2024-06-13T13:28:56.339Z

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Jörg Schellbach begutachtet den Bahlinger Mittelfeldspieler Tobias Klein. | Foto: Patrick Seeger
Jörg Schellbach begutachtet den Bahlinger Mittelfeldspieler Tobias Klein. | Foto: Patrick Seeger

Der Bahlinger SC geht in der Verletzungsprophylaxe neue Wege

Der BSC setzt sich präventiv mit Knie− und Meniskusverletzungen auseinander

Wer in den vergangenen Wochen die Handball-Weltmeisterschaft verfolgt hat, wird sich unfreiwillig an das schmerzverzerrte Gesicht von Martin Strobel erinnern. Kreuzband-Operation statt WM-Halbfinale. Ein bis dato märchenhaftes Turnier endete für den 32-Jährigen abrupt. Handelt es sich dabei um ein einkalkuliertes Risiko im Leistungssport oder lassen sich Verletzungen im Bereich der Kreuzbänder und Menisken durch vorbeugende Programme vermeiden?

Jene Thematik beschäftigt das Ärzteteam des Orthozentrum Freiburg um Volker Fass und Tarek Schlehuber seit geraumer Zeit. Gemeinsam mit dem Physiotherapeuten Jörg Schellbach entwickelten sie ein Präventionsprogramm, das behilflich ist, ein individuelles Risikoprofil und ein daraus resultierendes Trainingsprogramm zur Vermeidung von sportartspezifischen Verletzungen zu erstellen. Kooperationspartner des Pilotprojektes ist der Fußball-Oberligist Bahlinger SC.

Die Intention des Projektes ist für Tarek Schlehuber schwerwiegende Verletzungen vorzubeugen. Wie die aktuelle Studienlage zeige, sind circa 50 Prozent aller Kreuzbandverletzungen bei Sportlern durch gezielte Prävention vermeidbar. Deshalb ist auch August Zügel, sportlicher Leiter des Bahlinger SC der Initiative gegenüber durchaus wohlwollend eingestellt: „Ein sehr spannendes Projekt. Ich bin auf die Ergebnisse gespannt.“ Im Rahmen eines ganztägigen Screeningprogramms haben sich alle Spieler der ersten Bahlinger Mannschaft dem Testverfahren des Ärzteteams unterzogen. „Wir erhoffen uns davon ein geringeres Verletzungsrisiko der Spieler“, so Zügel. Den Testverfahren folgen bei den Bahlinger Spielern weitere Untersuchungen im Laufe der kommenden Monate.

Im Vordergrund des Aufbauprogramms steht eine Stärkung von Balance, Kraft, Beweglichkeit und neuromuskulärer Koordination. Dass vergleichbare Projekte bisher im Amateurbereich kaum eine Rolle gespielt haben, hat für Schlehuber verschiedene Gründe: „Es fehlen das Publikum und die finanziellen Mittel. Auch die Umsetzung im Trainingsalltag stellt ein Problem dar.“ Im Profifußball ist das Thema weit verbreitet. Ein prominenter Vorreiter ist dabei Manchester United.

Frauen sind deutlich anfälliger für Kreuzbandverletzungen

Die Testphase des kompletten Kaders der ersten Bahlinger Mannschaft fand im neu eröffneten Bahlinger Fitnessraum statt. Nach einer ausführlichen Anamnese bezüglich Spielerdaten, bisherigen Verletzungen, möglichen Grunderkrankungen sowie individuellen Belastungen auf und neben dem Platz erfolgte eine eingehende körperliche Untersuchung eines jeden Spielers durch Volker Fass. Hierbei wurde der gesamte Bewegungsapparat auf mögliche Risikofaktoren untersucht.

Im Anschluss war Schlehuber von der Muskelkraft der Bahlinger beeindruckt: „Die Torhüter und Innenverteidiger hatten die Messlatte bereits hochgelegt. Die defensiven Mittelfeldspieler haben dann aber noch einmal alles getoppt.“

Bei Jörg Schellbach kam Hightech zum Einsatz. Die Videoanalyse der wissenschaftlich geprüften Tests gilt als das optimale Werkzeug, um dem Sportler beim gemeinsamen Studieren der Bilder Risikomuster direkt und eindrücklich vorzuführen. „Die Visualisierung einbeiniger Kniebeugen, Sprung- und Landetechniken in Zeitlupe macht die individuellen Stärken und Schwächen sichtbar und prägt sich tief ein“, berichtet der Sportphysiotherapeut.

„Wir hoffen, wir sind unserem Ziel, das Thema Verletzungsprävention im Amateur- und Jugendsport in unserer Region weiter zu etablieren, einen Schritt nähergekommen“, sagt Schlehuber. Ihre Arbeit soll sich nicht nur auf männliche Fußballteams beschränken. .

Für die Zukunft erhofft sich Schlehuber, auch im Jugend- und Frauenbereich sowie in anderen Hochrisikosportarten wie Handball, Basketball oder Eishockey tätig zu werden. Die Möglichkeit, schwere Verletzungen mit den resultierenden Folgen für die Sportler deutlich zu reduzieren, muss unser Ansporn sein“, resümiert Volker Fass.

Noch anfälliger für Kreuzbandverletzungen sind Fußballspielerinnen. Hier liegt die Zahl bei 67 Prozent vermeidbarer Verletzungen. Vor allem in einem Bereich sind Frauen deutlich anfälliger: Im Vergleich zu Männern besteht ein achtfach erhöhtes Risiko für Verletzungen des vorderen Kreuzbandes. „Ursächlich ist die Anatomie“, erklärt Fass. Die häufig anlagebedingte X-Bein-Stellung gepaart mit muskulärer Schwäche der Rumpf-, Becken- und Hüftstabilisatoren führe zu erhöhtem Risiko bei Landung, Richtungswechseln und Abstoppbewegungen.


Aufrufe: 07.2.2019, 16:15 Uhr
Lukas Karrer (BZ)Autor