2024-05-02T16:12:49.858Z

FuPa Portrait
Taso Kartalis im Einsatz für den SC Germania. F: Knispel
Taso Kartalis im Einsatz für den SC Germania. F: Knispel

Taso Kartalis: Ex-Nationalspieler mit Bullterrier-Gen

Vom talentierten Bundesligaspieler zum gesperrten A-Klassenakteur +++ Zwei schwere Verletzungen zur Unzeit +++ Gegen Khedira, Özil und Boateng gespielt +++ Hoffnung auf kleinen Bruder Alexandros +++ Karriereende bei Germania?

Anastasios Kartalis, den man eigentlich nur unter seinem Spitznamen Taso kennt, hat über ein bewegtes Fußballerleben zu berichten. Er schnupperte einst am Profigeschäft, spielte aber auch schon unter falschem Pass, was ihm eine mehrmonatige Sperre einbrachte. Besonders stolz ist er heute noch darüber, dass er sich in der U17 das Trikot der griechischen Nationalmannschaft überstreifen durfte. Ein folgenschwerer Kreuzbandriss ließ keine weiteren Einsätze zu. Heute hat er das Kapitel abgehakt und fühlt sich als Germane pudelwohl. Profi werden soll nun sein Bruder.

Gerade hatte er das Laufen gelernt, da war Anastasios, besser bekannt unter seinem Spitznamen Taso, Kartalis schon Mitglied im ersten Fußballverein. Seine bewegte Fußballerkarriere nahm ihren Anfang beim ESV West, der längst in der SG 83 Nürnberg-Fürth aufgegangen ist. Vier Jahre alt war er damals und der Trainer hieß Stergios „Steri“ Kartalis, sein Vater. Als es auf das Großfeld ging, holte ihn der 1. FC Nürnberg, wo er auf den heutigen Profi des Karlsruher SC, Enrico Valentini, traf. Mit ihm verbindet ihn noch heute eine enge Freundschaft. Trainer war Uwe Schönfeld, der Vater des heutigen Braunschweiger Profis Patrick Schönfeld.

Der wollte ihn schon vorher verpflichten, aber Kartalis wollte damals lieber mit seinen Freunden kicken, wenngleich er öfters am Valznerweiher mittrainierte. In der B-Jugend wechselte er über die Stadtgrenze zur SpVgg Greuther Fürth und wurde sofort in die B1 hochgezogen, da er einen gewissen Daniel Adlung ersetzen sollte, der zu den Profis aufstieg. Bekanntester Mitspieler war der heutige HSV-Profi Nicolai Müller, aber auch Sascha Amtmann (TB Johannis 88), Daniel Wolf (Spielertrainer bei der SpVgg Diepersdorf) sind mehr als geläufige Namen, wenn man den Amateurfußball verfolgt. „Das war damals ein Megakader“, zeigt sich Kartalis noch heute begeistert. Dort spielte er auch mit Sercan Sararer zusammen, der bei der SpVgg Greuther Fürth unter Vertrag steht und mit dem er noch heute eng verbunden ist. Ähnlich verhält es sich mit dem verschmähten Fürther Publikumsliebling Stephan Schröck, auch wenn er nie mit ihm zusammenspielte.

Von Khedira, Özil und Boateng

Unter Trainer Rachid Azzouzi, der die Truppe im zweiten B-Jugendjahr von Heinz Krapf übernahm, war der heute 28-Jährige auf der „Sechs“ eine Bank. „Das war ein besonderer Trainer für mich. Er hat mich sehr geprägt.“ So sehr, dass Kartalis zum U17-Nationalspieler Griechenlands reifte. Gegen Frankreich durfte er sich neben Sokratis Papastathopoulos, der bei Borussia Dortmund unter Vertrag steht, die Hellas-Farben überstreifen. In der A-Jugend folgte der Schritt zurück zum Club in die Junioren-Bundesliga, wo er beispielsweise mit Berkan Caglar (TSV Kornburg), Florian Jakl (SpVgg Steinachgrund), Anton Makarenko (SpVgg Bayreuth) oder Ahmet Kulabas (ATSV Erlangen) zusammenspielte. Mit Kulabas ist er immer noch sehr gut befreundet.

Kartalis war fast am Höhepunkt seiner Karriere und das Profigeschäft, das frühere Gegenspieler wie Sami Khedira (damals VfB Stuttgart), Mesut Özil (FC Schalke 04) oder Jerome Boateng (Hertha BSC Berlin) später eindrucksvoll erreichten, hatte er dicht vor Augen, da erlitt er einen herben Rückschlag. Kurz vor dem Winter riss er sich das Kreuzband und auch der Innenmeniskus blieb nicht unversehrt. Sechs Monate Zwangspause waren die Folge. Im zweiten Jahr A-Jugend wurde er dann zum FC Amberg ausgeliehen, wo er sich bei der ersten Mannschaft in der Landesliga Spielpraxis holen sollte. Das war noch vor der Reform, weshalb er auch von „der echten Landesliga“ spricht, die damals noch die fünfte Liga war. Zusammen mit Eleftherios Sadikis und Ilker Caliskan wurde er dort Bayerischer Meister in der Hallenrunde. Sein Trainer war der noch heute hochgeschätzte und viel zu früh verstorbene Apostolos Bertsos, der gleichzeitig auch seinen Berater mimte. Schließlich lief der Vertrag mit dem 1. FC Nürnberg aus und der FC Ingolstadt verpflichtete Kartalis als Perspektivspieler. Unter Coach Jürgen Press, der seit dieser Saison die DJK Ammerthal unter seinen Fittichen hat, durfte er mit der Regionalligatruppe (damals dritte Liga Deutschlands) trainieren, wurde aber nur in Pokalspielen eingesetzt. Im Winter wurde Press entlassen und dessen Nachfolger hieß Thorsten Fink, der eine andere Philosophie verfolgte. Der tschechische Ex-Nationalspieler Vratislav Lokvenc wurde geholt und stattdessen die Youngster außen vor gelassen. „Die jüngeren Spieler wurden nicht mehr beachtet“, sodass Kartalis das Weite suchte und sich der SpVgg Ansbach anschloss. Der Traum vom Profi war noch nicht zu den Akten gelegt, sodass ihm ein Berater aus Frankfurt ein Probetraining auf Zypern vermittelte. Zusammen mit dem heutigen Eltersdorfer Sebastian Lindner spielte er bei Nea Salamina vor. Während Lindner einen Vertrag bekam, verletzte sich Kartalis im Training und der Traum war zerplatzt. Über ein Vierteljahr fiel der Fußballverrückte aus.

Statt Profi auf Zypern gesperrter A-Klassenspieler

Als er langsam wieder auf die Beine kam, hielt er sich beim A-Klassisten SSV Elektra fit, den sein Vater trainierte. Das Spitzenspiel gegen den ASV Buchenbühl stand an und er ließ sich zu einem großen Fehler hinreißen. „Der Drang nach Fußball war so groß, dass ich einen großen Fehler machte und auf falschem Pass spielte. Das war saudumm“, findet er klare Worte. Zwar spielte er nur eine Halbzeit und suchte danach sofort das Weite, aber längst war der unerlaubte Spielereinsatz aufgefallen. Ein Vierteljahr Sperre bekam er aufgebrummt, sein Vater musste seine Trainertätigkeit gar ein halbes Jahr einstellen. Besonders pikant war, dass er am Montag nach dem Spiel einen Vertrag beim FC Amberg unterschrieb und am folgenden Wochenende auch zum Einsatz kam, ehe die Tragweite der Verfehlung zum Vorschein kam. „Die Amberger Verantwortlichen wussten davon nichts und hatten danach natürlich Angst vor einem Punktabzug. Deswegen wurde ich nach einem Gespräch vorsorglich suspendiert“. Völliges Verständnis hat er heute für diese Entscheidung. „Danach hatte ich erstmal die Schnauze voll und hab ein halbes Jahr gar nichts gemacht.“ Doch Ahmet Koc erinnerte sich an ihn und überzeugte ihn von einem Neuanfang beim SC 04 Schwabach. „Er hat mich zurück ins Fußballerleben geholt.“ Es war das Jahr der großen Reform und im letzten Bezirksoberliga-Jahr schafften die Nullvierer als Fünfter den Aufstieg in die Landesliga. Dort war der Modefreak, der nebenbei modelt und dabei auch schon für eine Nike-Werbekampagne den Laufsteg bestieg, unangefochtener Leistungsträger und erzielte sechs Treffer als defensiver Mittelfeldspieler: Eine beachtliche Quote. Bayernligist ASV Neumarkt hatte starkes Interesse an einer Verpflichtung und so folgte im nächsten Winter der nächste Wechsel. Allerdings standen die Vorzeichen nicht gut, denn in seinem letzten Einsatz vor der Winterpause kassierte Kartalis eine Rote Karte, die eine Sperre von vier Spielen zur Folge hatte. „Dadurch hatte ich einen schweren Stand, zumal es gegen den Abstieg ging.“ Trainer-Urgestein Erich Hock setzte auf andere Säulen. Kartalis zog es nach einem kurzen Abstecher zur DJK Ammerthal zurück nach Schwabach. Sein zweites Wirken bei den Nullvierern blieb aber lange nicht so erfolgreich wie das Erste.

Zur Unterschrift "gezwungen"?

Seit der Saison 2015/16 ist Kartalis nun der Kopf des SC Germania. Dass er dort gelandet ist, war eigentlich gar nicht geplant. Der Kontakt kam über Benjamin Wittmann zustande, der ein Shisha-Café betreibt. Wittmann versuchte Kartalis den Wechsel zu den Germanen schmackhaft zu machen. Der aber zauderte lange. „Dann hab ich es mir doch einmal angeschaut und mit Coach Serdar Dinc ein sehr gutes Gespräch geführt.“ Er erbat sich zwei Wochen Bedenkzeit. Dazwischen wurde beim SC Germania ein Kleinfeldturnier organisiert, das sich Kartalis anschauen wollte. „Es gab Shishas vom Benni und bereits mittags haben wir Cuba Libre und ein paar Pilsla getrunken.“ Gegen Abend wurde Kartalis dann in den Platzwartraum gelockt. „Da lag ein Stift und ein Passantrag auf meinen Namen. Alle haben auf mich eingeredet. Davon gibt es sogar ein Video“, erzählt Kartalis aus dem Nähkästchen. Am Ende setzte er seine „erzwungene“ Unterschrift unter den Antrag und ist seither ein Germane. „Ich habe das noch nie bereut. Selten habe ich mich in einem Verein so heimisch gefühlt. Serdar ist wie ein Papa und Bruder für mich. Ihn liebe ich über alles und würde auch alles für ihn machen“, beschreibt er die enge Männerfreundschaft zwischen Trainer und seinem Kapitän. „Ich kann mir sogar vorstellen, dass ich hier meine Karriere beende.“ Bei den Germanen machte er sich einen Namen als Elfmeterweltmeister. Von acht Strafstößen verwandelte er deren sieben. Nur gegen den TB Johannis 88 verschoss er. „Den hab ich über die Latte geballert“, ärgert er sich noch heute.

Freilich wäre Kartalis gerne Profi geworden und hatte auch die Veranlagungen dazu. „Manchmal frage ich mich schon: Wie blöd bist du eigentlich? Früher war ich wie ein Bullterrier und habe meine Karriere weggeworfen“, sucht er heute die Schuld bei sich selbst. „Wie sagt man immer so schön: Alkohol und Weiber standen der Karriere im Weg“, dabei kann er sich ein Lachen nicht verkneifen. Ein Gutes hat es aber, denn seinem Bruder Alexandros lebte er vor, wie man es eben nicht macht. Er musste die Fehler seines großen Bruders nicht nachmachen und steht bei der SpVgg Greuther Fürth unter Vertrag. Der zweijährige Leihvertrag zum Drittligisten VfR Aalen endet nach der aktuellen Saison und der abgeschlossene Vierjahreskontrakt läuft noch ein Jahr weiter. „Ich war damals undiszipliniert. Wir sind sogar vor Spielen noch weggegangen. Mein Bruder dagegen trinkt überhaupt keinen Alkohol und hat auch noch nie geraucht.“ Jetzt schaut er lieber ihm zu und hofft, dass er es besser macht als der große Bruder.

Aufrufe: 08.3.2017, 12:01 Uhr
Matthias JanouschAutor