwachsenwerden.
Vogl schaut ein letztes Mal bei seiner DJK zu. Für ein Trainingsspiel haben sie sich am Dienstagabend noch einmal getroffen. Dann gehen hier die Lichter endgültig aus. Der Traditionsverein am Wiesengrund ist pleite. Am Mittwochmorgen um kurz vor neun wurde der Stromzähler abgebaut. Es ist das Ende einer jahrelangen Misswirtschaft. Schon im Herbst 2015 waren sie kurz vor der Insolvenz, die Einstellung des Spielbetriebs konnte jedoch noch einmal abgewendet werden. Jetzt aber müssen sie der bitteren Realität ins Auge blicken. Zu erdrückend sind die Altlasten auf dem Vereinsgelände, eine Verbandssperre, und die Steuernachforderungen des Finanzamts. „Wir konnten den Betrag einfach nicht mehr stemmen“, sagt ein spürbar geknickter Abteilungsleiter Gamal Keblawi. In fünf Jahren hätten sie hier 100-jähriges Jubiläum gefeiert. Doch daraus wird jetzt nichts mehr.
Keblawi steht im matschigen Rasen an der Ecke des Spielfelds und versucht zu beschreiben, wie sich die letzten Tage angefühlt haben. „Die Spieler haben wir am Sonntag informiert. Es war hart. Ich habe fast kein Wort rausgebracht“, sagt Keblawi. Noch in der Nacht verfasste er eine Meldung für die Pressevertreter. „Ich lag im Bett, als ich das geschrieben habe. Da habe ich die eine oder andere Träne verdrückt. Wenn ich nachher das Flutlicht ausmache, wird das ein ganz emotionaler Moment.“ Die Spieler wollen geschlossen zu einem anderen Verein wechseln. Sie sind eine Gemeinschaft hier. Bei der DJK ging es nicht nur um Fußball. Es ging um Begegnungen, um gemeinsames Feiern, um Freundschaften. „Es ist wie ein Zuhause gewesen. Wenn man mal nicht wusste, was man machen soll, ist man Freitagabends immer hier runtergekommen. Wir saßen hier immer zusammen, haben gekartelt oder was anderes unternommen“, sagen die Spieler, die schon länger dabei sind und Keblawi ergänzt: „Es war eine Anlaufstelle. Es ist, als würde eine Familie kaputt gehen.“ Es gab ja nicht nur die Herrenmannschaften. Auch Jugendteams und lange auch die Damenmannschaft. „Hier unten am Vereinsgelände haben sich Paare gebildet, es gab sogar Heiratsanträge“, sagt Hasan, der jahrelang für die DJK gespielt hat und sich auch als Trainer im Verein engagiert hat. Stolz zeigt er ein Bild von einem Erfolg seiner Jugendmannschaft. Das Aus sei aber vor allem auch schade für die vielen Kinder, die im Sommer regelmäßig auf dem Vereinsgelände auf dem kleinen Nebenplatz gespielt hatten. „Wenn die Eltern draußen am Pegnitzufer gegrillt haben, wussten sie, dass ihre Kinder bei uns gut aufgehoben sind. Sie brauchten sich keine Sorgen machen“, sagt er. Oft haben sie am Vereinsgelände gegrillt. „Der Wiesinger war auch mal dabei. Er ist vorbeigejoggt und wollte nur kurz bleiben. Am Ende ist es drei Uhr nachts geworden“, sagt Maurice, ein aktiver Spieler der DJK.
Das Trainingsspiel ist heute nur Nebensache. Oben unter den Holzpalisaden stehen die gemeinsam geteilten Erlebnisse und Erinnerungen im Vordergrund. Einige ehemalige DJKler haben vom Aus gehört und wollten dabei sein, wenn bei ihrem Verein das Licht ausgemacht wird. So wie Andy, der von 1995 bis 2012 im Verein gespielt hat. „Ich habe meiner Frau nur gesagt, ich bin unten bei der DJK. Sie hat überhaupt nicht nachgehakt und mich gehen lassen. Sie weiß, dass der Verein zu meinem Leben gehört“, sagt der 26-Jährige und zeigt auf den gegenüberliegenden Spielfeldrand: „Da drüben habe ich gewohnt, direkt hinter der Anzeigetafel.“ Viele Erinnerungen kommen hoch: „Als Kinder haben wir da immer ein Loch im Zaun gefunden. Da gab es eine Sprenkelanlage und wenn man mal nicht ins Bad durfte, ist man da immer hin und hat die angemacht. Das hat der Vorstand damals natürlich nicht so gerne gesehen. Aber die wussten ja auch immer, wer es war“, sagt Andy.
Man spürt, dass sie noch an dem Klub hängen, mit dem sie aufgewachsen sind, mit dem sie ihre Jugend verbracht haben und mit dem sie erwachsen geworden sind. „Ohne die DJK hätte ich 90 Prozent meiner Freunde nicht“, sagt der 27-jährige Rene, der beste Freund von Andy. Kennengelernt haben sich die beiden natürlich bei der DJK, wo sonst. „Wenn ich mal so darüber nachdenke, dann hätte mein Leben wahrscheinlich einen komplett anderen Verlauf genommen, wenn ich hier nicht angefangen hätte, Fußball zu spielen“, sagt er.
Die beiden blicken zurück. Auf die gemeinsamen Jahre, auf die schönen Momente. Einer davon war zweifelsohne der Aufstieg 2011, als die DJK in die Kreisklasse aufgestiegen ist. „Wir haben ja immer in der B- und A-Klasse rumgedümpelt. Unsere Generation hat den Aufstieg geschafft. Das war einmalig“, sagt Andy. Auch Susanne Schäffer war damals dabei. Sie ist Anfang 40 und hat jahrelang in der Damenmannschaft gespielt. „Mein Ex-Mann und ich haben nach dem Aufstieg damals einen Pool aufgestellt, weil das Schwimmbad zu voll war, wisst ihr noch?“, fragt sie die beiden Jungs. Andy und Rene kennt sie, seit diese mit dem Fußball angefangen haben. „Es fehlt nur noch, dass ich sie gewickelt hätte.“ Auch ihr fällt der Abschied schwer: „Egal ob es mal Streit gab oder man mal länger nicht mehr da war. Hier war man immer willkommen. Das war einfach schön“ Viele Feste haben sie zusammen gefeiert. Fasching, Weihnachtsfeiern. Auch oben, im ersten Stock des Vereinsheims, in dem die Tischtennisabteilung beheimatet ist – beziehungsweise war.
Auch dort haben sie sich am Dienstagabend ein letztes Mal versammelt, im Stuhlkreis wird in der kleinen Halle darüber debattiert, wie es weitergehen soll. Drei Mannschaften hatten sie hier noch nie. Es lief gut, doch auch hier geht morgen das Licht aus. „Im Dunkeln kann man schlecht spielen“, sagt einer. Auch hier steht ein geschlossener Wechsel im Raum. Nur wohin? „Ich gehe nicht zu Johannis. Da war ich mal und da wollte keiner zählen. Was ist das denn für ein Verein“, sagt ein anderer. Hasan von den Fußballern lehnt daneben, an einer Tischtennisplatte und denkt an die vielen Feste, die sie hier gefeiert haben. „Man kriegt Gänsehaut, wenn man da in die Vergangenheit zurückblickt.“ Draußen stehen sie noch immer, trinken Bier und reden. Auch Michael ist gekommen. Er war lange Torwart hier. Einst hat er hier ein Abschiedsspiel bekommen, inklusive „Standing Ovations“. „Meine Großeltern waren hier bei jedem Spiel. Die gibt es jetzt nicht mehr. Aber das verbindet mich einfach stark mit diesem Klub“, sagt er. Jeder hat hier seine Geschichte mit der DJK zu erzählen. Viele haben den Klub auch mal gewechselt. Fast immer aber sind sie wieder zurückgekehrt. Einige konnten aus Zeitgründen nicht mehr so oft kommen wie früher. Die Prioritäten verschieben sich halt.
Die Frau, die Kinder, andere Verpflichtungen. „Irgendwie fühlt es sich an, wie wenn ein geliebter Mensch alt geworden ist und du dir denkst: Mensch, warum bin ich nicht öfter hier gewesen“, sagt Andy. „Ja, klar“, sagt Rene, „irgend etwas kam immer dazwischen. Aber wir wussten alle, dass dieser Tag kommen wird.“ Der Tag an dem es nicht mehr weitergehen wird für die DJK. Das letzte Trainingsspiel ist jetzt auch vorbei. Die beiden Freunde bleiben noch ein bisschen. Dann geht das Flutlicht aus. Für immer. Das war es dann mit der DJK.