Spiel eins nach Jörg Kraus

Bergisch Gladbach. Als am Montagmorgen bei Jörg Kraus das Telefon klingelte, hat er ohne böse Vorahnung abgenommen. Warum auch nicht? Das Display zeigte den Anruf eines inzwischen guten Bekannten. Dietmar Schacht war am anderen Ende der Leitung. Was der Chefcoach des Fußball-Mittelrheinligisten SV Bergisch Gladbach 09 dem Torwarttrainer mitzuteilen hatte, war allerdings ziemlich überraschend: Nach 13 Jahren Vereinszugehörigkeit ist Kraus seinen Job los.

„An seinen fachlichen Qualitäten gab es überhaupt keine Zweifel”, sagt Schacht. „Aber im zwischenmenschlichen Bereich hat es zuletzt nicht mehr gepasst. Ich mache diesen Schritt nicht, weil er mir gut gefällt. Ich mache das zum Wohle des Klubs und der Mannschaft.” Es ist Schachts gutes Recht, über seinen Mitarbeiterstab zu entscheiden. Eine kontrollierende Instanz gibt es schon lange nicht mehr. Erst vor der Saison hat der Aufsichtsratsvorsitzende Michael Hahn dem 51-jährigen Fußballlehrer die totale Handlungsfreiheit überlassen.

Man mag das sinnvoll finden, man muss es aber nicht sinnvoll finden. Im Umfeld gibt es viele Stimme, die über diesen Schritt zumindest erstaunt sind. Kraus galt stets als gute Seele des Vereins. „Mir war es immer wichtig, für gute Stimmung zu sorgen”, sagt Kraus. „Auch wenn die Zeiten mal nicht so gut waren, habe ich immer versucht, Hoffnung zu verbreiten. Ich denke, dass ich stets nah an der Mannschaft dran war.”

In der Halbzeitpause der letzten Begegnung gegen die Reserve von Alemannia Aachen soll es in der Kabine zu einem Vorfall verbaler Art gekommen sein. Es stand bereits 0:3, es hätte auch 0:5 stehen können. Über den genauen Inhalt der Differenzen schweigen sich beide Seiten aus. „In einem Gespräch unter Männer hätte man die Situation sicher klären können. Zumindest war das immer mein Standpunkt. Ich konnte es am Montagmorgen selbst nicht glauben, als mir Herr Schacht seinen Entschluss mitgeteilt hat”, sagt Kraus. „Aber er ist der Chef. Er kann entscheiden. So bitter es für mich ist, das Kapitel Bergisch Gladbach 09 ist erledigt. Es gibt vorerst kein Zurück. Ich möchte jedoch nachdrücklich betonen, dass ich Verein und vor allem Mannschaft alles Gute wünsche.”

Nach 13 Jahren ist nun also Schluss. Drei- oder viermal in der Woche hat er für wenig Geld die Torhüter des SV Bergisch Gladbach 09 trainiert. Es waren seine Freunde. Er hat Sven Forsbach zu einem der besten Schlussmänner der Region gemacht. Auch Michael Cebulla hat eine beachtliche Entwicklung genommen. Sonntags war Kraus bei jedem Heimspiel, bei jedem Auswärtsspiel dabei. Bergisch Gladbach 09 war seine zweite Familie. Er hat alle Höhen erlebt, er hat alle Tiefen erlebt. „Ich weiß gar nicht, wie es sich anfühlt, wenn man das ganze Wochenende frei hat”, so Kraus. „Ich muss die Angelegenheit nun zunächst sacken lassen. Danach wird man sehen, wie es weiter geht.” Anfragen anderer Vereine gab es bislang noch nicht. Aber das wird nicht lange auf sich warten lassen. Ein Mann wie Kraus könnte schnell einen neuen Klub finden.

Präsident Patrick Duske steht hinter Schachts Entscheidung: „Wir sind ein Team und tragen das gemeinsam. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir uns bei Jörg Kraus für die Arbeit bedanken. Er ist jederzeit ein willkommener Gast. Mir ist es ganz wichtig, dass wir jetzt Ruhe in den Verein bekommen. Denn das war zuletzt leider nicht immer der Fall.”

Dietmar Schacht hingegen hat bereits mit der Suche nach einem Nachfolger begonnen — und ist schnell fündig geworden. Und zwar in den eigenen Reihen. Der langjährige 09-Torwart Carsten Scheel wird ab sofort neuer Torwart-Trainer der ersten Mannschaft. Zurzeit trainiert er mit Marcus Frede die Bergisch Gladbacher C-, B- und A-Jugend und übernimmt nun zusätzlich den Posten von Jörg Kraus. Scheel, seit 2000 mit einer kurzen Unterbrechung beim Verein, spielte von der A-Jugend bis hin zur ersten Mannschaft für den SV Bergisch Gladbach 09. Schacht hat dem 31-Jährigen sein Vertrauen ausgesprochen und freut sich auf eine gute Zusammenarbeit.

Pokalfinale gegen Wiehl

Der SV Bergisch Gladbach 09 bestreitet am Donnerstagnachmittag (15 Uhr) das Endspiel um den Kreispokal gegen den Bezirksligisten FV Wiehl (Sportplatz des SV Eintracht Hohkeppel). Bereits um 11 Uhr geht es zwischen der SSV Homburg-Nümbrecht um den dritten Platz. Um 13 Uhr beginnt das Frauen-Endspiel zwischen Union Biesfeld und dem 1.FFC Bergisch Gladbach.

Der Höhepunkt dürfte aber der Auftritt des SV Bergisch Gladbach 09 werden. Der Mittelrheinligist geht als klarer Favorit in die Begegnung, auch wenn Trainer Dietmar Schacht über die Terminierung wenig erfreut ist. Denn schon am Sonntag steht in der Meisterschaft die wichtige Begegnung mit dem gastgebenden SV Nierfeld auf dem Programm.

„Wir wollen den Pokal gewinnen”, sagt Dietmar Schacht. „Jetzt geht es um die Ehre und das Prestige.” Für den Bitburger-Pokal auf Mittelrheinebene haben sich die beiden Finalisten bereits qualifiziert. Der 51-jährige Trainer wird einigen Spieler Einsatzzeit geben, die zuletzt nur sporadisch auf dem Platz standen — zum Beispiel Kevin Reuter, Hideatsu Ichihara und Idrissa Sow.