Die Schmiede der Straßenkicker

Seine "Parker Fußball Academy" hat der Deutsch-Amerikaner vor zwei Jahren ins Leben gerufen. Das war bereits wenige Monate, nachdem er im Januar 2020 den Leihvertrag beim Zweitligisten Spvgg. Greuther Fürth aufgelöst und beschlossen hatte, seine Profikarriere zu beenden. Angebote aus dem Ausland, Dritter Liga oder Regionalliga habe es zwar gegeben, erzählt er. Doch Parkers Entschluss, es mit dem Profifußball sein zu lassen, habe schon lange vorher festgestanden. "Mein Ziel war es schon immer gewesen, das von mir Erlebte an die Jugend weiterzugeben", sagt der 29-Jährige. Im Hofheimer Vorort Wallau, wo er bis vor Kurzem noch wohnte, steht Parker seither täglich auf dem Platz, um jungen Spielern Einzel-, Duo- oder Mannschaftstraining zu geben. "Dabei geht es mir nicht nur um den fußballerischen, sondern auch um den mentalen Bereich, wie die Spieler beispielsweise damit umgehen, wenn sie mal nicht spielen", kann Parker auch von den negativen Erfahrungen, die das Profi-Business mit sich bringt, zehren.

Parker hat einiges erlebt: Über seine Jugendvereine FC Bierstadt und FV Biebrich kam er früh zum SV Wehen. Mit 12 ging es zum FSV Mainz 05 ins Nachwuchsleistungszentrum. Dort startete er durch: Sechs Jahre durchlief er alle Jugendteams, nach einem Jahr Anlaufzeit bei den Amateuren in der Regionalliga zog ihn Thomas Tuchel zu den Profis hoch. "Ich hatte nur Fußball im Kopf", sagt Parker über seine Zeit als Jungprofi. Viele 05-Fans werden sich noch an Parkers ersten Startelfeinsatz in der Bundesliga erinnern. Mit Tor, Vorlage und Lattentreffer avancierte der damals 19-Jährige zum Matchwinner beim 3:1-Sieg der 05er im Frankfurter Waldstadion.

Oder jener Moment im Oktober 2013, kurz vor der Halbzeit in der Allianz Arena, als Nationalkeeper Manuel Neuer nur staunend hinterherguckte, als Parker an ihm vorbeizog und zum 1:0-Führungstreffer der Mainzer im Auswärtsspiel beim FC Bayern traf.

Der Treffer gegen Neuer war gleichzeitig Parkers letzter Treffer in der Bundesliga. Bis heute. Denn schon früh bremste Parker sein eigener Körper aus. Immer wieder machten die Knöchel oder Bänder Probleme. Am Ende seiner ersten Saison in Augsburg riss er sich das Kreuzband im rechten Knie. Wenige Jahre später riss sein Meniskus, wieder rechts. "Immer wenn ich wieder drin war, habe ich mich wieder verletzt", fasst Parker seine letzten Seuchenjahre im Profifußball zusammen. 2020 sah er ein: Es macht keinen Sinn mehr, der Körper streikte zu oft, um wirklich nochmal auf Top-Level im Profifußball durchzustarten. Also mit gerade einmal 26 das frühe Karriereende, nahezu zeitgleich jüngerer Bruder und Ex-05er Devante, der sogar mit nur 24 Sportinvalide wurde und nun in Stuttgart eine Ausbildung zum Steuerberater macht.

"Ich bin reifer geworden"

Aber ist es nicht schwer, mit so einem frühen Karriereende mental umzugehen? Vermisst er den Profifußball? Nein, sagt Shawn Parker. "Ich habe es akzeptiert. Für die schweren Verletzungen konnte ich ja nichts, sie sind fast immer im Zweikampf entstanden" sagt er. Außerdem: "Meine Sichtweise auf die Dinge hat sich geändert. Ich bin reifer geworden", sagt Parker. Andere Dinge stehen für ihn nun im Vordergrund. Seine Frau, seine vierjährige Tochter, sein sechs Monate alter Sohn. Und sein großes Projekt, die Fußball-Akademie.

Kleines Team als Unterstützung

Um die Trainingsarbeit auf dem topmodernen Wallauer Kunstrasen kümmert sich Parker federführend. Der Ex-Profi baut Hütchenparcours und Tore auf, spielt Bälle zu, gibt Anweisungen, dirigiert, plauscht nach den Einheiten mit den Eltern. Ums Drumherum und die Organisation kümmert sich Haybert Baghramian, ein Kindheitsfreund der Familie, der auch im Amateurfußball unter anderem beim SV Wiesbaden, dem Türkischen SV oder der SG Orlen kickte. Auch Shawns jüngster Bruder Jermaine (spielte in der Jugend bei Wehen und Gonsenheim, nun Aktive beim Kooperationspartner TV Wallau), der aus Wallau stammende Hessenliga-Torhüter Brandon Dorth (Rot-Weiß Walldorf) und Baghramians Cousin Samuel Zarukian (der seit Winter als Co-Spielertrainer beim TVW agiert) unterstützen Parker in seiner Akademie, die in den Ferien auch einwöchige Camps anbietet.

Jeder ist willkommen

Ob sechsjähriger Anfänger oder ein U17-Rohdiamant aus dem NLZ: Grundsätzlich ist jeder Fußballer bei Parker und seiner Akademie willkommen. "Spieler kommen aus Wiesbaden, dem Main-Taunus-Kreis, Frankfurt, aber auch von der anderen Rheinseite. Baghramian und Parker betonen beide: Die Akademie sei keine Konkurrenz für die Vereine, sondern "der ideale Zusatz", wie es Parker ausdrückt. Den Erwerb einer Trainerlizenz strebt Parker noch an, dafür dürfte er sich von einigen seiner ehemaligen Trainer was abgeschaut haben: Thomas Tuchel, Martin Schmidt, Markus Weinzierl, Horst Hrubesch. "Von jedem nimmt man etwas mit", sagt Parker.

Hauptsache der Ball ist im Spiel

Ganz wichtig für seine Trainingsarbeit in der Akademie: Der Ball muss immer im Spiel sein. "Das geht mir in der Vereinsarbeit manchmal zu sehr unter, gerade in den Nachwuchsleistungszentren wird den Kindern zu wenig Zeit und Freiheit gegeben, um sich zu entfalten", findet er. Dribbling, Abschluss, der erste Kontakt nach der Ballannahme und das freie Spielen seien für ihn elementar. Die klassischen Attribute eines Straßenfußballers eben.

Mehr Informationen zur Akademie von Shawn Parker findet ihr hier. Weitere Bilder und Videos gibt es auch auf Instagram.

Die Karriere von Shawn Parker in Bildern: