2024-05-14T11:23:26.213Z

Ligabericht
Natürlich gehen die Schaulustigen im Chamer Stadion am Samstag davon aus, dass es gleich richtig los geht und so schnell nicht wieder aufhört. Foto: Nickl
Natürlich gehen die Schaulustigen im Chamer Stadion am Samstag davon aus, dass es gleich richtig los geht und so schnell nicht wieder aufhört. Foto: Nickl

Feinkost in drei Gängen à la carte

Noch nie war weiß-blauer Top-Fußball in der Kreisstadt Cham an drei Tagen so komprimiert wie an diesem Wochenende.

Ganz ausgeschlossen scheint es ja nicht, dass ein paar nicht nur freudentrunkene Jahn-Ultras nach dem Sieg über Aalens Ostalb-Gallier im Chamer Stadion noch schnell am Vilzinger Huthgarten vorbeigeschaut hätten, wie es denn die kleinen Löwen so schaffen, die erste Bayernliga-Niederlage in Grenzen zu halten. Und um den Löwen noch einmal vor Augen zu führen, wer nun Zweitligist und wer nicht. Doch sicher ist sicher, das Sicherheitsspiel steigt erst am Tag danach, wenn die Rot-Weißen längst wieder daheim in der Ratisbona. Wenngleich sich nach den jüngsten Eindrücken keiner vorstellen kann, warum der Verband die Bayernliga-Startpartie DJK Vilzing gegen Zwangsabsteiger TSV München von 1860 II als gewaltgefährdet einstufen mag. Keiner wird Sitzschalen rausreißen und auf Vilzings heiligen Rasen schmeißen.


„De wern z Väizin a gscheide kräing“, entfuhr es Volkes Herz, als sich die Löwen-Bubis neulich in der Bodenmaiser Gluthitze abmühten im Vorspiel zum Event der großen Löwen gegen die überforderten Heimstettener, wenngleich derzeit nur eine Liga unter „Münchens großer Liebe“. Erst als bei den wackeren Bergknappen die letzten Kräfte schwanden unter sengender Bayerwald-Sonne wurde es noch ein optisches 6:0 (1:0) gegen den Kreisklassisten – Vilzings Trainer-Duo weiß Bescheid, wo der Hebel angesetzt werden muss. Ein Sicherheitskonzept scheint höchstens für die Löwen II-Abwehr nötig für Sonntag im Stadtteil.

Viele gewaltlose Schaulustige sollten Zeugen des historischen Geschehens sein, wenn der Scheich schon nicht kommt: Erster DJK-Sieg in einem Pflichtspiel gegen ein Löwen-Team. Um sich an der „Ersten“ der großen Münchner Löwen zu messen, dafür dürfte es dagegen nach Ansicht von Fachleuten knapp nicht reichen für die Werkself, denn die Blauen sind nicht gekommen, um in der vierten Liga zu bleiben. Fest steht dagegen, dass der große Fußball Bayerns in dieser Dichte die Kreisstadt Cham noch nie so beglückt hat wie er es komprimiert tut an den kommenden drei Tagen. Das Pay-TV mit den drei Buchstaben würde längst in seinen Werbeblöcken das „Super-Weekend“ rauf und runter nudeln, hätte es die Übertragungsrechte. So ist der geneigte Fußball-Freund aus nah und fern (noch) gewungen, es sich selber vor Ort anzuschauen. Trotz der BFV-Webcam am Flutlichtmasten.

Müsliriegel für lokale Fan-Fitness

Derart hochkonzentriert war weiß-blauer Spitzenfußball noch nie am Ort: Freitag im Stadion an der Further Straße das ewig junge Landesliga-Derby zum Start zwischen den rot-weißen und rot-blauen Ideologien mit Nahziel Bayernliga. Am Samstag dann das Schau-Spiel an gleicher Stätte zwischen ASV-Kooperationspartner SSV Jahn Regensburg, derzeit selber wieder so etwas wie die große Liebe Ostbayerns, und Drittligist VfR Aalen zu dessen Generalprobe für den Drittliga-Start. Ehe am Sonntag die Jung-Löwen ihre drei Punkte zum Bayernliga-Start in Vilzing abliefern.

Mehr konzentrierte Feinkost geht kaum für ostbayerische Verhältnisse, quasi ein fußballerischer Müsliriegel, in den zur Fitness des lokalen Fußball-Gourmets alles gepresst ist. Jedenfalls hat die ASV-Führung nach eigenem Bekunden kein Sicherheitskonzept austüfteln müssen, um die Bedenken der Verbandsgewaltigen zu zerstreuen. Vielleicht weil die nach der Insolvenz neu angreifenden Ostalb-Gallier sicher nicht das Chamer Stadion füllen werden. Gar mancher Regisseur der Drittliga-Übertragungen macht sich einen Spaß, beim Kamera-Schwenk auf den Gäste-Block 15 Unentwegte mit der schwarz-weißen Fahne, auf dem Smartphone popelnd, zu touchieren – da sind die Jahn-Ultras fraglos in der Überzahl am Samstag. Rund 500 Gäste aus Regensburg erwarten Jahn-Insider. Einen Vorverkauf braucht‘s ebenso wenig, eine Frau hat angerufen beim ASV, wo es denn Karten gebe.

Wie doch die Zeit vergeht: Es gab Epochen, da kam der SSV Jahn an seiner (inzwischen) als Kultstätte geltenden Prüfeninger Straße nicht über ein 1:1 hinaus im Landesliga-Match mit Cham, heute giert der ASV danach, in den Pool der Jahn-Kooperationspartner aufgenommen zu werden. Deswegen will der Zweitligist diese Partie auf Chamer Grün absolvieren. Die paar Prozent von der Gesamtsumme darf sich der ASV Cham auch nicht entgehen lassen, dazu der Erlös vom Verkauf. Ein gutes Geschäft.

Gourmettempel Gymnastikraum

In der Gegenleistung sind die Gastgeber schon erfahren. Wie weiland zum Jubiläum gegen das Fürther Kleeblatt wird kurzerhand der Gymnastikraum neben dem Kabinentrakt im Stadion zum Gourmettempel umfunktioniert. Weil meist im Vertrag steht bei solchen Veranstaltungen, am Ende sei die Forderung der Protagonisten nach sportgerechter Verpflegung zu befriedigen. Kein Problem: Üppiges Salat-Büffet vom Italiener um die Ecke, dazu zweierlei Art an Nudel-Gerichten. Einmal Bolognese, einmal Tomatensoße, die versammelten Zweit- und Drittliga-Kicker werden ordentlich reinschaufeln vor der Weiterfahrt.

Natürlich ist auch der Schiri der Jahn-Demonstrationspartie höherklassig. Sportkamerad Christian Dietz vom FC Kronach (32) gibt sich die Ehre in der Kreisstadt, kommt vielleicht wie in solchen Spielen üblich mit ein paar Pfiffen aus. Nach schon fünf Jahren im Zweitliga-Pool des DFB. Die Linienrichter des Franken haben schon Cham-Erfahrung, wären würdige Leiter des freitäglichen Vorspiels gegen Bad Kötzting: Edi Beitinger (DJK Regensburg 06) und der „Emmer-Michi“ aus Schalding, Niederbayerns Stimme als eloquenter Pressesprecher des Polizeipräsidiums und in der Bundesliga am Fahnerl. Fürs Landesliga-Derby am Abend zuvor muss es Bayernliga-Mann Michael Freund (28) tun aus Perlesreut. Passauer Einschlag hat auch die Vilzinger Partie gegen die Jung-Löwen: Ex-Regionalliga-Mann Andreas Hartl (32) aus Hacklberg wird alles in die richtigen Bahnen lenken. Das Chamer „Super-Weekend“ führt sogar die Prominenz der ostbayerischen Pfeifenmänner-Zunft zusammen.

Auch die Schiri-Prominenz vereint

Vorbei demnach jene Zeit, als alle Schaltjahre einmal für gutes Geld die Bayern kamen und sogar mal ihr Fett weg bekamen, das Volk nach „Sechzig, Sechzig“ rief, weil die lustlose Nachfolgeschaft der Beckenbauer-Ära nicht Vollgas geben wollte fürs dünne 5:0.

Derweil hat die ASV-Führung kurz einmal durchgeschnauft und sich dabei jenes Pokal-Knüllers gegen Wacker Burghausen vor ein paar Jahren erinnert. Diesmal kein Sicherheitskonzept für eine Handvoll an Schreihälsen mit dem noch ungezündeten Bengalo unterm speckigen Fan-Trikot. Jahn gegen Aalen ergibt halt doch keine solche hochbrisante Gemengelage, wie sie die Vereinigung an Fan-Gruppen der Bayreuther Oldschdod und aus Bad Kötzting am Huthgarten ergeben könnte.

Die DJK Straßkirchen im Passauer Dreiflüsseeck war da schon ärmer dran. Die Veranstalter der Test-Partie des SSV Jahn Regensburg gegen Österreichs Erstligist SV Ried wollten keine Plattform bieten für angeblich geplante Randale von verfeindeten Fan-Gruppen aus Linz, Ried, Burghausen und Regensburg. Getrennte Parkplätze, getrennte Kassen und Metallkäfige für die Fan-Gruppen zu schaffen, hätte dazu geführt, dass der Gewinn aufgezehrt worden wäre. Zweierlei Nudeln hätte es ohnehin nicht gegeben.

Aufrufe: 012.7.2017, 08:00 Uhr
Markus GüntherAutor