2024-04-29T14:34:45.518Z

Allgemeines

Wie der Kunstrasen die SG aus dem Tritt brachte

Der Ascheplatz am Kaarster See gehört der Vergangenheit an +++ Der Weg zum neuen Untergrund war mit Hindernissen gepflastert +++ Jetzt beginnt die Zukunft

"Ich glaube, die Arbeit eines Platzwartes wird unterschätzt", sagt Dirk Schneider mit ernstem Gesichtsausdruck und legt gleich nach. "Nein, ich weiß, das es so ist." Der oberste Übungsleiter der SG Kaarst weiß jetzt Bescheid, denn in der abgelaufenen Saison hat der 46-Jährige mit seinem Team diverse Aufgaben der Platzpflege selbst übernommen. Es waren die kleineren Auswirkungen der Großbaustelle Kaarster See, wo jetzt ein Kunstrasenplatz die altehrwürdige, aber ungeliebte Asche ersetzt. Der Weg zum künstlichen Grashalm war steinig.


Es herrschte Aufbruchstimmung, als im Sommer des vergangenen Jahres die Bagger anrollten. Die ohnehin großzügige und im Sonnenlicht strahlende Sport-Anlage sollte endlich ihr Prunkstück bekommen: zwei aneinandergrenzende Kunstrasenplätze. Einer sollte den abgewetzten Gummiplatz hinter dem Kabinentrakt mit einem Kleinfeldplatz ersetzen, der andere war ein Eins-zu-eins-Tausch mit dem Ascheplatz; dem Platz, der knapp 500 Jahre lang die Haupttrainingsstätte der SG-Kaarst-Fußball-Abteilung bildete.

Hunderttausende von Euros waren aufgebtrieben, die Stadt hatte den Bauantrag bewilligt und nun ging es endlich los. Das Team um den Vorsitzenden Rainer Heich hatte ein Ausweichkonzept für rund 30 Teams erstellt – alles andere als unkompliziert und mit vielen Aufwänden verbunden. Denn der zweite Ascheplatz im Stadtzentrum an der Pestalozzistraße war schon unter normalen Umständen gut ausgelastet. Im Winter sollte der Umbau abgeschlossen sein und die Teams nahmen die Unanehmlichkeiten mit wenig Verdruß in Kauf, denn das Ende der Übergangsmodalitätetn war absehbar. Eine Halbserie würde man das schon aushalten.

Doch es blieb nicht bei den angedachten vier Monaten Bauzeit. Es gab zwar nur kleinere Verzögerungen und der Umbau war weit vorangeschritten, als die kalte Jahreszeit hereinbrach. Im Dezmeber fehlte neben dem Kunstrasen aber noch die Unterschicht, die – grob gesagt – die letzte Schicht mit der vorletzten verbinden muss. Um diese aufzutragen, sollte es für einen Zeitraum von mehreren Tagen mindestens etwa acht Grad warm sein. Das Wetter spielte nicht mit und der Bauabschluss wurde vorsichtig auf den Februar/März verschoben. Wenig überraschend klappte es auch in dieser Zeit aufgrund der Kälte-Grade nicht. Letztlich dauerte es bis Ende April, ehe der herrliche neue Kunstrasenplatz sein Premieren-Spiel erlebte.

"In der Rückrunde hat es sich geknubbelt"

Acht Monate lang, die Hälfte davon unerwartet, bedeutete es für alle Teams der SG Kaarst mehr oder weniger Stress. Die Trainingsbedingungen auf der ramponierten und mitunter staubtrockenen Asche an der Pestalozzistraße dürfen getrost als suboptimal bezeichnet werden. Das galt entsprechend für die Spiele. Immer wieder mussten Treffpunkte verschoben, verlegt oder abgesagt werden. Die Kreisliga-Teams wichen mitunter in andere Ortsteile oder gar in andere Städte aus. "Es gab jede Woche neue Logistik-Probleme", erinnert sich Schneider, der ständig Spiele verlegen musste.

Dabei war die Hinrunde nur ein kleiner Vorgeschmack. Denn in der Annahme, der Kunstrasenplatz sei zur Rückrunde voll einsatzbereit, hatten fast alle Kaarster Mannschaften hin und wieder das Heimrecht getauscht. "Dadurch hat es sich in der Rückrunde natürlich noch mehr geknubbelt", erklärt Schneider. "Wir mussten Kabinen teilen und uns absprechen, wer bis wann geduscht sein muss. Ich kann nur allen beteiligten ein Kompliment für die Bereitschaft zu Kompromissen danken. Und Rainer Heich hat das immer wieder aufs Neue super koordiniert."

Wenn der Otto Rehhagel der Bezirksliga, Schneider geht kommende Saison in sein zehntes Trainer-Jahr bei der SG, sonntags den Ausweichplatz erreichte, fehlten auch schon mal die Eckfahnen. "Wir haben selbst die Linien nachgezogen oder Löcher in den Tornetzen geflickt – um mal einige Sachen zu nennen. Das ganze Team hat ständig angepackt, ohne die wäre hier gar nichts gegangen. Das ist alles nicht mal eben erledigt und eigentlich ist man ja mit dem Gegner beschäftigt", betont Schneider. Auch das Vereinsleben stand im Grunde still. "Diese Probleme haben einfach einen Rattenschwanz erzeugt."

Sportlich lief es für Bezirksliga-Mannschaft dennoch gut. Bis zur Winterpause lag die Schneider-Truppe auf einem beachtlichen dritten Rang mit Kontakt zum einzigen Aufstiegsplatz. "Irgendwann ist es dann doch durchgeschlagen, das wir im Grunde nie anständig trainieren konnten und unsere Konzentration immer wieder durch logistische Begebenheiten beeinträchtig wurde", erklärt Schneider, dessen Team zum Rückrundenstart ein ums andere Mal Punkte liegen ließ. "Dabei muss ich klar sagen, dass die Mannschaft trotz der scheinbar nicht enden wollenden Ärgernisse immer den Kopf oben gehalten hat. 20 Mann beim Training waren bis zum Ende der Asche-Zeit Standard. Klar wurde mal genörgelt, aber insgesamt entstand für mich nie der Eindruck, als würde die Stimmung ins Negative kippen. Die Einstellung der Jungs hat mich in all den Jahren mitunter am meisten beeindruckt."

"Es war eine Leidenszeit"

Schneider brachte sein Team Mitte der Rückrunde wieder auf Kurs, verlor nach Fertigstellung des Kunstrasenplatzes bislang kein Spiel mehr. "Rückblickend würde ich schon sagen, dass uns der Umbau mindestens ein halbes Jahr sportliche Entwicklung gekostet hat", meint Schneider. "Doch jetzt ist es vorbei und die Zukunft sieht glänzend aus."

Die neuen Plätze verschaffen allen Fußball-Teams der SG außerordnetlich gute Bedingungen. Die Jugend-Abteilung zählt zu den größten des Landes und die Erste dürfte auch in der kommenden Spielzeit zu den Favoriten der Bezirksliga zählen. "Es war eine Leidenszeit, aber wie immer im Leben, war sie lehrreich." Zumindest einmal kennt Schneider nun die alles andere als trivialen Aufgaben eines Platzwarts.

Aufrufe: 019.6.2015, 08:57 Uhr
Christian KurthAutor