2024-05-15T11:26:56.817Z

Interview
Oliver Kieback und sein Team sind überraschend von ihren Posten zurückgetreten.
Oliver Kieback und sein Team sind überraschend von ihren Posten zurückgetreten. – Foto: Olaf Kapell

Trainerteam in Spandau zurückgetreten: „Es war ein Fass ohne Boden“

Überraschende Meldung vom FC Spandau 06: das gesamte Trainerteam ist zurückgetreten. Warum, wieso und weshalb erklärt Oliver Kieback im Interview

Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/- regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Oliver Kieback, #524

Beim FC Spandau 06 ist in den letzten anderthalb Jahren viel passiert. Im April 2022 wurden Oliver Kieback als Trainer und Sebastian Schmitz als sportlicher Leiter für die Saison 2022/2023 präsentiert. In Windeseile wurden neue, in Berlin sehr bekannte Spieler, als Neuzugänge präsentiert. Lukas Jokisch, Norman Guski oder Kelvin Adomah heuerten beim Landesligisten an. Mit insgesamt 17 Neuzugänge zählte der Verein schon vor Saisonbeginn zu den Aufstiegsfavoriten. Diesem Ruf wurde die Mannschaft in der Hinrunde auch gerecht. Nach 13 Spiele hatte die Mannschaft ein Polster von sieben Punkte auf den Tabellenzweiten und noch ein Spiel mehr in der Hinterhand.

Doch spätestens hier begannen die Probleme. Vor allem beim Personal, der Kader war eng kalkuliert. Es wurde deutlich, dass Spieler wie Dragan Erkic, Patrick Podrygala, Till Jacobs oder Marcel Machalski, die im Sommer noch als Neuzugänge vorgestellt worden, dann aber doch nicht kamen oder nur selten spielten, nicht nur in der Breite fehlten. Verletzungsprobleme zogen sich durch die gesamte Saison. Weitere Neuzugänge wurden der sportlichen Leitung verwehrt. Trainer Kieback und sein Team mussten mit ansehen, wie ihnen der möglicherweise sicher geglaubte Aufstieg noch aus den Händen gerissen wurden. Auch wegen anderer Themen im und rund um das Team.

Danke Oliver, dass du dir die Zeit nimmst, mit mir zu sprechen. Deine Nachricht kam unerwartet, ich bin gespannt, wie sich die Situation in Spandau entwickelt hat.
Zuerst einmal möchte ich sagen, dass mein Trainerteam, der sportliche Leiter Sebastian Schmitz und ich, vor knapp zwei Wochen von unseren Posten zurückgetreten sind.

Das kommt definitiv überraschend! Damit hatte ich nicht gerechnet. Wie kam das zustande?
Um das zu erklären, muss ich etwas ausholen. Das Schicksal nahm mit der Niederlage gegen den SC Borsigwalde seinen Lauf. Im Normalform gewinnst du das Spiel und startest mit zehn Punkten Vorsprung in das neue Fußballjahr - es kam aber anders.

Was waren die Probleme?
Unser Kader, der eh schon knapp bemessen war, war personell arg gebeutelt. Neuzugänge wurden uns verwehrt. Wir haben uns von Spiel zu Spiel geschleppt.

Es folgten fünf Siege, zwei Remis und nur eine Niederlage. Keine schlechte Ausbeute.
Das stimmt. Aber nach dem Türkiyemspor-Spiel, ich weilte gerade im Urlaub, trat der Vorstand vor das Team und sprach von einer möglichen Insolvenz des Vereins. Das hat natürlich Unruhe in das Team gebracht.

Moment. Wo kam das denn her?
Das kam für uns alle überraschend, vor allem weil vorher nicht mit uns geredet wurde.

Wie ging es weiter?
Der Präsident ist anschließend zurückgetreten. Die Spieler waren aber von Kopf her nicht mehr da, haben sich mit anderen Dingen und neuen Vereinen beschäftigt. Wir haben uns dann in die Relegation gerettet, dort ging aber dann sportlich nahezu gar nichts mehr. Zu diesem Zeitpunkt hatten viele Spieler bereits eine neue sportliche Herausforderung gefunden.

Und du?
Ja, auch wir waren bereit für eine neue Aufgabe. Dann kam aber Sebastian auf mich zu und meinte, die Situation hätte sich geändert, es gäbe einen neuen Sponsor, der für zwei Jahre seine Unterstützung zugesagt hätte.

Also doch ein Happy End?
Nicht so schnell. Es war schon relativ spät im Sommer, wir hatten einen ganz kleinen Kader, wollten das Jahr als Übergangs- und Ausbildungsjahr sehen. Wir haben es geschafft einen Kader zusammenzustellen, auch wenn wir uns ziemlich strecken mussten. Wir hatten halt nicht die Zeit schon im Vorfeld nach Spielern zu „scouten“, die Saison war zu nah.

Trotzdem war der Start in die Saison nicht schlecht.
Ja, wir mussten viel sprechen und trainieren. Viele Jungs hatten in grundlegenden Themen Nachholbedarf. Doch dann wurde uns aus dem Nichts wieder der Boden unter den Füßen weggerissen. Der Sponsor war abgesprungen, ohne dass wir informiert wurden.

Klingt nach einer üblen Nummer.
Die Spieler haben es dann über andere Ecken erfahren. Das war nicht schön für uns alle. Wir haben versucht, den Vorstand zum Gespräch zu bewegen. Es sollte einfach mal reiner Wein für alle eingeschenkt werden. Fünf, sechsmal haben wir Gesprächsangebote gemacht. Es kam keine Rückmeldung. Vor dem Spiel gegen Wittenau haben wir dann unsere Ämter niedergelegt.

Wie war die Situation für dich beziehungsweise euch?
Für uns war es sehr ärgerlich, weil wir uns haben überreden lassen. Was wir hier in den anderthalb Jahren erlebt haben, habe ich bei anderen Vereinen nicht gesehen. Ein ständiges Auf und Ab. Der Vorstand hat uns den Erfolg und ein ganzes Jahr gestohlen. Sie dachten wahrscheinlich, es ginge immer so weiter.

Ist der Verein denn auch führungslos?
Nein, kommissarisch wurde das Amt übernommen.

Aber es ging für euch trotzdem nicht weiter?
Nein, es war ein Fass ohne Boden. Es gibt zwar viele Menschen um den Verein herum, aber die Verantwortung wollte keiner tragen. Unsere Tätigkeit ging über das Trainerdasein hinaus. Wir haben Gespräche mit den Spielern, den Zuschauern, den Sponsoren, den Verantwortlichen geführt.

Hat sich das auch auf Spieler ausgewirkt?
Klar, sie waren total verunsichert. Es gab keine verbindlichen Aussagen, wie es weitergeht. Irgendwann sind weniger zum Training gekommen, es gab keinen Konkurrenzkampf mehr. Das Potenzial nach oben war da.

Und die Mannschaft macht weiter?
Ihnen wurde mitgeteilt, dass sie natürlich weiter für den Verein spielen können, nur ohne finanzielle Entschädigung. Es tut mir leid für die Jungs, die sich wirklich rein gehangen haben.

Wie geht es jetzt weiter?
Wir haben jetzt erstmal eine fußballfreie Zeit. Bis jetzt gibt es nichts Neues, wir wollen auch nichts auf gut Glück übernehmen, sondern eine Aufgabe, wo wir etwas bewegen können, wo mit Sinn und Verstand, mit Spaß und Nachhaltigkeit gearbeitet wird. Da überstürze ich auch nichts.

Aufrufe: 09.11.2023, 08:29 Uhr
Marcel PetersAutor