2024-05-14T11:23:26.213Z

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Alemannia: „Die Gespräche laufen. Wir sind nicht in Zeitnot“

Regionalliga West: Alemannia Aachens neuer Sportdirektor Thomas Hengen spricht im Interview über die Trainersuche beim Regionalligisten

Die letzte Auslandsreise führte Thomas Hengen am Wochenende nach Frankreich. In ein paar Tagen verabschiedet er sich als Scout bei PSV Eindhoven, dann tritt er seine neue Aufgabe an: Der 45-Jährige ist ab dem 1. März neuer Sportdirektor bei Alemannia Aachen. Die Dienstreisen werden dann kürzer.

Unsere Redakteure Benjamin Jansen und Christoph Pauli trafen sich mit dem Mann, der wegen seiner Hüftarthrose als Spieler am Tivoli (2004 – 2006) nie ein Pflichtspiel absolvieren konnte. Alternativ spielt er nun bei Alemannias Alten Herren mit. „Nach jedem Spiel brauche ich zwei Wochen Erholung“, sagt er grinsend.


Das Präsidium hat erklärt, dass Ihre Bewerbung alle überzeugt hat: Was hat Ihr Konzept ausgemacht?

Hengen: Es war realistisch. Träumen dürfen die Fans, Verantwortliche müssen sich an Gegebenheiten orientieren. Geld ist nicht alles, aber ohne geht es nicht. Der große Verdienst von Fuat Kilic ist, dass er den Verein in schwierigen Zeiten stabilisiert hat. Die Basis ist da. Im nächsten Schritt müssen wir uns in allen Bereichen verbessern wollen. Wir brauchen einen Jugendleiter, wir brauchen bessere Trainingsmöglichkeiten. Wir sollten konstant mit unseren U 17- und U 19-Teams Bundesliga spielen können. Wir wollen sportlich vorwärts kommen. Wir! Ich betone das Wir. Es gibt Abteilungen, Gremien, den gemeinnützigen Verein, die GmbH, aber am Ende des Tages sind wir alle Alemannia, ein Klub.

Welche Versprechungen machen Sie?

Hengen: Keine. Ich verspreche weder Ergebnisse noch Aufstiege. Aber: Wir müssen die Fans mit Leistungsfußball begeistern. Bei Heimspielen muss erkennbar Vollgas gespielt werden. Das werden wir auch schaffen.

Wie oft haben Sie Alemannia in den vergangenen Monaten beobachtet?

Hengen: Im Video mehrfach. Ich war aber auch bei einigen Heimspielen wie gegen Leverkusen, Haltern, Mönchengladbach II oder Dortmund II im Stadion.

Welche Eindrücke hat der Experte gewonnen?

Hengen: Regionalliga ist eine Kämpferliga, in der keine Schönheitspreise vergeben werden. Alemannia hat keine Konstanz gefunden. Der eine oder andere Führungsspieler fehlt, um zum Beispiel eine 2:0-Führung gegen Dortmund clever zu verteidigen. In anderen Spielen hat das Team sich nicht belohnt. Das ist dann eine Qualitätsfrage: In der ersten Liga braucht ein Stürmer eine Chance für einen Treffer, in der 4. Liga eben vier Chancen. Ich beobachte eine gute Mentalität in der Mannschaft, die zum Beispiel auch gegen Dortmund nicht die Köpfe hängen lässt und zurückkommt.

Was ist Ihre Motivation nach jahrelangem europaweiten Scouting sesshaft in Aachen zu werden?

Hengen: Nach 14 Jahren habe ich nicht alles, aber sehr viel von der Fußball-Welt gesehen. Irgendwann fragst du dich ja auch, ob dass die Idee für die nächsten zehn Jahre ist. Zuletzt bei Eindhoven habe ich noch mal richtig lernen können, was die Strukturen im Jugendbereich betrifft, auch wenn das ein anderes Niveau ist. Ich fühle mich gewappnet. Es ist für mich ein sehr passender Moment, bei Alemannia einzusteigen.

Wie werden Ihre finanziellen Möglichkeiten sein?

Hengen: Der nächste Sportetat wird vermutlich unverändert bleiben, vielleicht sogar leicht verringert, wenn die erste DFB-Pokalrunde nicht erreicht wird. Die finanzielle Situation ermöglicht uns nur, Jahresverträge zu machen. Eine eingespielte Mannschaft so zu formen ist schwierig. Auch da müssen wir uns entwickeln.

Und nun kommt auch noch das weitere Gehalt des neuen Sportdirektors dazu.

Hengen: Die Aufgaben werden aus gutem Grund wieder auf mehrere Schultern verteilt. Das bekommen wir mit unserem Etat auch hin. Unverändert behaupte ich, dass wir mit unseren Möglichkeiten eine sehr ordentliche Mannschaft und ein gutes Trainerteam zusammenstellen können. Den Beweis muss ich jetzt antreten. Es gibt unglaublich viele gute Spieler, die bei Alemannia spielen wollen. Grundsätzlich legen wir den Fokus auf „regionale“ Spieler, da sie in der Regel schneller einen Wohlfühlfaktor entwickeln, weil ihre Familien in der Nähe sind.

Braucht ein Scout einen anderen Blickwinkel als ein Sportdirektor?

Hengen: Es ist eine andere Verantwortung. Als Scout bewerte und empfehle ich Spieler. Jetzt muss ich – im Team – entscheiden. Ich komme mit dem Spieler und seinem Berater unmittelbar in Kontakt und muss herausfinden: Wie tickt er? Brennt er für seine Arbeit? Eventuell für Alemannia? Das ist die neue Herausforderung.

Ein gutes Netzwerk sollte der Kandidat laut Ausschreibung mitbringen: Stehen in Ihrem Notizbuch nicht ausschließlich Spieler, die Ihre Auftraggeber für höhere Klassen suchen?

Hengen: Ich besuche viele Jugendspiele, kenne die Nachwuchsleistungszentren. Und es gibt Spieler, die aus unterschiedlichen Gründen, nicht in den höchsten Ligen gelandet sind, obwohl sich das vor Jahren vielleicht mal abgezeichnet hat. Es ist sicher ein Vorteil, wenn man solche Entwicklungen mitbekommen hat.

In der Geschäftsstelle wurden die Bewerbungen für den Trainerposten bis zu Ihrer Ankunft gesammelt. Was für eine Auswahl haben Sie vorgefunden?

Hengen: Es gibt schon ein ausgeprägtes Interesse am Trainerjob, ohne Namen nennen zu wollen. Auch ein Weltmeister ist dabei . . .

. . . Ihr ehemaliger Dortmunder Kollege Jürgen Kohler?

Hengen: (lacht) Keine Auskunft.

Was steht im Anforderungsprofil des nächsten Trainers?

Hengen: Er sollte ehrgeizig und unverbraucht sein, sollte den Westen und die dortige Regionalliga kennen. Schließlich hat er keine Zeit sich lange einzuarbeiten. Er sollte hier leben, damit er nicht in jeder kurzen Pause zu seiner Familie reisen will.

Gibt es eine Deadline bei der Suche nach einem neuen Übungsleiter?

Hengen: Die Gespräche laufen. Wir sind nicht in Zeitnot. Das gilt auch für die Kaderplanung. Die Planungen werden auch da nicht früh abgeschlossen. Am Ende gehen immer noch Türen bei größeren Klubs auf, die vorher geschlossen waren.

Insgesamt 14 Verträge laufen aus.Wird es am Saisonende einen großen Cut geben?

Hengen: Es ist schon ein Cut, wenn nur neun Spieler einen Vertrag über die Saison hinaus haben – unabhängig davon, ob die anderen bleiben. Natürlich gibt es Vorgespräche, aber es wird erst konkret, wenn der neue Trainer feststeht.

Wird auch über eine interne Lösung für den Trainerposten nachgedacht?

Hengen: Entscheidend ist, wer das Anforderungsprofil erfüllt. Ich werde mich mit Chris Mollocher unterhalten, auch mit den Trainern aus der Jugend und mir dann einen Eindruck verschaffen, wo sie sich sehen. Viele Verträge laufen aus, wir haben die Möglichkeit, vieles zu gestalten.

Worauf freuen Sie sich ganz besonders, wenn Sie Ihren Job am 1. März antreten?

Hengen: Auf sehr viel. Ich bin Teamplayer, arbeite gerne mit Menschen zusammen. Das war schon in Everton so, damals waren wir sogar 14 Leute im Staff. Wir haben alles ausdiskutiert, ohne das einer pikiert war, wenn seine Meinung nicht zum Tragen kam. Ich hoffe, dass wir auch hier in Aachen alle zum Wohle des Vereins an einem Strang ziehen.

Und im Idealfall Aufbruchstimmung erzeugen?

Hengen: Aufbruch ist ein großes Wort. Wir wollen seriös arbeiten – und die Leute mitnehmen. Der Verein ist am Scheideweg. Es wurde erkannt, dass sich etwas ändern muss. Das ist ein erster Schritt, es müssen aber noch viele weitere folgen. Man muss nicht nur die Strukturen im sportlichen Bereich aufbrechen, auch die Infrastruktur muss verbessert werden. Man braucht einen langen Atem.

Aufrufe: 024.2.2020, 06:00 Uhr
Benjamin Jansen/Christoph Pauli | AZ/ANAutor