2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview der Woche
"Wenn uns Deniz als Vorbild betrachtet, ist das schön, aber vermutlich sagt er das nur, um mich vor dem Derby einzulullen", meint Helmut Rahner (links, im Trikot des FC Liverpool) über seinen Kollegen beim NN-Redaktionsbesuch (Foto: Günther Distler).
"Wenn uns Deniz als Vorbild betrachtet, ist das schön, aber vermutlich sagt er das nur, um mich vor dem Derby einzulullen", meint Helmut Rahner (links, im Trikot des FC Liverpool) über seinen Kollegen beim NN-Redaktionsbesuch (Foto: Günther Distler).

"Helmut, du hast mich damals umgetreten"

Die Trainer Helmut Rahner und Deniz Yavuz im Interview vor dem Landesliga-Derby zwischen Buch und Dergahspor

Helmut Rahner kommt im Trikot des FC Liverpool in die NN-Sportredaktion. Warum, das kann er selbst nicht so recht erklären. Er zeigt auf die Club-Fahne, die irgendjemand an den Schrank gehängt hat: „Für die“, sagt Deniz Yavuz, „hast du doch mal gespielt.“ Rahner nippt an seiner Cola: „Da war der Club noch nicht so blockiert.“ Nein, er hatte ja einen im Maschinenraum, der mit Blutgrätschen die Gelenke ölte. Das ist lange her, jetzt trainiert der Ex-Profi erfolgreich den TSV Buch in der Landesliga. Nun muss Dergahspor ins Knoblauchsland fahren, das Derby steht an.
Coach Deniz Yavuz, der im Trainingsanzug gekommen ist und Mineralwasser trinkt, will gewinnen und nebenbei den Club türkischer Einwanderer umkrempeln. Sogar ein neues Logo zeigt er stolz herum. Noch heißt Dergahspor aber Dergahspor, wenn Yavuz am Sonntag auf Rahner trifft. Wir haben mit beiden gesprochen: Über das Derby, die Ziele und einen Tritt, den Yavuz nicht vergessen hat.

Herr Yavuz, Sie waren beim letzten Derby noch nicht Trainer von Dergahspor, haben Sie das Spiel trotzdem verfolgt, vielleicht als Zuschauer?

Deniz Yavuz: Nein, ich kann mich nur an ein Derby von vor sechs Jahren erinnern, als ich bei Dergah gerade den Feuerwehrmann gespielt habe. Damals haben wir unglücklich 3:4 verloren.

Dann haben Sie einiges verpasst. Nach dem Abpfiff ging es noch hoch her, Dergahs Sportvorstand Dieter Rebel wurde von einem Bucher Betreuer beleidigt — Herr Rahner, haben Sie diesmal Ihre Leute im Griff?

Helmut Rahner: Ach, das Thema ist aus der Welt.

Das heißt, Sie haben mit Dieter Rebel inzwischen die angekündigte Weißweinschorle getrunken?

Rahner: Ja, die Weißweinschorle haben wir inzwischen getrunken und damit ist das Thema erledigt. Wir müssen aufpassen, dass wir da nicht zu sehr ins Boulevardeske abdriften. Ich unterhalte mich lieber über Fußball und ich bin guter Dinge, dass man das mit dem neuen Trainer von Dergahspor auch gut kann. Obwohl das ja nicht ganz einfach ist, das Personal wechselt dort ja häufiger (lacht).

Yavuz: So sind Derbys eben, da geht es heiß her, ab und zu fällt vielleicht auch einmal ein unschönes Wort, aber nach dem Spiel gibt man sich die Hand und dann ist wieder alles gut.

Das klingt sehr harmonisch, die Rivalität zwischen Buch und Dergahspor ist aus der Welt?

Rahner: Nein, das nicht. Die Rivalität, oder vielmehr den sportlichen Wettkampf wird es zwischen den Vereinen immer geben, so lange wir in derselben Liga spielen. Aber wir sollten uns auf dem Spielfeld messen, nicht abseits des Platzes, da sind die Unterschiede zwischen den Vereinen doch sehr groß.

Inwiefern?
Rahner: Mein sportlicher Leiter, Matthias Leibold, ist ein eher ruhiger Vertreter. Ich kann langfristig planen und etwas entwickeln. Ich kann auch mal fünf Spiele in Folge verlieren, ohne dass ich gleich um meinen Job fürchten muss. Die Ruhe hat mein Kollege sicherlich nicht.

Yavuz: Da muss ich widersprechen. Ich habe vor meinem Antritt Dieter Rebel klargemacht, was möglich ist und was nicht.

Und was ist möglich bei Dergahspor?

Yavuz: Wir sind im Vergleich zu Buch ein sehr kleiner Verein mit relativ wenigen Mitgliedern. Wir müssen uns vor allem mit Hilfe privater Geldgeber finanzieren, wir haben keine Vereinswirtschaft, wir spielen auf einem öffentlichen Sportplatz. Wir kämpfen Jahr für Jahr um unsere Existenz, die auch durch Ahmeds und Mehmets Taschengeld finanziert wird.

Und durch Dieters Taschengeld.

Yavuz: Das auch, aber Dergahspor hat schon in der Landesliga gespielt, als Dieter Rebel sich noch nicht bei uns engagiert hat. Trotzdem glaube ich, dass sich jeder Verein so einen wie ihn wünschen würde, weil er sein ganzes Herzblut hineinsteckt und sich auch nicht zu schade ist, die Trikots zu waschen. Und er wird sich auch nicht in meine Arbeit einmischen, weil er weiß, was ich kann.

Da sind Sie sich sicher?

Yavuz: Ja, denn ich klebe nicht an meinem Stuhl. Wenn mir jemand blöd kommt, gehe ich eben. Ich habe keine Vorgaben und ich habe keinen Druck. Das Einzige, was ich nicht habe, sind Punkte, aber die holen wir uns dann eben am Sonntag in Buch. (lacht)

Zumindest hätten Sie die Punkte bitter nötig, Dergahspor steht trotz der Erfolge, seitdem Sie die Mannschaft übernommen haben, auf einem Abstiegsplatz.

Yavuz: Ja, aber ich bin mir sicher, dass die Mannschaft am Ende der Saison im oberen Drittel der Tabelle stehen wird, dafür hat die Mannschaft genügend Qualität. Wir wollen dorthin, wo Buch jetzt steht.

Also ist Buch die Nummer zwei in Nürnberg hinter dem Club.

Rahner: Ach, das mit der Nummer zwei geht eher auf einen flapsigen Spruch zurück. Das ist für mich nicht entscheidend, ich will einfach einen Verein entwickeln. Wenn uns Deniz als Vorbild betrachtet, ist das schön, aber vermutlich sagt er das nur, um mich vor dem Derby einzulullen.

Yavuz: Nein, das meine ich völlig ernst. Ich habe großen Respekt davor, was du in den vergangenen zwei Jahren in Buch erreicht hast.

Rahner: Wir versuchen eben kontinuierlich voranzukommen. Wenn wir einen neuen Platz oder Flutlicht brauchen, wird das inzwischen umgesetzt. Das braucht seine Zeit, aber es tut sich was. Und wenn die Jungs sagen, dass sie vier Wochen lang den Ball nicht treffen, weil Kirchweih ist, dann ist das auch in Ordnung.

Yavuz: Ich habe bei meinem Amtsantritt den Verantwortlichen bei Dergah einen Fünfjahresplan vorgelegt. Ich wollte nicht wieder nur den Feuerwehrmann spielen, ich möchte etwas Nachhaltiges aufbauen.


Szene aus dem Vorjahresderby. Am Sonntag findet es wieder statt, das Duell um die Nummer 2 in Nürnberg. F: Zink

Was steht in diesem Plan?

Yavuz: Ich werde nie vergessen, was Helmut Hack bei der Spielvereinigung alles bewegt hat, weil ich bei seinem Antritt damals noch in Fürth gespielt habe. Er wollte ein modernes Stadion und ein Nachwuchsleistungszentrum aufbauen. Der Mann hatte eine Vision und er hat es geschafft, sie in zehn Jahren umzusetzen. Inzwischen spielen viele aus dem Fürther Nachwuchs in der zweiten oder sogar in der ersten Bundesliga. Auch bei Dergah würde ich gerne eine Jugendakademie etablieren, denn wir brauchen gute Nachwuchsspieler, sonst müssen wir sie weiterhin für viel Geld holen.

So eine Jugendakademie kostet allerdings auch viel Geld.

Yavuz: Ja, aber gerade die türkischen Unternehmer in dieser Stadt wollen sich gerne engagieren, wenn sie sehen, dass bei uns sauber gewirtschaftet wird.

In Buch ist die Situation eine ganz andere.

Rahner: Definitiv. Wir haben ja fast schon zu viel Nachwuchs. Beim TSV habe ich einen festen Stamm von Spielern, diese Generation ist ein großes Glück für einen kleinen Verein, aber es gibt natürlich auch viele Spieler, die ihr ganzes Leben bei Buch waren, die für die Landesliga dann aber nicht gut genug sind.

Ganz ohne Verpflichtungen von anderen Vereinen wird man in der Landesliga auf Dauer nicht mithalten können.

Rahner: Durch die Kontakte aus meiner Zeit beim Club konnte ich noch ein paar gute Spieler von außen dazu holen, die sich gut integriert haben. Aber natürlich stellt sich irgendwann die Frage, was man mit einem guten Spieler von Dergahspor macht, der gerne zu uns kommen würde. Läuft das dann wie bei Liverpool, wo Jahrzehnte keiner aus Manchester verpflichtet wurde?

Kann sich Buch umgekehrt auch etwas von Dergahspor abschauen?

Rahner: Gute Frage. Der Verein ist zumindest immer in aller Munde, das muss man auch erst einmal schaffen. Mir wurde der Trainerposten dort ja auch schon einmal angeboten und es ist sicherlich ein reizvoller Verein, aber jetzt muss es ihnen eben auch mal gelingen, das umzusetzen, was sie ankündigen. Entscheidend ist, wie man intern kommuniziert und wie schnell man Dinge umsetzt. Vielleicht gelingt das ja mit Deniz Yavuz.

Apropos interne Kommunikation: Wie viel bringt es denn dem Trainer Helmut Rahner, dass er vorher selbst Profi war?

Rahner: Ich habe in der Bundesliga gespielt, natürlich hilft das. Aber ich glaube, die Lehrgänge und der Trainerschein haben auch nicht geschadet.

Yavuz: Ich habe keinen A- und keinen B-Trainerschein und ich glaube auch, dass es bei jungen Erwachsenen auch ohne funktioniert. Ich habe Unternehmen mit bis zu 150 Mitarbeitern geführt, ich weiß, wie man mit Menschen und wie man mit Problemen umgehen muss.

Und wie muss man mit Problemen umgehen?

Yavuz: Ich will, dass die Jungs sich fair verhalten, das ist bei mir das Wichtigste. Wenn das nicht der Fall ist, gehen sie duschen, auch ohne Rote Karte des Schiedsrichters. Ich habe meinen Jungs gesagt, dass wir Botschafter sind, vielleicht sogar für eine ganze Nation, da wir immer noch als türkischer Verein wahrgenommen werden, obwohl in unserer Mannschaft inzwischen neun verschiedene Nationen vertreten sind. Vielleicht sollten wir deshalb auch einmal über eine Namensänderung nachdenken.

Dergahspor wird nicht mehr Dergahspor heißen?

Yavuz: Vielleicht. Ich habe dem Vorstand ein Konzept vorgelegt, das gut aufgenommen wurde, jetzt müssen natürlich auch die Mitglieder davon überzeugt werden. Ich hätte da einen passenderen Namen und ich habe sogar schon ein Logo entworfen (Deniz Yavuz zeigt ein Vereinsemblem auf seinem Handy herum).

FC Internationale Nürnberg?

Yavuz: Genau. Kurz „Inter“, so wie Inter Mailand. So könnte der Verein einmal heißen. Vielleicht heißt es dann auch nicht mehr „Die Türken kommen“, wenn wir in die Oberpfalz fahren. Zumal wir inzwischen wie gesagt aus vielen Ländern Spieler haben und die Deutschen sind sogar die technisch begabtesten.

Sind die Bucher Jungs auch technisch begabt oder folgen sie eher der früheren Spielweise ihres Trainers?

Rahner: Na ja, bei mir als Spieler war das früher die Patsch-Patsch-Nummer, meiner Mannschaft würde ich aber durchaus gute technische Fähigkeiten attestieren. Wobei ich glaube, dass das kampfbetonte Spiel auch wieder zurückkommt. Inzwischen ist vielleicht alles ein bisschen zu viel Schnuppi-Schnuppi, jetzt sind wieder die alten Tugenden gefragt.

Haben Sie zu Ihrer aktiven Zeit eigentlich irgendwann einmal gegeneinander gespielt?

Yavuz: Ja, einmal in einem Testspiel zwischen dem BSC Erlangen und dem Club. Es war ein Freitagabend, wir haben 0:1 verloren, weil Martin Driller einen Ball reingestolpert hat.

Rahner: Tatsächlich? Ich kann mich daran nicht mehr erinnern.

Yavuz: Ich mich schon, Helmut, du hast mich damals ordentlich umgetreten, das habe ich nicht vergessen.

Aufrufe: 010.10.2014, 22:18 Uhr
Ch. Benesch / S. Gloser Autor