2024-05-17T14:19:24.476Z

Analyse
Problem: Dem SC Wiedenbrück mangelt es in der Bürgerschaft und der Wirtschaft der Stadt, aber auch auf den Zuschauerrängen an Unterstützung. Dieses Bild zweier einsamer Fans entstand im Ahlener Wersestadion.
Problem: Dem SC Wiedenbrück mangelt es in der Bürgerschaft und der Wirtschaft der Stadt, aber auch auf den Zuschauerrängen an Unterstützung. Dieses Bild zweier einsamer Fans entstand im Ahlener Wersestadion. – Foto: Henrik Martinschledde

Regionalliga-Verzicht des SC Wiedenbrück: Keine Überraschung

Der aktuelle Tabellenführer der Oberliga will nicht in die vierthöchste Spielklasse zurückkehren. Trainer Daniel Brinkmann und Kapitän Marcel Hölscher sind enttäuscht, fordern jetzt aber eine Trotzreaktion.

Wirklich überraschend kam diese Entscheidung nicht, aber sie ist doch eine Zäsur im Gütersloher Fußball: Der SC Wiedenbrück, aktueller Tabellenführer der Oberliga Westfalen, verzichtet darauf, für die nächste Saison die Zulassung zur Regionalliga zu beantragen. Das teilte der Verein mit – drei Wochen vor Ablauf der Frist, bis zu der die Unterlagen spätestens beim Westdeutschen Verband in Duisburg eingereicht werden müssen. Der Vorstand habe sich „nach reiflicher Überlegung“ dazu entschlossen, heißt es.

Regionalliga-Fußball wurde nicht angenommen

Burckhard Kramer, Hauptsponsor des Vereins und zusammen mit Alexander und Christian Brentrup sowie Bernd Lübbert als Vorstandsmitglied beim SCW in der Verantwortung, hat die Mannschaft vor dem Training persönlich über den Verzicht unterrichtet. Anschließend gab der Klub eine ausführlich Pressemitteilung heraus, in der die Gründe für die Entscheidung dargelegt werden. Neben persönlichen und finanziellen Erwägungen spielen darin Enttäuschung und nüchterne Analyse die Hauptrolle: „Nachlassende Zuschauerzahlen, die bescheidene Stimmung im Stadion sowie die ausbleibende Unterstützung aus Bürgerschaft und Wirtschaft in unserer Stadt lassen uns nach neunjähriger Zugehörigkeit zur vierthöchsten Spielklasse im deutschen Fußball zu einem ernüchternden Resümee kommen: Das Angebot des Vereins, Regionalligafußball in Wiedenbrück anzubieten, wurde nicht angenommen.“


Argumente des Vorstandes nachvollziehbar

Damit endet eine vorerst endgültig eine Ära, die 2010 mit dem Aufstieg als NRW-Liga-Meister in die Regionalliga begann und 2019 mit dem Abstieg endete. Der wurde allseits als „völlig unnötig“ bezeichnet, weil der SC Wiedenbrück den teuersten Kader seiner Vereinsgeschichte ins Rennen geschickt hatte. Der Verzicht des Tabellenführers (41 Punkte) könnte den Aufstiegskampf in der Oberliga vorzeitig entscheiden. Der RSV Meinerzhagen (39) gilt ohnehin als sicherer Kandidat. Beste Aussichten auf einen der beiden Aufstiegsplätze hat nun auch RW Ahlen, das bei 36 Punkte noch zwei Nachholspiele in der Hinterhand hat. Die Reaktionen aus dem Verein und der Mannschaft waren von Enttäuschung geprägt. „Ich bin enttäuscht“, gab Bernhard Hartmann zu. Der langjährige Geschäftsführer, seit dieser Saison auch für die Vertragsangelegenheiten zuständig, kann die Argumente des Vorstands nachvollziehen, hätte sich aber auch vorstellen können, es mit einem Oberliga-Etat in der Regionalliga zu probieren.


Letztes Ziel: DFB-Pokalqualifikation

Der im Januar als Nachfolger von Björn Mehnert zum Trainer aufgestiegene Daniel Brinkmann erklärte, er sei „aus sportlicher Sicht enttäuscht und traurig.“ Die Entscheidung treffe ihn aber nicht unerwartet, denn die Möglichkeit des Verzichts sei bereits Inhalt der Gespräche im Januar gewesen. Die Stimmung in der Kabine bei der Unterrichtung durch Burckhard Kramer sei „relativ verhalten“ gewesen: „Schließlich war es ein Traum von vielen, in die Regionalliga aufzusteigen.“ Seine Aufgabe als Trainer sei es nun, die Stimmung wieder aufzurichten. „Wir müssen das jetzt sacken lassen und dann eine Trotzreaktion zeigen“, fordert der Ex-Profi. Er jedenfalls sei „weit davon entfernt, jetzt einen Gang rauszunehmen.“ Die Möglichkeit, sich für den DFB-Pokal zu qualifizieren, sei ein Ziel, für das es sich für jeden lohne, „sich voll reinzuhängen und alles zu geben.“


Symbolfigur Marcel Hölscher

Kapitän Marcel Hölscher sprach von einer „sehr sehr bitteren Nachricht.“ Zwar habe man damit rechnen müssen, „aber als Spieler kann man das nicht nachvollziehen.“ Der Torhüter stellte eine Verbindung her zwischen dem Abstieg im letzten Jahr und der aktuellen Entscheidung: „Ohne den Abstieg würden wir jetzt nicht über das Thema reden, sondern Regionalliga spielen. Der Abstieg ist jetzt noch bitterer geworden, der Stich ins Herz noch tiefer.“ Gleichwohl verlangt der 28-Jährige jetzt Charakter. „Man fällt hin und muss wieder aufstehen. Auch in so einer Situation wird es weitergehen.“

Aufrufe: 09.3.2020, 22:15 Uhr
Wolfgang Temme / FuPaAutor