2024-04-25T14:35:39.956Z

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Lernt beim Zweitligisten Hamburger SV wieder die Sonnenseite des Fußballer-Lebens kennen: Sonny Kittel. 	Foto: dpa
Lernt beim Zweitligisten Hamburger SV wieder die Sonnenseite des Fußballer-Lebens kennen: Sonny Kittel. Foto: dpa

Zurück ins Glück

PROFIS: +++ Sonny Kittel hat als Fußballer schon alles erlebt, beim Hamburger SV blüht der Gießener richtig auf / Serie, Teil 6 +++

Hamburg. Das Trainingslager an der portugiesischen Algarveküste hat er mit etwas müden Beinen hinter sich gebracht. Was Sonny Kittel auf dem Rückweg nicht davon abhielt, im Testspiel am vergangenen Wochenende beim FC Basel seinen tollen Lauf fortzusetzen, an die blendende Form aus der Vorrunde der 2. Fußball-Bundesliga anzuknüpfen und beim 2:0-Erfolg ein Tor zu erzielen.

Kein Zweifel, der Mann, der am Dreikönigstag 1993 in Gießen das Licht der Welt erblickte, ist beim Hamburger SV angekommen. Schneller, als es sich Kittel selbst in den kühnsten Träumen gedacht hätte. „Wenige haben nach all meinen schweren Verletzungen der vergangenen Jahre erwartet, dass ich das schaffe. Ich habe mir den Glauben an meine Stärke und meine Qualitäten aber immer bewahrt“, sagt der offensive Mittelfeldspieler, der im Sommer 2019 vom Zweitliga-Absteiger FC Ingolstadt zum Weltclub an die Elbe wechselte.

Den Gazetten zufolge überzeugte HSV-Trainer Dieter Hecking einen der absoluten Wunschkandidaten für die neue Runde bei einem Treffen in seinem eigenen Wohnzimmer in Bad Nenndorf davon, bei den Hanseaten anzuheuern. Kittel („Der Coach hat mich direkt gepackt“), dem unter anderem auch ein Angebot des englischen Premier-League-Clubs Norwich City vorlag, überlegte nicht lange und gab seine Zusage. Es folgte eine Zweitliga-Hinserie, in der der Blondschopf weniger durch die Tattoos von Bruder Sammy (der spielt beim FC Gießen II in der Verbandsliga Mitte), seiner Mutter Marzena und eines Löwen auf dem rechten und seinem Lieblingsfilm „Das Streben nach Glück“ auf dem linken Arm für Aufsehen sorgte. Vielmehr sprühte der 1,79 Meter große Wirbelwind vor Energie und Tatendrang – was ihm in der Summe neun Treffer in 18 Einsätzen für die Hamburger einbrachte.

Der 27-Jährige war und ist damit maßgeblich daran beteiligt, dass der Erstliga-Dino von einst nach dem bitteren Gang in Liga zwei 2018 und Platz vier 2019 nun für 2020 endlich den Wiederaufstieg in die Beletage des deutschen Fußballs schaffen will. Auch wenn der aktuelle Rangzweite nach vier Partien im alten Jahr ohne Sieg und vor dem Rückrundenauftakt am kommenden Donnerstag zu Hause gegen den 1. FC Nürnberg den Atem der Herausforderer spürt.

„Unser Anspruch ist und muss es sein, den HSV in die erste Liga zu bringen. Natürlich wollen das auch andere, und das Feld der Kandidaten ist nicht klein. Aber wir sind alles erfolgshungrige Jungs. Ich bin optimistisch“, erklärt Sonny Kittel. Nach den klasse Vorstellungen im Trikot des sechsfachen Deutschen Meisters stand und steht für ihn sogar eine Nominierung für die Nationalmannschaft im Raum. Allerdings nicht für Deutschland, sondern für Polen, dem Geburtsland seiner Eltern. Kontakt zum Verband gab es aber noch nicht.

Die Verbindung in die mittelhessische Heimat ist dem früheren Jugend- und Junioren-Nationalspieler des DFB derweil sehr wichtig. „So oft es geht, fahre ich zu meinem Bruder und meiner Mutter“, sagt der „Familienmensch“ Sonny Kittel. „Aber ich bin auch liebend gerne mit meiner Frau Alice einfach nur hier zu Hause in unserer Wohnung in Hamburg. Ich genieße die Ruhe und diesen Rückzugsort. Genauso habe ich aber auch Hamburg schon ein bisschen kennen- und schätzen gelernt. Die wichtigsten Spots haben wir schon erkundet. Besonders mögen wir das Viertel um die Sternschanze, da gehen wir gerne mal essen und bummeln“, beschreibt der gebürtige Gießener das Leben in der Großstadt. An das Medieninteresse und den Rummel um den Fußball hatte er sich ja bereits während seiner langen Zeit bei Eintracht Frankfurt (1999 bis 2016) gewöhnt. „Das vergleiche ich immer mit dem HSV. Wobei ich jetzt ein wenig älter und reifer geworden bin“, sagt Kittel, der nach eigenem Bekunden durchaus auch mal als „Promi“ auf der Straße erkannt wird. „Diese Stadt und ihre Menschen lieben den Fußball, ob nun den HSV oder den FC St. Pauli“, fügt der Beidfüßer, der einen Vertrag bis 2023 besitzt, an.

Ruhiger und beschaulicher ging es in seinen Jahren beim FC Ingolstadt zu. Zunächst erneut gesundheitlich zurückgeworfen, hatte der hochtalentierte Kicker an der Donau die Möglichkeit, das Verletzungspech endgültig abzuschütteln und positiv nach vorne zu schauen. „Ich bin den Ärzten um Professor Pfab bis heute unendlich dankbar. Der Glaube war weg, auch der an meinen Körper. Aber ich habe ihn wiedergefunden. Jetzt kann ich endlich zeigen, was ich drauf habe.“ Und das ist eine ganze Menge.

„Wir haben in Portugal an unseren Defiziten gearbeitet und mit dem FC Basel eine Mannschaft geschlagen, die sich auf europäischer Bühne einen Namen gemacht hat. Jetzt kommt der Feinschliff. Die nächsten Tage tun uns gut, um frisch zu werden. Dann sind wir bereit“, will Sonny Kittel – wie es sein Vorname schon verrät – nach all dem Schatten nun die Sonnenseite in seiner Karriere nicht so schnell wieder verlassen.



Zur Person

Sonny Kittel (27) kam 1999 vom VfB Gießen als Jugendfußballer zu Eintracht Frankfurt- Dort durchlief er mehrere Nachwuchsabteilungen und spielte unter anderem in der U 17-Bundesliga Süd/Südwest. 2010 wurde er mit der B-Jugend der Riederwälder Deutscher Meister. Seinen ersten Bundesliga-Einsatz bestritt am 28. August 2010 beim 1:3 der Eintracht gegen den Hamburger SV, insgesamt sind es bislang 60 Partien (zwei Tore) im Oberhaus. Nach zahlreichen Knieverletzungen ging es für den offensiven Mittelfeldspieler 2016 zum FC Ingolstadt. Mit dem Abstieg in die 3. Liga 2019 verlor sein Vertrag die Gültigkeit und Kittel, der sämtliche DFB-Jugend-Nationalteams seit der U 16 durchlaufen hat, wechselte zum Hamburger SV. Dort hat der gebürtige Gießener einen Vertrag bis 2023 unterschrieben. (red)

Aufrufe: 023.1.2020, 08:00 Uhr
Volkmar Schäfer (Gießener Anzeiger)Autor