2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Frankfurt-Coach Michael Pohl. Foto: Paul Brokowski
Frankfurt-Coach Michael Pohl. Foto: Paul Brokowski

"Der Abstieg wäre besser gewesen"

Der 1. FC Frankfurt hat mit Ach und Krach die Klasse gehalten. Damit es für die kommende Oberliga-Saison reicht, will Coach Michael Pohl zum Quälix werden.

Verlinkte Inhalte

Beinahe wäre Frankfurt aus der Oberliga abgestiegen. Die Insolvenz des 1. FC Neubrandenburg rettete letztendlich die Klasse für das Team von der Oder ebenso wie der NOFV-Beschluss gegen den SFC-Stern. Trainer Michael Pohl wäre hingegen gar nicht so traurig gewesen, hätte der FCF in der Brandenburgliga neu anfangen müssen. Wir haben uns mit ihm unterhalten.

Herr Pohl, vor der Saison gab es in Frankfurt so etwas wie Aufbruchsstimmung. Können Sie sich an den Moment erinnern, an dem die verflogen ist?

„Verflogen ist der falsche Begriff. Das Problem ist einfach, dass der Kader in der Breite nicht groß genug war. Gegen Luckenwalde vor der Saison zum Beispiel waren alle da. Deswegen haben wir ein gutes Spiel gemacht. Und deswegen haben wir auch Brandenburg Süd oder Tennis Borussia geschlagen. Wären immer alle an Bord gewesen, wären wir unter den ersten Zehn gelandet. Aber das sind Wunschträume eines Trainers. Die Abgänge und Ausfälle konnten wir einfach nicht überbrücken. Auch, weil wir im Gegensatz zu Hertha 06 oder Strausberg nicht so viele Spieler zukaufen konnten, die ein gewisses Niveau haben.“

Allerdings hat Frankfurt mit der Sportschule auch eine große Jugendabteilung im Rücken. Aus der landen aber relativ selten Spieler im Männerkader. Funktioniert die Verknüpfung nicht richtig?

„Ich glaube, dass es in der Vergangenheit so war, dass man darauf nicht unbedingt angewiesen war. Man ist damit nicht richtig umgegangen und hat in erster Linie an die erste Männermannschaft gedacht. Hinzu kommt, dass es für junge Spieler lukrativer wäre, würde die Reserve beispielsweise in der Landesliga mitmischen. Finanziell können wir mit der Konkurrenz sowieso nicht mithalten, die in Seelow, Fürstenwalde und Strausberg mit Amateurverträgen lockt.“

Lassen sich die Talente nicht vertraglich binden?

„Die Jungs kommen mit zwölf Jahren zur Sportschule. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man da mit den Eltern Verträge schließen kann, dass sie auch beim FCF bleiben. Die Frage ist aber auch: Warum muss man das machen? Meine Erziehung würde mir sagen: ‚Der Verein und die Schule haben mir die Möglichkeiten und die Ausbildung gegeben, da bleibe ich noch ein Jahr‘. Zumindest so lange, wie die Jungs an der Sportschule lernen. Aber das ist eben nicht mehr so.“

Gleichzeitig ist es doch aber auch nachvollziehbar, wenn man als junger Spieler jede Chance nutzen will.

„Wenn gute Jungs an der Sportschule sind, ist es selbstverständlich richtig, wenn man sie ziehen lässt. Egal, ob nach Cottbus oder vielleicht sogar noch eine Etage höher. Aus der A-Jugend gehen aber relativ wenige Spieler in eine höhere Klasse als die Oberliga. Und wenn sie dann nach Seelow wechseln, verstehe ich das nicht. In der Ausbildung geht es aber allein um die Jungs. Und wenn die hier sechs Jahre die Sportschule besuchen, dann soll auch etwas dabei herauskommen.“

Das Ziel des FCF dürfte in dieser Saison dasselbe sein wie in der vergangenen: Klassenerhalt. Sportlich gesehen ist der gescheitert, Frankfurt nur durch die Neubrandenburger Insolvenz in der Oberliga geblieben. Wären Abstieg und Neuanfang besser gewesen?

„Wenn es nach mir ginge, wäre der Abstieg besser gewesen. Aber für den Verein natürlich nicht. Das Gleiche gilt für die Spieler. Denn eines ist klar: Sportlich und von der Atmosphäre her ist die Oberliga ein ganz anderes Kaliber als die Brandenburgliga. Wenn man an Klubs wie Tennis Borussia denkt, ist es schon ein Unterschied, ob ich dort vor 600 bis 700 Zuschauern spiele oder vor 110 in Miersdorf/Zeuthen. Ich kann den Verein verstehen, ich kann die Spieler verstehen, aber sportlich ist es so: Wir sind abgestiegen. Bei der Breite des Kaders war das auch nicht anders zu erwarten.“

Was muss passieren, dass Frankfurt auch sportlich fit für die Oberliga wird?

„Das wird sehr, sehr schwer. In die fünf A-Junioren, die wir mit hochziehen, setze ich große Hoffnungen. Zwei oder drei von ihnen könnten den Sprung in die Startelf schaffen. Und von den Jungs, die schon ein Jahr Oberliga gespielt haben, erhoffe ich mir, dass sie noch eine Kohle drauflegen. Man hat ja auch gesehen, dass es möglich ist. Aber das geht eben nur, wenn der Kopf frei ist und man sich nicht mit dem Körper beschäftigen muss.“

Mit dem Körper beschäftigen?

„Ich glaube, der größte Sprung in der Oberliga ist, so fit zu sein, dass man die kleinen Fehler abstellt. Denn die werden dort rigoros bestraft. Beispiel Malchow: Da haben wir vier von fünf Toren aufgrund individueller Fehler kassiert. Ich glaube, ist der Kopf frei, ist auch der Fußball wesentlich einfacher. Deswegen werde ich die Jungs jeden Tag in der Woche quälen. Außer Sonntag. Und dann werden wir sehen, ob es reicht.“

Bleibt die Motivation da nicht auf der Strecke?

„Ach, die motivieren sich selbst. Die meisten haben die Sportschule durchlaufen. Die wissen doch, was los ist. Sie wissen: ‚Sind wir nicht körperlich fit, haben wir gar keine Chance‘. Aber mit der richtigen Fitness kann man auch gegen Spieler mithalten, die mal in der Regionalliga oder weiter oben aktiv waren. Ich glaube nicht, dass ein 33-Jähriger, der mal 3. Liga gespielt hat, hoch motiviert ist, in Altglienicke vor 120 Zuschauern aufzulaufen wie zu seiner besten Zeit. Wenn man da als 19-Jähriger zeigen kann, dass es nicht ganz so einfach ist, dann könnte es funktionieren.“

Trotzdem dürfte man als Trainer mit dem angesprochenen Sechs-Tage-Programm nicht unbedingt Beliebtheitspunkte sammeln…

„Man stellt sich schon jeden Tag vor den Spiegel und fragt sich: Ist eine Sechs-Tage-Vorbereitung das alles wirklich wert? Aber wenn ich dann sehe, dass das Team begreift, dass man Hobbyfußballer ist und trotzdem mit Mannschaften mithalten kann, wo dieses Verständnis nicht mehr da ist, dann ist das Motivation genug. Und glauben Sie mir: Mit Siegen wie denen gegen Tennis Borussia und Brandenburg Süd, die man sportlich ja nicht erklären kann, ziehe ich die Jungs hoch. Ähnlich sieht es in der in der Spielvorbereitung aus. Da hänge ich auch mal ein Porträt von einem Ex-Profi, der am Wochenende gegen einen unserer Youngster spielen wird, auf und sage: ‚So, jetzt kannst Du dem mal zeigen, dass Du doch besser bist.‘“

Also wird in Frankfurt auch mal der kleine Psychotrick ausgepackt?

„Auf jeden Fall. In der vergangenen Saison hat es auch funktioniert.“

Aufrufe: 05.7.2016, 11:15 Uhr
Marc SchützAutor