2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Der ehemalige Klasse-Keeper Stefan Riederer an der Linie? Es wird wohl - Stand heute - eher die Ausnahme bleiben.
Der ehemalige Klasse-Keeper Stefan Riederer an der Linie? Es wird wohl - Stand heute - eher die Ausnahme bleiben. – Foto: Simon Tschannerl

Riederer: »Möchte nicht gleich wieder aus dem neuen Haus ausziehen«

Ex-Profi Stefan Riederer, seit Ende September Interimstrainer von Bayernligist Cham, im Interview

Drittliga-Profi bei Haching und in Chemnitz. Jahrelanger Rückhalt von Bad Kötzing und Cham. Stefan Riederers Leben wurde bislang vom Fußball bestimmt. Das sollte sich eigentlich ändern, die Familien in den Vordergrund rücken. Die Kinder sind noch klein, das neugebaute Haus gerade bezogen. Deshalb hat sich der ehemalige Klasse-Keeper nach der Corona-bedingten Marathon-Saison eigentlich vom aktiven Fußballgeschäft verabschiedet. Er war zusammen mit seinem Bruder Michael "nur" noch Torwart-Trainer von Bayernligist ASV Cham.

Beim ASV läuft die zweite Spielzeit in der 5. Liga allerdings alles andere als zufriedenstellend. Der Wurm ist drin bei den Kreisstädtern, es riecht nach Abstieg. Christian Ranzinger und Josef Holler mussten deshalb gehen. Plötzlich stand Stefan Riederer wieder im Fokus bzw. an der Linie. Und genauso schnell wie der Finanzexperte ins Rampenlicht zurückgekehrt ist, möchte er auch wieder verschwinden. Der 35-Jährige im FuPa-Interview über seinen Freundschaftsdienst, über Möglichkeiten und Chancen und warum er eine langfristige Trainerkarriere (noch) nicht anstrebt...


»Der Kopf spielt eine entscheidende Rolle«

Stefan, würdest Du soweit gehen und Dein Engagement beim ASV Cham als Himmelfahrtskommando bezeichnen?
Ganz und gar nicht. Es ist durchaus eine schwere Aufgabe - aber keineswegs eine aussichtslose. Das haben die Jungs beispielsweise am vergangenen Wochenende gegen den Tabellenführer Ansbach eindrucksvoll bewiesen. Die kämpferische Leistung in diesem Spiel und auch die Trainingsleistungen Woche für Woche geben mir und meinem Co-Trainer Erich Hartl das Gefühl. dass jeder da unten raus will. Das stimmt uns extrem positiv für die kommenden Aufgaben.

Die Zahlen lügen bekanntlich nicht - und deshalb schaut's nicht so gut aus für den ASV: Erst zwei Siege, nur neun Punkte, die löchrigste Defensive der Liga. Wie dramatisch ist aus Deiner Sicht die sportliche Lage?
Als aktueller Tabellenletzter braucht man nicht länger um den heißen Brei herum reden: Das ist Abstiegskampf pur. Wir lassen jedoch den Kopf nicht hängen. Warum auch. Wir haben noch alle Möglichkeiten, uns da unten raus zu kämpfen. Daher werden wir weiter stur unseren Weg, den wir derzeit eingeschlagen haben, gehen.

Sa., 16.10.2021, 16:00 Uhr

Und wie geht das Umfeld mit dieser Situation um?
Wir konnten bisher sehr ruhig arbeiten. Wir sind im regelmäßigen Kontakt mit der sportlichen Leitung und auch mit der Abteilungsleitung. Der Austausch ist vertrauensvoll und konstruktiv. Das spüren wir und macht es uns auch leichter in der wöchentlichen Arbeit. Das ist natürlich nicht immer selbstverständlich in so einer Situation, spricht aber eindeutig für die Charaktere der handelnden Personen.

Was stimmt Dich positiv, dass die dringend erforderliche Trendwende in Form von vielen Punkten relativ schnell eingeläutet werden kann?
Wie schon erwähnt das vergangene Spiel gegen Ansbach und die wöchentliche Trainingsarbeit. Wir haben eine unglaubliche Qualität in den Trainingseinheiten. Leider bringen wir dies nicht immer auf den Platz am Wochenende. Da spielt natürlich der Kopf auch eine entscheidende Rolle. Doch wir sind optimistisch, dass dies, wenn wir so weiterarbeiten, bald besser wird.

Ein Ausrufezeichen mit Signalwirkung? Spitzenreiter Ansbach trotzte Schlusslicht Cham einen Punkt ab.
Ein Ausrufezeichen mit Signalwirkung? Spitzenreiter Ansbach trotzte Schlusslicht Cham einen Punkt ab. – Foto: Simon Tschannerl

Gerade in der Fremde fuchst es - dort steht bisher nur ein Pünktchen in der Bilanz. Ist das purer Zufall?
Nein, nicht unbedingt. Mitunter hängt das in der Birne fest. Auch nach dem Ansbach-Spiel wurde ich wieder gefragt, ob wir nicht beim BFV darum bitten sollten, alle Spiele zu Hause austragen zu wollen, da es da besser läuft. Aber dieser Auswärtsfluch endet bald. Und zwar in Gebenbach am Freitag.

An welchen Stellschrauben kannst Du mitten unter der Saison nach Deiner Inthronisierung Ende September drehen?
Wir haben versucht, uns schnellstmöglich einen Plan zurecht zu legen. Wir haben die vergangenen Wochen ausschließlich am Passspiel, am Anlaufverhalten und am Umschaltverhalten gearbeitet. Das waren die Dinge, die uns zuerst am Herzen lagen, dass diese schnellstmöglich verbessert werden. Und natürlich am Selbstvertrauen in Form von Gesprächen und Sitzungen. Für weitere Dinge fehlt da schlichtweg die Zeit.

Welche Mannschaft hast Du vorgefunden? Reicht die Qualität? Ist die missliche Lage nur die Folge von fehlendem Selbstvertrauen?
Die Mannschaft ist soweit in Takt und hat unsere Vorgaben bisher sehr gut umgesetzt. Die Qualität ist vorhanden. Rein am Selbstvertrauen kann man es aber auch nicht festmachen. Es wurden teilweise sehr viele individuelle Fehler gemacht, die in der Bayernliga eiskalt bestraft werden. Das ist kein Qualitätsproblem und auch kein Kopfproblem, sondern einer gewissen Ungeduld und Hektik zuzurechnen. Wir haben oft versucht, den Ball dann trotzdem ins Zentrum zu spielen, obwohl dort alles zu war. Die Geduld einfach nochmals die Seite zu wechseln zum Beispiel war oft nicht gegeben.

Das entgegnest Du denjenigen, die behaupten, als Trainernovize fehlt Dir die so wichtige Erfahrung im Abstiegskampf?
Das wäre mir zu billig, ehrlich gesagt. Mir haben auch als 18-Jährigen nicht viele die Bayernliga in Kötzting zugetraut - und es hat funktioniert. Den Sprung in den Profibereich haben mir auch nicht viele zugetraut - und es hat funktioniert. Warum soll das jetzt in Cham nicht auch funktionieren? Wer mich kennt, der weiß, dass ich keine Angst vor solchen Herausforderungen habe. Zudem habe ich leider auch als Spieler sehr oft gegen den Abstieg gespielt. Die Situation kenn ich nur zu gut und kann dadurch der Mannschaft auch die Erfahrungen weitergeben, wie man damit zurecht kommt.

Kann man Dein Engagement beim ASV Cham als "Freundschaftsdienst" einordnen - oder planst Du generell eine Karriere als Trainer?
Man kann ihn als Freundschaftsdienst einordnen. Ich habe bisher eine sehr, sehr schöne Zeit in Cham gehabt, da der Verein von sehr, sehr guten Leuten bisher geführt wurde und nun auch weitergeführt wird. Wir haben gemeinsam sportlich sehr viel erreicht und es macht nach wie vor sehr viel Spaß. Daher habe ich versucht, zu helfen. Aktuell ist eine Trainerkarriere nicht geplant. Vielleicht später mal, wenn die Kinder größer sind. Außerdem möchte ich nicht aus meinen gerade neu gebauten Haus gleich wieder ausziehen müssen (lacht herzlich).

Die Zusammenarbeit gilt vorerst bis Winter: Gibt's hier schon Neuigkeiten welcher Form auch immer?
Ich glaub mit dem letzten Satz auf die vorherige Frage ist alles gesagt (schmunzelt).

Vielen Dank für das Gespräch - und alles Gute für die Zukunft.

Aufrufe: 019.10.2021, 07:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor