2024-05-02T16:12:49.858Z

Im Nachfassen
Hält Holstein Kiel nach der Niederlage in Köln an Karsten Neitzel fest? Holsteins Geschäftsführer Sport, Ralf Becker, wollte sich dazu nach dem Spiel am Sonnabend nicht äußern. Foto: Hermann.
Hält Holstein Kiel nach der Niederlage in Köln an Karsten Neitzel fest? Holsteins Geschäftsführer Sport, Ralf Becker, wollte sich dazu nach dem Spiel am Sonnabend nicht äußern. Foto: Hermann.

Die Unruhe bei Holstein wächst: Neitzel muss wohl zittern

Reime: „Der eine oder andere wird jetzt wohl unruhig“

Der Sportchef gab sich extrem zugeknöpft. „Heute nicht“, bat Ralf Becker auf die Frage nach einer Einschätzung von Spiel und Lage nach den 90 Minuten im Kölner Südstadion um Verständnis. Auf den im Juni installierten Geschäftsführer Sport der „Störche“ kommt eine ereignisreiche Zeit zu. Als sportlich Verantwortlicher muss er den möglichen Kampf moderieren, der an dieser Stelle in der vergangenen Woche bereits angedeutet wurde. Halten die Kieler trotz der unbefriedigenden Ergebnisse zum Saisonstart an Trainer Karsten Neitzel fest?

Oder mündet die Unzufriedenheit mit dem Trainer, der Spielweise und den Ergebnissen, die zumindest Teile des Aufsichtsrats schon längere Zeit empfinden, in einen allzu frühzeitigen Wechsel? Klar scheint nur: Die Ruhe, die es angesichts veränderter Strömungen im Verein und intern unnötig hoch aufgebauter Drucksituation ohnehin nicht mehr gab, ist endgültig passé.

„Der eine oder andere wird jetzt wohl unruhig“, gab Präsident Roland Reime, neben Becker als einziger Vertreter der Führungsgremien in Köln dabei, einen ersten Einblick. Dass er damit vor allem Hauptgeldgeber Gerhard Lütje meinte, blieb unausgesprochen, liegt aber auf der Hand. Schließlich ist Reime im dreiköpfigen Präsidium (mit Becker und Wolfgang Schwenke), das die Entscheidungen fällt, auch in gewisser Weise das Sprachrohr des Aufsichtsrats. „Wir hatten besprochen, dass wir nach den ersten vier Spielen ein erstes Zwischenfazit ziehen“, erklärte der Präsident. „Das kann angesichts der Punktausbeute nicht positiv ausfallen.“

Zehn Punkte habe er sich im Optimalfall erhofft, sagte er und verdeutlichte: „Sieben oder acht wären auch in Ordnung gewesen. Jetzt haben wir vier.“ Reime ist sicher: „Die Mannschaft kann besser Fußball spielen.“ Gesehen hat man das nur teilweise. „Die Mannschaft hat das in den Spielen gegen Frankfurt und in der ersten Hälfte in Köln auch gezeigt, aber eben auch die nötigen Tore nicht gemacht.“

Ist das also das Aus für Neitzel, der 2014/15 immerhin für die erfolgreichste Holstein-Saison der letzten 40 Jahre verantwortlich war? Oder sitzt der Coach auch in den Spielen in Flensburg (SHFV-Pokal) und in 12 Tagen gegen Zwickau auf der Bank? „Ich gehe davon aus“, sagte Reime. „Allerdings wird jetzt auch das Pokalspiel umso wichtiger.“ Ein Pokal-Aus beim Regionalligisten könnte Neitzel vielleicht den Job kosten, auch eine Niederlage daheim gegen Aufsteiger Zwickau würde der 48-Jährige wohl kaum im Amt überleben, zumal nach diesem Spiel eine 15-tägige Länderspielpause folgt – gewöhnlich im Profifußball die wackligste Zeit für Trainerstühle, da für Suche und Einarbeitung eines Nachfolgers mehr Zeit als sonst verbleibt.

Vermutlich ist am Ende eben Becker der entscheidende Mann. Allerdings wird er vermutlich nur für einen Wechsel stimmen, wenn er von einer Weiterentwicklung der Mannschaft unter Neitzel nicht mehr überzeugt ist. Ganz abgesehen davon, dass er auch einen Nachfolger präsentieren müsste, dem man zutraut, es besser zu machen. Beides erscheint derzeit zweifelhaft. Denn warum sollte Neitzels Linie nach vier Spielen schon falsch sein, von der man ja offensichtlich noch vor wenigen Wochen überzeugt war? Ein Wechsel würde auch die Bosse nicht gut aussehen lassen

Zudem wird der in der Gerüchteküche als Lütjes Wunschkandidat gehandelte André Breitenreiter kaum zur Verfügung stehen – schließlich sitzt der Ex-Holstein-Spieler mit einem gut dotierten Schalke-Vertrag auf dem Karussell der Bundesliga-Trainer im Wartestand. Und ob ein Trainer auf dem Drittliga-Karussell – dort warten derzeit unter anderem Karsten Baumann (zuletzt Rostock), Karsten Heine (zuletzt Chemnitz), Ralf Loose (zuletzt Münster) oder Maik Walpurgis (zuletzt Osnabrück) – der Holstein-Führung ein besseres Gefühl geben könnte?

Die Mannschaft gibt sich von der Diskussion im Verein und im Umfeld übrigens unbeeindruckt. „Das lassen wir nicht an uns heran“, sagte Vizekapitän Tim Siedschlag. „Dazu sind wir als Team zu gefestigt.“ Neitzel selbst bleibt wenig anderes übrig als sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. „Es wird Alarm im Training geben“, kündigte er nach dem Spiel in Köln an und benannte auch die Hauptinhalte: „Uns fehlten in der zweiten Hälfte die Galligkeit und Zielstrebigkeit. Wir müssen an der Aggressivität arbeiten.“
Aufrufe: 015.8.2016, 18:00 Uhr
SHZ / Christian JessenAutor