2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines

"In Gladbach können alle in Ruhe arbeiten"

Der 72-jährige Ex-Borusse Horst Köppel spricht über das Pokalspiel der beiden Klubs, für die er spielte.

Horst Köppel kam 1968 vom VfB Stuttgart zu Borussia, später wechselte er noch mal für zwei Jahre zurück zu den Schwaben, um dann wieder Borusse zu werden. Am Mittwoch (20.45 Uhr/ARD und Sky) treffen die beiden Klub aufeinander. Im Interview spricht der 72-Jährige über das Pokalspiel, den Status quo beider Klubs und die Liste seiner Lieblingsklubs.

Herr Köppel, wie geht es Ihnen?

Köppel Gut soweit. Ich habe gerade die erste meiner zwei täglichen Einheiten auf dem Spinning-Rad hinter mir. Generell versuche ich mich nicht mit Corona anzustecken und bin deswegen meistens zu Hause. Da hat man viel Zeit. Zuletzt bin ich gedanklich noch mal alle Stationen meiner Karriere als Spieler und Trainer durchgegangen. Ich habe viel erlebt, war in Deutschland, Kanada, Österreich, Japan und den Emiraten beschäftigt, war DFB-Trainer. Im Nachhinein muss ich sagen: Es war alles gut wie es war, auch wenn ich oft rausgeflogen bin. Das gehört zum Trainergeschäft dazu. Ich glaube, ich kann mich überall noch sehen lassen.

Haben Sie für sich eine Rangfolge ihrer Klubs?

Köppel Gladbach steht ganz vorn, eindeutig. Dann der VfB, Borussia Dortmund und Bielefeld. Bei Arminia hatte ich auch eine sehr gute Zeit. Wir waren sogar zwischendurch Tabellenführer.

Nun treffen zwei Ihrer Ex-Vereine im Pokal aufeinander: Gladbach und der VfB. Zu wem halten Sie?

Köppel Normalerweise halte ich zu beiden, aber wenn sie gegeneinander spielen, doch eher zu Gladbach. Ich lebe seit 53 Jahren hier, habe bei Borussia die meisten Spiele gemacht, die größten Erfolge gefeiert und war hier Trainer, sowohl bei den Profis als auch bei der U23. Dem VfB habe ich auch viel zu verdanken, dort bin ich Profi geworden und hatte auch zweimal eine gute Zeit.

Kurios ist: Sie haben für Gladbach 50 Tore in 216 Spielen gemacht, beim VfB 48 Tore in 136 Spielen.

Köppel (lacht) Bei Borussia hatten wir zig Torjäger, da hat sich alles auf viele Schultern verteilt. In Stuttgart war ich immer der, der die Tore gemacht hat, als ich dort spielte. Ich war Linksaußen und konnte immer wieder von außen in die Mitte ziehen, um dann abzuschließen, das war ein typischer Move von mir, wie man heute sagen würde.

Wie gefallen Ihnen die aktuellen Gladbach-Stürmer?

Köppel Die machen es alle sehr gut, Alassane Plea hat viel Torinstinkt, auch er zieht gern von außen nach innen, um dann die lange Ecke anzuvisieren. Marcus Thuram ist immer aktiv. Und Lars Stindl ist enorm wichtig für das Team. Er ist ein starker Kapitän, geht mit Leistung voran und hat die Anerkennung aller Spieler, so kommt es jedenfalls rüber. Borussia ist insgesamt in der Offensive gut aufgestellt.

Wer ist im Pokalspiel Favorit?

Köppel Es spricht vieles für Borussia. Die Gladbacher sind gut drauf. Gerade im Pokal hilft es normalerweise, im eigenen Stadion zu spielen. Das würde für den VfB sprechen. In der aktuellen Situation ohne Fans ist es aber kein Vorteil, Heimrecht zu haben. Das zeigen die Ergebnisse immer wieder.

Stuttgart ist aber sportlich eine positive Überraschung in dieser Saison.

Köppel Auf jeden Fall. Ich denke, der VfB wird als Aufsteiger mit dem Abstieg nichts zu tun haben. Das Team mit dem jungen Trainer gefällt mir, er lässt Power-Fußball spielen und es gibt einige vielversprechende junge Spieler. Ob es mal wieder für weit oben reicht, weiß ich nicht, aber die Entwicklung ist positiv und es geht ja auch erst mal darum, sich zu stabilisieren. Der interne Zoff, den es da gibt, der ist jedoch sehr ärgerlich. Es wäre gut, das in den Griff zu kriegen. Denn so ein Streit im Klub beschäftigt eine Mannschaft irgendwie doch, es ist ja letztlich auch für die Spieler wichtig, was da passiert. Man muss aufpassen, dass es nicht auch zu einer sportlichen Krise führt. Es ist immer wichtig, dass Ruhe und Ordnung im Verein besteht. Was das angeht, ist Gladbach das beste Beispiel. Präsident Rolf Königs hat den Laden im Griff, alle können in Ruhe arbeiten. Das ist ein Erfolgsgeheimnis der Borussen.

Der FC Bayern ist raus, kann Gladbach den Pokal holen?

Köppel Da fragen Sie mich was. Da müsste ich ja in die Glaskugel schauen. Aber sicherlich gehört Borussia zu den Klubs, denen man das zutrauen kann.

Sie haben Erfahrung mit dem Pokalsieg.

Köppel Als Spieler haben ich den Pokal leider nie geholt. Als Borussia 1973 das Finale gegen Köln gewonnen hat, war ich gerade wieder in Stuttgart. Ich habe das Spiel im Urlaub in St. Moritz gesehen.

Den DFB-Pokal haben Sie trotzdem gewonnen: als Trainer mit Borussia Dortmund im Jahr 1989. Es war der erste Titel-Triumph des BVB seit 1966. Dieser Pokalsieg war ein Startpunkt für den Aufschwung der Dortmunder seit den 1990er Jahren.

Köppel Stimmt, als ich noch Spieler in Gladbach war, stellte sich die Frage nicht, welches die größere Borussia war. Wir haben meistens beide Spiele gegen den BVB gewonnen. Inzwischen ist der BVB an Gladbach vorbeigezogen, vor allem seit dem Champions-League-Sieg 1997. Wobei die niederrheinische Borussia den Abstand zuletzt wieder deutlich verringert hat in meinen Augen. Aber ja, der Pokalsieg war tatsächlich ein Wendepunkt in Dortmund, er war sehr wichtig für den Klub. Das sehen die Leute beim BVB heute auch noch so. Norbert Dickel war der Held mit seinen drei Toren. Er wurde nach dem Halbfinale noch operiert, kam dann sechs Wochen später im Endspiel zurück und machte ein großes Spiel. Wenige Jahre vorher war Dortmund noch in der Relegation und ist fast abgestiegen, erst im dritten Spiel hat sich der BVB gegen Fortuna Köln durchgesetzt.

Was gehört dazu, den Pokal zu gewinnen?

Köppel Es sind ja nur wenige Spiele bis zum Titel, das macht es grundsätzlich einfacher als in der Liga mit 34 Spielen. Aber ein wichtiger Grundstock ist das Losglück. Wir hatten 1989 vor allem Heimspiele. Nur einmal mussten wir reisen – zu Schalke 04, das damals Zweitligist war. Im Halbfinale haben wir dann den VfB besiegt. Wichtig ist neben dem Losglück die Tagesform, man muss auf den Punkt bereit sein in den Spielen. Das waren wir damals, insbesondere im Endspiel gegen Bremen.

Mit dem 4:1 haben Sie Gladbach aus dem Uefa-Cup geschossen.

Köppel Richtig. Das war schade für Borussia, aber wir konnten darauf keine Rücksicht nehmen.

Haben Sie noch Kontakte zum BVB mal nachgefragt, was mit Borussias Trainer Marco Rose wird? Er ist beim dort im Gespräch.

Köppel Nein, ich habe noch nichts gehört. Bei solchen Themen mauern alle, Sie kennen das. Ich könnte Nobby Dickel anrufen, aber was würde er sagen? Wenn ich Rose wäre, würde ich noch in Gladbach bleiben, er ist hier noch nicht fertig, finde ich. Der BVB ist vielleicht noch eine halbe Nummer größer als Gladbach, das kann sein. Und sicherlich würde dem Klub ein Trainer wie Rose gut zu Gesicht stehen. Edin Terzic kenne ich noch aus meiner Zeit als U23-Trainer beim BVB, er ist ein guter Trainer mit guten Ideen, aber ich denke, ein Klub wie der BVB braucht einen erfahreneren Coach.

Mit Gladbach muss Rose in der Königsklasse die Hürde Manchester City nehmen. Wie sind die Chancen?

Köppel Das wird schwer, befürchte ich. Ich würde die Chancen auf 40:60 aus Borussen-Sicht beziffern. City hat eine überragende Mannschaft. Trotzdem ist Gladbach nicht auf verlorenem Posten. Borussia kann sich auf jeden Fall auf diese Herausforderung freuen.

Aufrufe: 03.2.2021, 11:00 Uhr
RP / Karsten KellermannAutor