2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Streift sich wieder das Trikot des FC Gießen über: Michael Fink (links).	Archivfoto: Hedler
Streift sich wieder das Trikot des FC Gießen über: Michael Fink (links). Archivfoto: Hedler

Stippvisite für eine Halbserie

RL SÜDWEST: +++ Freundschaftsgefallen für Trainer Cimen: Michael Fink über den Grund für seine Rückkehr zum FC Gießen und Zukunft beim FC Hanau +++

Gießen. Wenn es um Protagonisten geht, die eng mit der Hessenliga-Meisterschaft des FC Gießen und dem damit verbundenen Aufstieg in die Regionalliga Südwest 2019 verbunden werden, fällt ein Name immer wieder: Michael Fink. Der 137-malige Bundesligaspieler führte das Team als Denker und Lenker im Mittelfeld zu diesem Erfolg. Ferner arbeitete er gemeinsam mit Coach Daniyel Cimen, bester Freund und Trauzeuge Finks, an der Zukunft der Mannschaft. Unmittelbar nach dem Sprung in die Viertklassigkeit kam es zum Zerwürfnis mit den damaligen Clubverantwortlichen um Geschäftsführer Jörg Fischer und Vorsitzenden Dominik Fischer, sodass Fink als Spielertrainer zum Hessenligisten FC Hanau 93 wechselte. Jetzt ist der 38-Jährige zurück beim FCG und soll dem Vorletzten helfen, den Abstieg zu verhindern. Nach seinem ersten Training auf dem Kunstrasen an der Millerhall am Samstag sprach Fink über das Comeback und die nächsten Monate als Spieler in Gießen und Trainer in Hanau.

Hat Daniyel Cimen lange gebraucht, Sie von der Rückkehr zu überzeugen?

Jein. Im Sommer war es schon einmal Thema, ob ich nicht Lust hätte, wiederzukommen. Damals habe ich noch verneint, weil damals noch die Personen im Verein waren, warum es für mich 2019 zu Ende gegangen ist im Verein. Natürlich war auch eher der Plan, sich im Trainergeschäft als Cheftrainer in der Hessenliga in der zweiten Saison weiterzuentwickeln. Deswegen war es schon ein langer Prozess. Anfang Dezember kam das Thema erneut auf, als mich Daniyel anrief und meinte, er müsste mal mit mir reden. Wir reden ja jeden Tag miteinander, aber wenn er so etwas sagt, steckte schon mehr dahinter.

Wir haben uns dann täglich unterhalten, wie es hier weitergehen soll und mit meiner Tätigkeit in Hanau. Aufgrund der Pandemie gehe ich nicht davon aus, dass wir vor März in der Hessenliga wieder starten werden mit den Ligaspielen. Und ich denke nicht, dass die Saison da komplett zu Ende gespielt wird, sondern eventuell nur die Halbserie. Das wären noch acht Spiele für uns. Sonst hätte ich es nicht gemacht. Wir sind mit Hanau zwar sehr guter Dritter, haben aber zehn Punkte Rückstand, sodass der erste Platz sehr unwahrscheinlich ist. Deswegen habe ich gesagt, ich lasse den Verein nicht im Stich und kann das hier in Gießen ruhigen Gewissens angehen.

Ich versuche, Daniyel und der Mannschaft als Spieler noch einmal zu helfen. Es ist wirklich nur ein Freundschaftsdienst Daniyel gegenüber, weil wir auch privat sehr eng verbunden sind. Ich möchte den Verein nicht schlechtmachen, aber es hat mit dem FC Gießen an sich nichts zu tun. Und es ist natürlich eine Herausforderung für mich, der ich mich aber gerne stelle.

Bei Ihrem erstem Engagement waren Sie mehr als nur Spieler, haben auch die Zusammenstellung des Kaders im Blick gehabt. Der Verein wollte damals einen anderen Weg gehen, es kam zur Trennung. Welche Rolle hat es für Ihre Entscheidung gespielt, dass von den damaligen Verantwortlichen niemand mehr da ist?

Ansonsten wäre das nicht in Frage gekommen. Ich wäre nicht zurückgekommen, weil es auch gegen meine Prinzipien gewesen wäre. Damals ist vieles nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe oder wie es mir auch mitgeteilt worden ist, als ich 2018 noch in Watzenborn-Steinberg angefangen hatte. Es waren ganz andere Ziele und ein ganz anderes Denken da, was innerhalb weniger Wochen kaputtgemacht wurde.

In der Regionalliga haben Sie zuletzt in der Saison 2016/17 für Waldhof Mannheim gespielt, zudem werden Sie am 1. Februar 39 Jahre alt. Machen Sie sich über solche Dinge Gedanken?

Würde ich es mir nicht zutrauen, in der Regionalliga noch eine gute Rolle spielen zu können, dann hätte ich den Schritt nicht gemacht. Ich glaube, dann wäre Daniyel auch nicht auf mich zugekommen. Er hat mich in Hanau auch einige Male spielen sehen in der Hessenliga. Da habe ich jedes Spiel gemacht, war in jedem Training und halte mich privat noch fit. Natürlich mache ich mir über das Alter Gedanken, aber nicht erst, seitdem ich 38 bin, sondern auch schon mit 34, 35 war das so. Ich fühle mich fit und werde versuchen, der Mannschaft einen Impuls zu geben – zu führen. Ich hoffe, wir schaffen es, zusammen nicht abzusteigen.

Wie sehr haben Sie den FCG in dieser Saison verfolgt und wo muss sich die Mannschaft verbessern, um den Klassenerhalt zu schaffen?

Im Stadion war ich auch aufgrund der Pandemie nicht, es waren ja auch nur wenige Zuschauer und zuletzt gar keine mehr erlaubt. Ich habe zwei Spiele im Livestream geschaut und bin ständig im Kontakt mit Daniyel. Vor der Saison schon im Sommer, als wir über mögliche Transfers für seine Mannschaft gesprochen haben. Wir sind im Fußball immer im Austausch, ob wir nun zusammenarbeiten oder nicht. Ich glaube, was der Mannschaft fehlt, ist eine gewisse Führung auf dem Platz – wenn ein Spiel mal nicht so läuft, wie sie es sich vorstellt. Wie zum Beispiel gegen Stadtallendorf. Da ging die Mannschaft mit einer 1:0-Führung zum optimalen Zeitpunkt in die Pause, kam dann raus und kassierte schnell den Ausgleich, was immer passieren kann. Dann hat man aber gemerkt, dass sie auseinandergefallen ist. In der zweiten Halbzeit ging nicht mehr viel. Da hat einfach ein Ruhepol gefehlt, der auch dirigiert. Von außen ist das nicht immer so möglich, wie man das auf dem Platz machen kann. Es fehlt, in gewissen Phasen die Ruhe zu behalten, sein Spiel weiter zu spielen, sich nicht verunsichern zu lassen und natürlich die Torchancen zu nutzen. Und selbst wenn das nicht läuft, trotzdem weiter Gas zu geben, sich nicht zurückzunehmen oder Selbstvertrauen zu verlieren. Das gilt es aufzubauen und jemanden zu haben, der das mitführen kann.

Das wird sicherlich auch eine wesentliche Aufgabe für Sie sein, richtig?

Natürlich, das war ja in der Hessenliga-Saison nicht anders. Ich werde keine zehn Tore schießen, dafür bin ich nicht bekannt. Die Aufgaben sind: Führung zu übernehmen, voranzugehen, die Mannschaft auch mal aufzuwecken, wenn sie mal einen Schub braucht. Auch mal durch Aktionen, den einen oder anderen zu pushen.

Auf welchem Fitnesslevel sind Sie und ist das Derby am kommenden Samstag gegen Steinbach schon ein Thema?

Ich glaube, dass mein Fitnessstand gut ist. Ich habe im Dezember über 20 Läufe absolviert. Ich war fast jeden Tag sehr aktiv, habe über 170 Kilometer abgespult, täglich waren es an die zehn Kilometer. Natürlich ist Mannschaftstraining noch einmal etwas anderes, aber ich glaube, das wird relativ schnell gehen. Ich habe genug junge Spieler um mich herum, die mehr laufen können, um mich vielleicht auf andere Dinge mehr zu konzentrieren. Man muss schauen, wie die nächsten Tage verlaufen. Man muss sich auch ein bisschen finden, wobei ich den einen oder anderen auch noch kenne, aber das Gesicht der Mannschaft ist schon ein anderes. Ich würde mir definitiv zutrauen, bereits gegen Steinbach zu spielen.

Wenn es in der Hessenliga wieder losgehen sollte: Gibt es eine Vereinbarung mit Hanau, falls sich die Spieltermine überschneiden sollten?

Erst einmal werden wir in Hanau versuchen, dass die Spiele nicht am selben Tagen stattfinden. Sollte das der Fall sein, dann wird mein Co-Trainer in Hanau, der das bislang auch immer von außen geführt hat, das ganz normal übernehmen. Ich habe vollstes Vertrauen zu Ioannis Takidis und arbeite sehr eng mit ihm zusammen. Ich sehe da überhaupt keine Probleme.

Und im Sommer ist definitiv wieder Schluss beim FCG? Ist darüber schon gesprochen worden?

Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Die Priorität liegt darauf, die Liga mit aller Macht zu halten. Im Sommer kann man über alles Weitere reden oder eben auch nicht. Das ist Zukunftsmusik.

Aufrufe: 09.1.2021, 08:00 Uhr
Thomas Suer (Gießener Anzeiger)Autor