Tackling erklärt ungefähr die Hälfte aller Sportverletzungen während eines Fußballspiels. Viele Zeitschriften berichten, dass ein Großteil der verletzten Spieler die Angreifer sind, das deutsche Ärzteblatt schreibt in der Ausgabe 22/2014: „Abwehrspieler unterliegen den größten Verletzungsrisiko“. Na also wer denn jetzt? Feststeht, dass Risse des vorderen Kreuzbandes oft ganz ohne äußere Einwirkungen auftreten (im Fachjargon: „non-contact-Mechanismen“). Bei Eurem Lieblingssport sind nun mal Manöver wie plötzliches Abbremsen, verlanden des Körpergewichtes und Körperdrehungen äußerst gefragt. Da kann es passieren, dass die Kreuzbänder auf besonderer Weise belastet werden. Strapazieren die wirkenden Kräfte die Elastizität der Kreuzbänder über, geben sie nach und reißen schlimmstenfalls.
Grundsätzlich können unphysiologische, also komische Bewegungen im Knie immer zu Verletzungen führen. Sie sind sehr unterschiedlich, einige mögliche Verletzungsszenarien hier für Euch zusammengefasst:
vorderer Kreuzbandriss kann passieren durch:
Ergibt sich aus den Untersuchungen der Verdacht auf einen Kreuzbandriss wird entweder frühzeitig oder erst nach einer massiven Schwellung eine Kernspintomographie (MRT) gemacht. Diese deckt letztendlich auch Begleitverletzungen, wie einen Meniskusschaden oder Seitenbandläsionen auf. Das MRT ist Ausgangsbasis für eine Therapieplanung.
Bitte denkt noch am Spielfeldrand an die erste Hilfe nach dem PECH- Schema:
P = Pause (Schonung, Abbruch der körperlichen Aktivität)
E = Eis (Kühlung der betroffenen Region)
C = Compression (Anlegen eines Druckverbandes)
H = Hochlagerung der betroffenen Extremität
Wendet man diese Methode gewissenhaft an, wird die Verletzung in vielen Fällen deutlich eingedämmt. Sucht, wenn ihr schlimmeres vermutet ein Krankenhaus auf.
Ist das Kreuzband tatsächlich gerissen, dann heilt es nicht von selbst wieder zusammen. Wird nicht oder zu spät behandelt, werden die anderen Strukturen im Knie (Kapsel, Innenband, Innenmeniskus) stark beansprucht. Die Muskulatur (vor allem der M. quadriceps femoris) wird geschwächt und im Laufe der Zeit kommt es zu einer Gonarthrose (Kniegelenksarthrose). Das Bein kann nicht mehr voll belastet werden, der Knorpel nimmt Schaden. Um das zu verhindern ist eine zeitnahe Behandlung notwendig.
Dr. med. Alex: „Der Kreuzbandriss führt zu einer erheblichen Störung des Kniehalteapparates. Neben der mechanischen Stabilisierung befinden sich auch Nervenrezeptoren im Kreuzband die zur aktiven und muskulären Sicherung des Kniegelenks beitragen. Werden die Kreuzbänder geschädigt, kommt es zu einer Störung der Kinematik des Kniegelenks, bekannt auch als Schubladenphänomen. Die Folge sind unkontrollierte Bewegungen aufgrund unzureichender Sicherung und vorzeitiger Abrieb des Gelenkknorpels, samt Folgeschäden wie Meniskusverletzungen.
Nach festgestelltem Kreuzbandschaden ist in der Regel eine Versorgung in minimalinvasiver Technik (Anm. d. Red.: Das ist ein möglichst schonendes Operationsverfahren mit kleinen, wenigen Schnitten) erforderlich. Hierzu wird körpereigenes Sehnenmaterial (z.B. des M. semitendinosus) benutzt, um einen Ersatz des Kreuzbandes herzustellen. Jedweder Ersatz kann nie so gut sein, wie die ursprüngliche unverletzte Anatomie des Kniegelenks.“
Die erste Zeit nach der OP oder im Rahmen einer konservativen Therapie wird das Knie mit einer Orthese geschient. Warum das wichtig ist berichtet uns am kommenden Mittwoch Judith Schröder. Sie ist Orthopädiemechanikerin in Rheine und erzählt uns von Behandlungsmöglichkeiten, Orthesen, Bandagen und dessen Funktionen. Zudem wird sie als Expertin Ratschläge geben, wie ihr Euch nach einer Verletzungspause und bei Wiedereingliederung in den Trainingsalltag verhalten könnt.
Eine nicht- operative (konservative) Therapie wird gewählt, wenn das Ausmaß der Verletzung es im individuellen Fall erlaubt. Beispielsweise dann, wenn man sportlich nicht mehr aktiv ist.
OP überstanden, Schiene ab in den Schrank? Sami Khedira hat nach zirka sechs Monaten das Training wieder aufgenommen. Bei Amateuren vergehen nicht selten zwölf Monate. Einflüsse auf eine schnelle, wirksame Reha sind vielfältig. Dennoch könnt Ihr sie selbst durch Ehrgeiz und Motivation positiv beeinflussen. Mögliche Hürden:
Ein wichtiger Ratschlag von Dr. med. Asche: „Ist die Kniestabilität nicht mehr vollständig gegeben, unterliegt das Knie einer vermehrten Belastung. Erhöhtes Körpergewicht oder höheres Lebensalter steigern die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Knie- Gelenkverschleißes (Gonarthrose). Nach einer Kreuzbandruptur stellt sich für den Amateurfußballer die wichtige Frage, womit er sein Geld verdient. Es gilt der Satz: Viel Bewegung, wenig Belastung. Alternative Sportarten sind für den Fußballer mit zunehmenden Lebensalter zu prüfen.
Der Kreuzbandriss erfordert insgesamt eine lange Heilungszeit, benötigt wohl überlegte Rehabilitierungstechniken, um die normale Kniefunktion wiederherzustellen und ein Fußballspieler sollte abwägen, ob er seinem Sport nach der Verletzung weiterhin nachgeht.
Gesundheits- und Fitnessexperte Nico Beator gibt Tipps worauf zu achten ist:
„Worauf sollte ein Spieler nach einem Kreuzbandschaden beim Fitnesstraining achten?“
Nico Beator: „Grundsätzlich sind isolierte Streckungen des Unterschenkels im offenen Übungssystem (z. B. Beinstreckmaschine im Studio) in den ersten Monaten nach der Operation zu vermeiden. Als erste Maßnahme sollte ein Kniestabilisierungstraining (Gleichgewichts- und sensomotorische Übungen, z. B. Einbeinstand auf instabilem Untergrund) durchgeführt werden. Ein wesentlicher Schwerpunkt sollte dann in dem Auftrainieren der Beinbeugemuskulatur gelegt werden, da diese das vordere Kreuzband in seiner Funktion bei der Verhinderung der „vorderen Schublade“ unterstützt. Die Oberschenkelmuskulatur (Quadrizeps) ist nach einer OP erheblich geschwächt und Aufgrund langer Inaktivität atrophiert (abgebaut). Von daher ist ein wesentliches Ziel des rehabilitativen Trainings, die Kräftigung der knieumgebenen Muskulatur, besonders der Oberschenkelmuskulatur (Quadrizeps) und wie schon oben erwähnt, der Beinbeugemuskulatur (ischiocruralen Muskelgruppe).“
„Einer deiner Kunden wurde am Knie- oder Sprunggelenk operiert, wann beginnt ihr wieder mit dem Training? Und passt Du es individuell an?“
Nico Beator: „Nach einer Operation muss zunächst Absprache mit dem behandelnden Arzt gehalten werden und es gilt die Wundheilung zu berücksichtigen. In der 2. bis 3. Woche nach der OP befindet sich die Wundheilung in der so genannten Proliferationsphase (Neubildung von Bindegewebe). Hier kann bereits eine physikalische Therapie und z. B. ein propriozeptives Training (sensomotorische Gleichgewichtsübungen) aufgenommen werden. Je nach Genesungsverlauf der Person, kann nach der 3. bis zur 8. Wochen nach der OP ein sukzessiver Belastungsaufbau im schmerzfreien Bereich durchgeführt werden. Das bradytrophe- (durchblutungs- und gelenkflüssigkeitsfördernde Training) sowie das Kraftausdauertraining ist hierbei umzusetzen. Nach etwa 2 Monaten befindet sich die Wundheilung in der s. g. Umbauphase (vollständige Regeneration des Gewebes), die bis zu einem Jahr dauern kann. Hier sollte dann ein Muskelaufbau- sowie darauf aufbauendes neuromuskuläres Training auf dem Fitnessprogramm stehen. Im weiteren Verlauf gilt es dann, wieder das sportartspezifische Fußballtraining zu integrieren.“
Dr. med. Asche: „Der Sportler ist nur in der Lage seine Leistung abzurufen, wenn Körper und Geist miteinander in Einklang stehen und alle körperlichen Systeme funktionieren: der Bewegungsapparat, das Herz- Kreislauf System, der Stoffwechsel und das Atmungssystem.“
Vorbeugungsmaßnahmen sind ganz entscheidend. Insbesondere, was Koordination, Kraft und Beweglichkeit angeht. Die Vorbeugung von Verletzungen soll während des ganzen Jahres in das Trainingsprogramm eines Sportlers integriert sein, denn hochwertiges Training heißt weniger Belastung für den Körper.
Konkrete Übungen zur Vorbeugung
Bei Übungen zur Prävention ist wichtig, sie regelmäßig in den Trainingsalltag einzubauen und sich daran zu gewöhnen. Sie sollten Bewegungen beinhalten, die die Verletzungsmuster auf kontrollierte Weise nachahmen. Der Bewegungsapparat gewöhnt sich an solche Anforderungen und kann dazu beitragen im Ernstfall das Risiko eines Kreuzbandrisses zu minimieren. Das Trainieren mit Wackelbrettern übt z.B. das reflektorische Ausgleichsbewegungen gemacht werden. Auch FIFA 11+, ein speziell entwickeltes Konzept zur Verletzungsprävention, verfolgt u.a. diesen Aspekt: http://f-marc.com/11plus/ubungen/.
Die Geschwindigkeit der Übungen muss variieren um effektiv zu sein. Das ist wichtig, damit die Muskulatur die angesprochen Tiefensensibilität und reflexartiges Reagieren untermauert.
Beim Krafttraining ist darauf zu achten, dass auf einen andauernden Wechsel von Druck und Entlastung verzichtet wird. Knietraining mit Expandern ist daher nur bedingt zu empfehlen. Als Prinzip optimaler Leistungsfähigkeit gilt ein Zusammenspiel von Elastizität der Sehnen, in Verbindung mit einer ausgewogen gut trainierten Muskulatur.
Abschließend drei konkrete Beispiele zur Veranschaulichung: