2024-05-02T16:12:49.858Z

Querpass

Kommentar: Tick Tack: Ticken die Türken (noch) ganz richtig

oder: Wie politisch ist der Sport oder muss er werden?

…diese Frage musste sich Fußball-Deutschland stellen, als folgendes Bild an die Öffentlichkeit gelangte. Zu sehen sind u.a. die deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan neben dem amtierenden und umstrittenen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, die ihm als Geschenk oder Dank die Trikots ihrer jeweiligen aktuellen Vereine überreichen. Doch damit nicht genug, Gündogan hatte sein Jersey mit den Worten „Für meinen vereehrten Präsidenten“ signiert. Jene Bilder hatte dann die Partei Erdogans auf ihrem eigenen Account hochgeladen.

Man muss kein Experte in Politik sein, um eins und eins zusammenzuzählen, dass dies eine unfassbar ungeschickte und unglückliche Aktion der beiden Spieler war, die zu Recht so hohe mediale Wellen schlug. Die aufgeworfene Diskussion ist gut und wichtig, weil sie offenkundig macht, dass gerade der Sport nicht frei von politischen Fragestellungen ist und sich seine Mitglieder (und gerade die mit Migrationshintergrund oder anderen kulturellen Wurzeln) dieser Verantwortung und politischen Bedeutung gewahr werden müssen.

Cem Özdemir brachte mit seiner kritischen Forderung, dass der Präsident eines deutschen Nationalspielers Frank-Walter Steinmeier hieße und nicht Recep Tayyip Erdogan, das Grundproblem auf den Punkt. Natürlich kann man mit Bezug auf die Meinungsfreiheit nicht von Personen verlangen, wen sie für sich persönlich als Präsidenten anerkennen. Aber was Özdemir damit implizit auch sagt, ist, dass ein Spieler der deutschen Nationalmannschaft gleichzeitig als Repräsentant und Vertreter seines Landes fungiert. Und das nicht nur auf dem Platz.

Bezogen auf die beiden Spieler heißt das, die ja die Qual der Wahl hatten. Sie haben sich zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt ihres sportlichen Daseins bewusst entschieden, „für welches“ Land sie spielen möchten und demnach, welche Staatsbürgerschaft sie annehmen. Niemand hat Özil und Gündogan gezwungen, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen. Sie hätten sich genauso gut dem türkischen Verband anschließen können. Vor diesem Hintergrund wäre dieses Foto nicht eine Sekunde Aufregung wert gewesen.

Dass sie das damals nicht getan haben, dafür hatten sie sichtlich viele sportliche Gründe. Und diese Luxus-Situation, sich damals zwischen zwei Ländern entscheiden zu können, wird ihnen nun zum Problem, da im Umkehrschluss natürlich auch Verhaltenskodizes und Erwartungen an sie als Gesandten dieses Landes gestellt werden. Daher kommt ihre Entscheidung, sich (naiv oder demonstrativ?) zum und neben den türkischen Staatspräsidenten zu positionieren, für viele deutsche (politischen) Vertreter einem Affront gleich.

Natürlich kann man den Spielern weder vorschreiben noch verbieten, mit dem Staatsoberhaupt zu sympathisieren. Das ist ihr gutes Recht. Auch der Einladung zu dieser PR-Veranstaltung zu folgen, kann man ihnen nicht verbieten oder geschweige sie denn dafür bestrafen. Dann sollte man dies aber vor dem Hintergrund, dass sie dort nicht nur als Privatpersonen, sondern zugleich als fußballerische Repräsentanten der deutschen Nationalmannschaft und somit auch des deutschen Volkes, das für ganz bestimmte Werte stehen, sensibel bestreiten. Und dass ihnen als Personen des öffentlichen Interesses eine besondere Aufmerksamkeit zuteil wird, das wissen die beiden schon lange.

Ein entsprechendes sport-salonfähiges Verhalten gehört eben mit zum professionellen Auftreten eines jeden Athleten. Dass entsprechende Fehltritte im eigenen Verhalten auch Auswirkungen auf die eigene sportliche Karriere haben, davon zeugen zahlreiche Beispiele (vgl. die Kruse-Krise).

Zusätzlich kommt hinzu, dass im Zeitalter von social -media jeder harmlose Besucher einer Veranstaltung dank Smartphones zum potentiellen Paparazzi werden kann. Somit ist ein in privaten Räumen vollzogener Schritt schnell der Öffentlichkeit preisgegeben. Das wussten beide und haben diesen Umstand nur bis zur Hälfte bedacht. Denn Gündogan war, wie er es selber in seinem ersten Versuch der Rechtfertigung beschreibt, sich durchaus der Brisanz des Treffens durch die angespannten deutsch-türkischen Beziehungen bewusst.

Warum sonst hatte er Hemmungen gehabt, das entstandene Erinnerungsfoto auf seine eigene soziale Seite zu stellen? Er hätte aber, um seiner Aussage Glaubwürdigkeit zu verleihen, auch Erdogan oder seinem Wahlteam verbieten müssen, das Foto zu posten. Das wäre konsequent gewesen. Hat er und Özil aber nicht getan. Und das ist das Problem. Denn auf diese Weise war es möglich, die beiden deutschen Fußballer als symbolische Zieh-Pferde für die eigenen Kampagne zu installieren. Und das hat mit Sport nun wirklich nichts mehr am Hut.

Dass auf diese Weise dann die „eigentlichen politischen Ansichten“ ans Tageslicht kommen, ist unglücklich. Dass ihre Personen für andere Zwecke genutzt oder missbraucht werden: unfassbar (und) unverantwortlich! Doch da ist ja noch die persönliche Widmung. Allein schon wegen des textilen Untergrunds hochsymbolisch. Das (politische) Bekenntnis wurde auf (sportlichem) Dress materialisiert, quasi selbst auf den Leib geschrieben.

Auch das Setting regt zum Nach-Denken an: Der Fußballfan kennt diese Art der Darbietung zu Beginn einer neuen Saison, wenn ein Spielertransfer erfolgreich geglückt ist und er nun mit seinem Trikot der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Die Bild-Sprache ist also eine klare. Du spielst in meiner Mannschaft. Oder andersrum. Ich bekenne mich, ein Teil deines (politischen) Teams zu sein. Dass Özil und Gündogan, dieses Event als harmlos erscheinendes Bekenntnis in und zum Andenken an ihre ursprüngliche kulturellen Wurzeln genutzt haben, greift zu kurz.

Und dann zu behaupten, es gehe da nur um Sport und kein politisches Statement ist einfach nur naiv oder heuchlerisch oder begrenzt gedacht. Das phrasen-schablonenartige Zurückrudern nun in der Öffentlichkeit kann da nur wenig Überzeugungsarbeit leisten: es wirkt eher pflichtbewusst als wirklich einsichtig.

Dass der DFB auf dieses riesige sport-politische Fettnäpfchen selbst eine so harmlose Entgegnung bereit hält, trägt nur dazu bei, dass dieser Vorfall als solcher mit seinen großen Bedeutungskreisen in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Auch der Hinweis des Teammanagers Oliver Bierhoffs, dass man wissen müsse, wie „Türken ticken“ wirft mehr Fragen auf, als dass er Ausrufezeichen setzt. Denn erstens ist die Bezeichnung nicht korrekt, da es sich bei Özil und Gündogan um Deutsch - Türken handelt.

Zweitens ist die Aussage sehr schwammig: Wie ticken denn Türken? Welche konkreten Denk- oder Verhaltensweisen soll sich hinter dieser bagatellisierenden Verallgemeinerung handeln? Und soll dann jenes Wissen und die türkische Tick-Leistung ernsthaft als Entschuldigung oder Frei-Brief für das gezeigte Verhalten herhalten? Wohl kaum. Der Gedanke ist unbefriedigend. Diese auf Verständnis heischende Formulierung trägt außerdem folgenden Sub-Text „Die können ja gar nichts dafür, wie sie sind“ und trägt nicht gerade zum (politischen) Bildung- und Erziehungsauftrag und Integrationsauftrag bei, den gerade auch der Sport besitzt.

Der DFB kommt somit seiner eigenen Verantwortung genauso wenig nach wie seine „schwarzen Schäfchen“, wenn er diesen Vorfall mit ein paar gut gemeinten Gesprächen statt wirkliche Konsequenzen folgen zu lassen, unter den Tisch fallen lässt. Das sollte er aber, um selbst glaubwürdig zu bleiben.

Denn: Gute Nationalspieler haben wir genug - mit oder ohne Migrationshintergrund.

Bildquelle: http://www.deutschlandfunkkultur.de/ilkay-guendogan-mit-mesut-oezil-bei-erdogan-die.2165.de.html?dram:article_id=417966

Aufrufe: 025.5.2018, 17:16 Uhr
Nicu BurgheimAutor