2024-05-22T11:15:19.621Z

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Freistoßspray, eingesetzt im WM-Spiel Südkorea - Algerien F: Images
Freistoßspray, eingesetzt im WM-Spiel Südkorea - Algerien F: Images

Das Spray für alle Fälle

Pro und Kontra zum Freistoßspray

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Über das aktuell bei der WM eingesetzte Freistoßspray scheiden sich die Geister. Benjamin Kraus und Johannes Kapitza haben jeweils Ihre Sicht zum heiß diskutierten Freistoßspray dargestellt.

Pro Freistoßspray: Das Ende der Trickserei

Von Benjamin Kraus

Wer selbst Fußball spielt oder für eine Mannschaft fiebert, weiß, wie sehr die Tricks des Gegners nerven können: Freistoßschützen, die im Rücken des Schiedsrichters den Ball vor der Ausführung weiter nach vorn legen. Mauersteher, die sich nur widerwillig nach hinten dirigieren lassen und, wenn ihr Team in Führung liegt, noch eine Debatte mit dem Schiedsrichter über den Abstand anzetteln – gerne auch, um wieder etwas Zeit von der Uhr zu nehmen. Und dann, wenn der Schiedsrichter die Mauer gestellt hat, der Trick, auf den Zehenspitzen zu trippeln – was man nicht nur dazu nutzen kann, die Mauer zu erhöhen, sondern auch, um sich langsam, aber sicher nach vorn zu bewegen, um dem Schützen den Winkel zu verkürzen. Seit der WM ist Schluss damit: durch das Freistoßspray.

Die Lage des Balls wird per Halbkreis markiert, der Mindestabstand der Mauer mit einer Linie gekennzeichnet, Debatten sind obsolet, Verstöße dagegen werden sofort für alle sichtbar. Nicht einmal der Fortgang des Spieles wird gestört, weil die provisorischen Linien bald wieder verschwinden. Wer also kann ernsthaft etwas gegen das Hilfsmittel haben?

Sprüche gegen das Spray zielen oft in eine unsachliche Richtung: Es sehe lächerlich aus, wenn der Schiedsrichter damit hantiert, als Folge werde seine Autorität beschädigt. Das hätte auch gegen die Zulassung von Pfeifen, Karten oder Fahnen als Handwerkszeug für Schiedsrichter gesprochen und kann leicht mit dem Hinweis entkräftet werden, dass sich alle daran gewöhnen, wenn es sich mal durchgesetzt hat.

Und wer argumentiert, dass die Spieler ungeachtet aller Linien auf dem Boden weiter ihre Tricks anwenden, dem sei gesagt, dass das Problem dann nicht beim Freistoßspray liegt. Sondern bei Schiedsrichtern, die glauben, mit dem Ziehen der Linien sei alles getan. Hier müssen die Referees erkennen, dass sie nun gigantische Möglichkeiten haben, Verstöße viel konsequenter zu ahnden. Denn seit der Einführung des Freistoßsprays sind sie offensichtlich, für jeden Spieler und jeden Fan.

Kontra Freistoßspray: Schaumschlägerei

Von Johannes Kapitza

Haben Sie Belgiens erstes Gruppenspiel gegen Algerien gesehen? Die Szene, als der mexikanische Schiedsrichter Marco Rodriguez die Sprühdose zückte und vor dem Ball einen absurden Hügel aus Kunstschnee auftürmte? Da war Algeriens Abwehrmauer nur eins von zwei Hindernissen für den belgischen Freistoßschützen.

Selbst wenn sich viele Unparteiische als filigrane Sprayer erweisen: Der Rasierschaum wäre im Gesicht einiger Spieler besser aufgehoben als auf dem Rasen. Was kommt als Nächstes zum Einsatz: das Zentimetermaß? Denn 9,15 Meter, die mindestens zwischen Ball und Mauer liegen müssen, lassen sich auch mit einem Spray nur unzureichend exakt abbilden. Abgesehen davon, dass noch nie ein Schiedsrichter genau nachgemessen haben dürfte. Selbst 9,15 Meter sind Ermessenssache, die nun also noch gestenreich auf dem Rasen markiert werden. Es ist reine Schaumschlägerei.

Früher kosteten Diskussionen mit den Spielern Zeit, heute ist es der Sprühvorgang. Schneller wird das Spiel durch das Spray nicht. Besser auch nicht. Ohne eine Moraldebatte über Ehrlichkeit und Fair Play eröffnen zu wollen: Die Fußballer versuchen weiterhin, jeden Millimeter gutzumachen. Wie ist das zu ahnden? Mit anschließender Kontrolle und einer Gelben Karte, wenn weißer Schaum an der Schuhspitze klebt?

Kleinlicher ginge es nicht. Spätestens, wenn der erste Spieler auf dem Schaum ausgerutscht ist und sich verletzt hat, wird hoffentlich endlich jemand fragen: Wem dient das Spray eigentlich? Nur der Freistoßspray-Branche, die sich angesichts des zu erwartenden Umsatzes schon mal die Hände reiben darf. Weniger erfreulich: Für eine Schnapsidee sind wertvolle Rohstoffe verbraucht und in Form von Sprühdosen gepresst worden – womöglich nicht mal wiederbefüllbar, sondern am Ende: Müll.

Einziger positiver Aspekt: Das Spray ist biologisch abbaubar und verschwindet nach einiger Zeit wieder von selbst – hoffentlich nicht nur auf dem Platz, sondern nach dem Turnier auch in der Tiefe des Raumes.

Info zum Freisoßspray

Das Spray soll dem Unparteiischen dabei helfen, dass alle Spieler bei Freistößen die vorgeschriebene Distanz (9,15 Meter) zum Schützen einhalten. Der Schiedsrichter markiert damit die Stelle, an der der Freistoß ausgeführt wird, und die Linie, die die Spieler in der Mauer nicht übertreten dürfen. Der auf den Rasen gesprühte Schaum löst sich innerhalb von 20 Sekunden bis zwei Minuten wieder auf und besteht zu 80 Prozent aus Wasser sowie aus Butangas, Tensiden und anderen Substanzen. Die Idee zu dem Spray soll dem Amateurfußballer Pablo Silva gekommen sein, als eine – in drei Meter Entfernung postierte – Mauer ein Tor von ihm verhinderte. Das Spray wurde in der argentinischen und der mexikanischen Liga getestet, bevor es die FIFA bei internationalen Turnieren zum Einsatz brachte.

Aufrufe: 024.6.2014, 09:30 Uhr
Benjamin Kraus & Johannes Kapitza / Neue OsnabrückAutor