2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
Die Buben und Mädels sollen niemals aufgeben. Erst recht nicht nach Niederlagen oder Enttäuschungen. Gerade hieraus können sie für ihr Leben am meisten lernen.Manni Schwabl, Präsident der SpVgg Unterhaching und Schirmherr des Merkur CUPs
Die Buben und Mädels sollen niemals aufgeben. Erst recht nicht nach Niederlagen oder Enttäuschungen. Gerade hieraus können sie für ihr Leben am meisten lernen.Manni Schwabl, Präsident der SpVgg Unterhaching und Schirmherr des Merkur CUPs – Foto: Brouczek

Buch der Werte: Zu viel Ernst im Kinderspiel

Ein Beitrag aus dem Buch der Werte

Im Buch der Werte werden Themen wie Toleranz, Gerechtigkeit und Respekt behandelt. Hier ein Beitrag zu einem jungen Kicker, der mit einem Schiedsrichter hadert.

Würmtal – Manchmal ist die Welt wahnsinnig kompliziert. Sogar der Fußball. Vor allem der Kinderfußball. Wie soll ein Achtjähriger auch verstehen, dass er den Strafstoß erst ausführen darf, wenn der Schiedsrichter per Pfiff den Ball freigegeben hat. Und weil Kinder Fußball spielen und nicht Regeln lernen wollen, kommt es manchmal zu diesen kleinen oder auch größeren Tragödien, wo wir dann Mühe haben, den Kindern zu erklären, dass alles schon irgendwie seinen Sinn hat, auch wenn wir ihn manchmal selbst nicht ganz verstehen. „Der Schiedsrichter hat immer recht“, sagen wir schließlich. Merken aber, dass diese Aussage weder uns noch die Kinder so richtig befriedigt. Ach, was wissen Schiedsrichter schon von den kleinen oder größeren Tragödien, die sie auslösen. Sie streicheln dem weinenden Kind kurz übers Haar und denken, das sei gleich wieder gut. Von wegen.

Elfmeterentscheidung nagt an dem F-Jugendspieler

Neulich erst sind wir noch ewig am Bett des Buben gesessen und haben versucht, Antworten zu finden auf all die Fragen, mit denen er uns löcherte. Da hatte er allen Mut zusammengenommen und den Strafstoß sicher verwandelt, als der Schiedsrichter wild zu fuchteln begann und anordnete, dass er wiederholt werden müsse. Es war zwar alles bereit gewesen, nur eben hat der Pfiff gefehlt, der kurze Pfiff, mit dem der Schiedsrichter laut Regeln den Ball freizugeben hat. Ein bisschen kleinlich haben wir die Entscheidung schon auch gefunden, schließlich ist es ein F-Jugendspiel gewesen und nicht das WM-Finale. Der zweite Versuch ist dann natürlich danebengegangen. Und die Angst des Schützen vor dem Siebenmeter, die er mit dem ersten geglückten Versuch abgeschüttelt zu haben glaubte, war plötzlich wieder da. Stärker als zuvor. Und nagt nun an der kindlichen Seele.

Dicke Tränen statt strahlendem Lächeln

Dicke Tränen sind über die Wangen gerollt. Statt mit strahlenden ist er mit stark geröteten Augen nach Hause zurückgekehrt, voller Zweifel über die Gerechtigkeit dieser Welt und insbesondere der Schiedsrichter. Und auch wir haben uns gefragt, ob es wirklich sein muss, schon bei den jüngsten Fußballern penibel auf die Regeln zu achten. Was ist schon dabei, wenn ein kleiner Torhüter auf dem glatten Hallenboden mal mit dem Ball knapp über die Strafraumgrenze hinausrutscht, was, wenn der Abstoß nicht ganz richtig ausgeführt wird, was, wenn der Siebenmeter von einem aufgeregten Kind ein bisschen zu schnell geschossen wird. Lasst doch die Kinder einfach spielen.

Sind die Eltern das Problem?

Doch wir müssen die Schiedsrichter in Schutz nehmen. Draußen nämlich stehen die Eltern, für die Kinderfußball kein Kinderspiel mehr ist, die ihren Nachwuchs als Vertreter für eigene unerfüllte Wünsche zum Fußball delegiert haben, denen der Erfolg über alles geht – schon bei den F-Junioren. Und die eine lockere Auslegung der Regeln mit wütenden Protesten quittieren würden. Wir haben nach dem Endspiel Väter erlebt, die, durch eine strittige Entscheidung derart in Rage gebracht, fast handgreiflich geworden wären.

Und als wir so am Bett des Buben saßen, ging uns durch den Kopf, ob nicht wir Eltern es sind, die die Kinder immer wieder in diese kleinen, manchmal auch größeren Tragödien stürzen. Der Druck, die Erwartungen sind groß, oft zu groß für die Kinder. Wir Erwachsenen müssen den Kinderfußball wieder als Kinderspiel begreifen, dürfen ihn nicht zur Prestige-Angelegenheit machen, zur Spielwiese unserer Eitelkeiten. Die Kinder sollen Fußball spielen. Sie sollen gewinnen, sie sollen verlieren. Aber nicht mit verheulten Augen nach Hause kommen.

(“Reinhard Hübner“)

Aufrufe: 013.8.2020, 10:19 Uhr
Münchner Merkur (Würmtal) / Reinhard HübnerAutor