2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
In Mainz ging es nach der U19 nicht weiter, beim SVWW reichte es meist "nur" für den Hessenliga-Kader. Einen Einsatz in der Dritten Liga hat er absolviert. Nun will er mit Walluf den Klassenerhalt in der Verbandsliga packen.
In Mainz ging es nach der U19 nicht weiter, beim SVWW reichte es meist "nur" für den Hessenliga-Kader. Einen Einsatz in der Dritten Liga hat er absolviert. Nun will er mit Walluf den Klassenerhalt in der Verbandsliga packen. – Foto: Stock.adobe/Sabine Mohr

"Würde meinem 17-jährigen Ich raten, mehr zu tun"

Serie - Teil 12: Marvin Esser: In seinem einzigen Drittliga-Einsatz stand er einem späteren Star gegenüber +++ Seine Erkenntnis: Um es als Profi zu packen, reicht maximaler Trainingseinsatz nicht aus +++ Schöne Momente in Eddersheim und Walluf

Wiesbaden. Marvin Essers großer Auftritt auf der Profi-Bühne dauerte exakt 45 Minuten. Letzter Spieltag der 3. Liga in der Saison 2012/13. Ein Heimspiel für den SV Wehen Wiesbaden gegen den Karlsruher SC. Essers Gegenspieler? Ein gewisser Hakan Calhanoglu. Beide sind 1994 geboren, liefen als A-Jugendliche in einem Profiteam auf. Zwei Talente, deren Wege sich für 90 Minuten kreuzten. Es blieb ein flüchtiger Moment der Augenhöhe.

"Hakan war bereits der Dreh- und Angelpunkt bei den Karlsruhern", erinnert sich Esser. Eine Halbzeit lang mühte er sich gegen den spielstarken Zehner ab, ebenso wie seine Mannschaft gegen den (zu) starken KSC. Nach 20 Minuten traf Calhanoglu zum 0:3 aus Sicht des SVWW. Zur Halbzeit nahm der damalige SVWW-Trainer Peter Vollmann Esser vom Feld. Die Partie endet 2:4 und fortan nehmen Essers und Calhanoglus Karriere zwei unterschiedliche Richtungen.

Während Calhanoglu beim Hamburger SV und Bayer Leverkusen zum gestandenen Bundesligaspieler reifte, türkischer Nationalspieler wurde und schließlich bei den Mailänder Großklubs AC und Inter landete, blieb es bei Esser bei diesem einen Drittligaspiel.

Früh auf dem 05-Radar

Es ist zu diesem Zeitpunkt der vorläufige Höhepunkt der Karriere eines vielversprechenden Talents. Aufgewachsen in Dreikirchen, Westerwald, sammelte Esser erste fußballerischen Erfahrungen bei Glas-Chemie Wirges (bis U12) und der TuS Koblenz (bis U14). Schon da hatte ihn der FSV Mainz 05 auf dem Radar, weil er bei einem Sichtungstraining positiv herausstach. Regelmäßige Anfragen der Nullfünfer blockte er zunächst - "die Anfahrt wäre zu weit gewesen", erinnert er sich. Als U16-Spieler wagte er gemeinsam mit einem Koblenzer Mannschaftskameraden den Sprung ins NLZ, beide bildeten eine Fahrgemeinschaft.

Stammspieler in der U17

Einige Monate später zog Esser dann mit 16 nach Wiesbaden, ging dort auf die Elly-Heuss-Schule (EHS) und trainierte parallel im Mainzer NLZ. "Klar hatte ich Heimweh, aber in meiner Entwicklung hat es mich weitergebracht", findet Esser. In der U17 war er unter Meikel Schönweitz zunächst Stammspieler in der Bundesliga, erzielt in 23 Einsätzen vier Treffer. Er spielte mit späteren Profis wie Robin Zentner (FSV Mainz), Jannik Huth (SC Paderborn), Damian Roßbach (Hansa Rostock) oder Fabian Kalig (Karriereende, einst Aue) zusammen.

"Auf mich konnte man sich verlassen"

Seine Stärken? "Ich war zwar in dem Alter sehr zurückhaltend, aber auf mich konnte man sich verlassen. Ich war ein starker Pass- und Aufbauspieler", sagt der Defensivspieler. Doch in der U19 lief es unter einem neuem Coach nicht mehr wie gewünscht. "Der Trainer hat auf andere Spielertypen gesetzt, da habe ich nie so wirklich eine Chance bekommen", resümiert der 28-Jährige. Und fügt selbstkritisch hinzu: "Vielleicht habe ich aber auch einfach nicht genug angeboten."

Seinem 17-Jährigen Ich würde er heute raten, "mehr zu tun" als nur voller Leidenschaft zu trainieren. "Über das Training hinaus habe ich nie noch mehr getan, war nie alleine im Kraftraum oder habe Läufe für mich gemacht. Da hatte ich mit Schule und Freunden einfach andere Prioritäten", gibt Esser zu.

Mehr Spielzeiten am Halberg

Nach dem ersten U19-Jahr ging sein Weg in Mainz zu Ende und es folgte der Wechsel in den Nachwuchs des SV Wehen Wiesbaden. Eine naheliegende Lösung, denn Esser wollte unbedingt sein Abitur an der EHS fertig machen und in Wiesbaden wohnen bleiben. "Von der Organisation und der Ausstattung war das Wehener NLZ natürlich eine andere Nummer", erinnert sich Esser. Dafür sammelte er auf dem Halberg wieder ordentlich Spielzeiten.

Kapitän bei Wehens U23: Marvin Esser war wohl einer der dienstältesten Spieler der Wehener U23, als diese aufgelöst wurde. Hier im Duell am 12.4.2015 mit dem TSV Steinbach, es war eines der letzten Spiele in der Historie des Teams.
Kapitän bei Wehens U23: Marvin Esser war wohl einer der dienstältesten Spieler der Wehener U23, als diese aufgelöst wurde. Hier im Duell am 12.4.2015 mit dem TSV Steinbach, es war eines der letzten Spiele in der Historie des Teams. – Foto: Fingerhut

U19 und U23: Hohes Pensum

Fast sogar exzessiv: Er wurde Stammspieler der U19-Mannschaft, spielt auch in der Reserve der Profis in der Hessenliga mit. Doch weil zwei Spiele pro Wochenende auf diesem Niveau ein (zu) hohes Pensum waren, rückte er nach einem halben Jahr schon direkt in den Herrenbereich auf. Und geriet als 18-Jähriger ins Blickfeld der Profis, wo er gelegentlich mittrainierte und, weil einige Stammspieler für das Hessenpokalfinale drei Tage später geschont wurden, gegen Karlsruhe dann auch tatsächlich in die Startelf rückte.

Nach dem Trainingslager reicht es nicht mehr

Esser war nah dran an den Wehener Profis - hat aber letztlich den Sprung nicht gepackt. Das Sommertrainingslager mit den Profis absolvierte Esser noch, doch dann reichte es "nur" für Spiele in der Zweiten. Drei Jahre spielte er in der in der U23, war dort Kapitän und einer der dienstältesten Spieler, ehe sich im Sommer 2015 der Verein entschloss, die U23 vom Spielbetrieb abzumelden. Für Esser und seine Teamkollegen sei diese Entscheidung keine Überraschung gewesen.

"Wir haben es gefasst aufgenommen. Es war ja klar: Hier spielt keiner, bis er 35 ist. Wir waren ja eher eine Jugendmannschaft", erinnert er sich. Nun standen er und andere Teamkollegen vor der Frage: Es nochmal mit dem Profifußball probieren oder das Fußball nur noch als ambitioniertes Hobby zu betrachten? Esser lagen einige Angebote aus der Regionalliga vor, doch dafür hätte er umziehen müssen. "Da habe ich mich bewusst dagegen entschieden", sagt Esser.

Eddersheim entpuppt sich als Glücksfall

Sein alter Weggefährte Thorsten Barg machte ihm ein Engagement beim damaligen Verbandsligisten TSG Wörsdorf schmackhaft, dort war er hinter Andi Bonß Vize-Kapitän. Doch als Barg sich nach einer Saison verabschiedete "war klar, dass ich auch wechseln will".

Ein Jahr spielte Marvin Esser bei der TSG Wörsdorf und war Vize-Kapitän. Hier im Zweikampf mit Ilias Amallah von Biebrich 02
Ein Jahr spielte Marvin Esser bei der TSG Wörsdorf und war Vize-Kapitän. Hier im Zweikampf mit Ilias Amallah von Biebrich 02 – Foto: Tom Klein

Niklas Rottenau, noch so ein ehemaliger SVWW-Wegbegleiter, lockte ihn zum Ligarivalen FC Eddersheim. Pikant: Noch für Wörsdorf im Einsatz, hatte sich Esser ausgerechnet im Duell mit seinem zukünftigen Verein den Knöchel gebrochen.

Doch so schwierig die Vorzeichen waren, umso glücklicher erwies sich Essers Zeit beim "fantastisch geführten" FCE. "Trotz meiner langen Verletzung hat im Verein nie jemand an mir gezweifelt. Dazu war die Mannschaft ein eingeschworener Haufen", schwelgt Esser in Erinnerungen. 2018 gelang ihm als Stammspieler nach formidabler Runde der Hessenliga-Aufstieg, noch heute spielt der Verein aus dem kleinen Ort am Main in Hessen eine bemerkenswerte Rolle.

Beim FC Eddersheim erlebte Esser (rechts, im Zweikampf mit Camilo Rivera von Biebrich 02) drei glückliche Jahre und stieg in die Hessenliga auf.
Beim FC Eddersheim erlebte Esser (rechts, im Zweikampf mit Camilo Rivera von Biebrich 02) drei glückliche Jahre und stieg in die Hessenliga auf. – Foto: Udo Parker

Erneut lockt Barg

Doch weil sich der zeitliche Aufwand für die Hessenliga nicht mit Essers Schichtdiensten als Landesbeamter vereinbaren ließ, suchte er sich wieder einen unterklassigeren Verein - und erlag erneut dem Lockruf von Thorsten Barg. Es ging zur SG Walluf in die Kreisoberliga Rheingau-Taunus. Dass er nun mit der SG, dreieinhalb Jahre und zwei Aufstiege später, wieder Verbandsliga spielt, sei "so nicht geplant" gewesen, sagt er lachend.

Jetzt reinhören! Unseren Podcast zu Serie!

SVWW-Spezis bei der SGW

Bei der SGW fühlt er sich wohl, ist Vize-Kapitän und spielt gemeinsam mit einigen Spezis, die ebenfalls SVWW-Vergangenheit haben, wie Johannes Buff, Sandro Dahlen, Tobi Bellin oder Nils Balder. Wie lange, das mag der in Wiesbaden lebende Esser noch nicht abzuschätzen. Möglich, dass sich im Sommer eine neue Herausforderung für ihn auftut. Denn kurz vor der Winterpause musste Trainer Andi Bonß seinen Hut nehmen. Eine Entscheidung, "die definitiv nicht von der Mannschaft kam, denn wir hatten eine sehr starke Verbindung", wie Esser bekräftigt.

Mit Binde und Stutzen auf halb acht: Marvin Esser ist bei Walluf als Vize-Kapitän eine Führungsfigur - und will unbedingt den Klassenerhalt packen.
Mit Binde und Stutzen auf halb acht: Marvin Esser ist bei Walluf als Vize-Kapitän eine Führungsfigur - und will unbedingt den Klassenerhalt packen. – Foto: RSCP Photo

Barg weg, Bonß weg. Gut möglich also, dass sich Esser im Sommer nochmal eine andere sportliche Herausforderung sucht. "Lassen wir uns überraschen", sagt Esser über seine Zukunft. Bis Sommer zählt für ihn erst mal nur: Der Wallufer Klassenerhalt in der Verbandsliga. Der würde sich in seiner Vita fast so gut machen, wie einmal in der Dritten Liga gespielt zu haben.

Zur Serie: In dieser Reihe porträtieren wir ehemalige NLZ-Spieler, die den Sprung zum Profi nicht gepackt haben und nun bei Amateurteams aus der Region spielen. Sie erzählen uns, wie nah dran sie wirklich am großen Traum Profifußball waren und welche Ambitionen sie jetzt haben - sowohl auf als auch neben dem Platz.

- Teil 1: Linus Wimmer (SV Eintracht Trier)
- Teil 2: Lukas Fischer (TSG Bretzenheim)
- Teil 3: Lars Hermann (TSV Schott Mainz)
- Teil 4: Nik Rosenbaum (SV Alemannia Waldalgesheim)
- Teil 5: Joshua Iten (SG Hüffelsheim)
- Teil 6: Bilal Marzouki (FC Maroc Wiesbaden)
- Teil 7: Kevin Frey (VfB Bodenheim/TSG Mainz Futsal)
- Teil 8: Giorgio del Vecchio (TSV Schott Mainz)
- Teil 9: Marco Waldraff (SV Niedernhausen)
- Teil 10: Manuel Konaté-Lueken (Rot-Weiß Walldorf)
- Teil 11: Sandro Loechelt (Wormatia Worms)

Aufrufe: 031.1.2022, 05:00 Uhr
Philipp DurilloAutor