Von der Bundesliga bis in die A-Klasse galt bisher das Phänomen, dass sich die Mauer bei Freistößen in der kurzen Zeit zwischen dem Pfiff des Unparteiischen und der Ballabgabe durch den Schützen auf magische Weise zu Letzterem hingezogen fühlt. Bei der WM in Brasilien wird nun der Sieg über die Anarchie gefeiert, seit ein rasierschaumartiges Wunder-Spray selbst die härtesten Verteidiger dazu bringt, die Grenzen einhalten. Der disziplinbegeisterte DFB-Vizepräsident und Chef des bayerischen Verbandes, Rainer Koch, ist vom geglückten Sozialexperiment so begeistert, er will den Super-Schaum am liebsten auch im Amateurfußball im Einsatz sehen.
Als ob es keine dringenderen Probleme gäbe. In der Gegenwart driftet die Schere zwischen Amateurbasis und Leistungsbereich immer weiter auseinander - und Kochs BFV überfordert die Ehrenämtler in den Vereinen mit immer mehr Bürokratie. Anstatt mehr finanzielle Unterstützung zu leisten, wird viel Geld für Werbe- und Imagekampagnen ausgegeben. Die bewerben unter anderem das Lieblingsspielzeug, eine exklusive Regionalliga für die Nachwuchsteams der Profiklubs und ein paar potente Vereine.
Was bringt schon ein Freistoß-Spray, wenn in der Kreisliga in wenigen Jahren ohne Schiedsrichter gespielt wird, weil es auch für diese Ämter keinen Nachwuchs mehr gibt. Beschäftigen sollten sie sich in den Verbandszentrale auch mit dem schlechten Einfluss der Weltstars, die vor Millionen junger Fernsehzuschauern mit Schwalben betrügen, verbal in einer Art ausrasten, die nicht mehr mit der Emotionalität des Spiels rechtzufertigen ist, und sogar Gegenspieler in die Schulter beißen.