Mönchengladbach. Ein letztes Mal streift er sich die Schwarz-Rot-Goldene Binde über, führt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft auf den Rasen und kurz vor Spielende werden sich die Zuschauer in Mönchengladbach erheben, um Bastian Schweinsteiger ihren Respekt zu erweisen.
Kritiker gibt es nicht zu wenige. Zu langsam und verletzungsanfällig sei der 32-jährige Rechtsfuß, sind die am häufigsten genannten Schwächen. Zugegeben, sein Spielstil hat nicht die Coolness eines Andrea Pirlo, nicht die Fehlerlosigkeit eines Xavier Hernández und erst recht nicht die Leichtigkeit eine Andrés Iniesta. Dafür hat wohl keiner ein so großes Kämpferherz wie der langsam ergrauende Bayer. Immer wieder raffte er sich nach Rückschlägen auf, quälte seinen verletzungsanfälligen Körper und büßte dies mit langen Ausfallzeiten.
Bewertet man Schweinsteiger allein nach seinen fußballerischen Fähigkeiten, dürfte er nicht annäherungsweise an die heute 121 Länderspiele herankommen. In Erinnerung bleiben neben vielen grandiosen Spielen ebenso solche, über die man gerne den Mantel des Schweigens legen würde. Das diesjährige EM-Halbfinale gegen Frankreich (0:2), als er den Handelfmeter zum 0:1 verschuldete, ist so eines. Außerdem stehen seine eher unterdurchschnittlichen Leistungen bei der WM 2014 bis einschließlich zum Viertelfinale gegen Frankreich (1:0) dafür. Wie so oft, mühte er sich damals gegen die Nachwehen einer Verletzung sowie gegen die Zeit.
Anstand. In der Stunde des größten Erfolgs tröstete "Schweini" Lionel Messi. F: Images
Wenn es jedoch darum geht, aus seinen Möglichkeiten das Maximum herauszuholen, kann dem achtfachen Deutschen Meister kaum einer das Wasser reichen. Die vom traumatischen "Finale dahoam" gebeutelten Bayern holten unter ihrem Regisseur und nimmermüden Antreiber mit der Nummer 31 nur ein Jahr später den wichtigsten Klub-Pokal im Weltfußball. 2014 schwang sich der Deutsche Fußballer des Jahres 2013 zur nationalen Sport-Ikone auf. Seine blutigen Wunden und Tränen im WM-Finale von Rio de Janeiro gepaart mit seiner "Niemals-Aufgeben-Haltung" sind untrennbar mit dem vierten deutschen Weltmeistertitel verbunden.
In einer immer mehr irreal wirkenden Parallel-Gesellschaft, in der sich heutige Fußballprofis einfach nur peinlich bewegen, ist Schweinsteiger einer der wenigen, der noch als echtes Vorbild taugt. Nie hörte man von ihm öffentliche Aussagen, in denen er eine andere Position forderte, einen Mitspieler, Trainer oder die Transferpolitik des Klubs kritisierte. "Bastian ist in einem Atemzug mit Franz Beckenbauer und Gerd Müller zu nennen", huldigte ihn sein Triple-Trainer Jupp Heynckes in den höchsten Tönen, "er war die Seele und das Herzstück der Mannschaft. Er tat alles für die Mannschaft, nicht für sich."
Abgang. Nach der Auswechslung im EM-Halbfinale 2016 gegen Frankreich. F: Images
Ob sein Rücktritt aus der Nationalmannschaft zwei Jahre zu spät kommt, soll an den Stammtischen der Nation diskutiert werden. Unbestreitbar ist, dass Bastian Schweinsteiger eine große sportliche, aber vor allem menschliche Lücke hinterlässt, die seine Erben Manuel Neuer, Thomas Müller oder Jérôme Boateng erst einmal füllen müssen.
Bastian Schweinsteiger; Geboren am 1. August 1984 in Kolbermoor. Verheiratet mit Ana Ivanović seit 12. Juli 2016, Ausbildung zum Bürokaufmann.
Vereine: 1987-92 FV Oberaudorf, 1992-98 TSV Rosenheim, 1998-2015 FC Bayern München, Seit 2016 Manchester United.
Erfolge: Weltmeister 2014, Champions League Sieger 2013, 8 Mal Deutscher Meister (2003,´05,´06,´08,´10,´13,´14,´15), 7 Mal DFB-Pokalsieger (2003,´05,´06,´08,´10,´13,´14), FA-Cup-Sieger 2016, FIFA Klubweltmeister 2013, UEFA-Super-Cup-Sieger 2013, Deutscher Fußballer des Jahres 2013.