2024-05-10T08:19:16.237Z

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Klare Ansagen, kontrollierender Blick: Zum Trainingsauftakt hatte Sebastian Kneißl (37), der neue Chefcoach des SC Baldham-Vaterstetten, einiges mit seinen Mannen zu besprechen.
Klare Ansagen, kontrollierender Blick: Zum Trainingsauftakt hatte Sebastian Kneißl (37), der neue Chefcoach des SC Baldham-Vaterstetten, einiges mit seinen Mannen zu besprechen. – Foto: Stefan Rossmann

Kneißl: Du bist nur dann ein Leader, wenn du dich auch selbst führen kannst

Trainer des SCBV im Interview

Ex-Chelsea Profi Sebastian Kneißl kehrt als Trainer zum SC Baldham-Vaterstetten zurück. Im Interview spricht er über seine Menschenführung und Ziele mit dem SCBV.

Baldham/Vaterstetten - Bei seiner ersten Stippvisite in der Bezirksliga Ost machte Sebastian Kneißl weniger mit seiner Vita, als vielmehr mit seiner Abschlussqualität auf sich aufmerksam: 19 Tore in 22 Partien erzielte der frühere Profi-Knipser vor fünf Jahren für den SC Baldham-Vaterstetten unter Trainer Mike Probst. Am Saisonende wurde der SCBV Sechster und Kneißl wechselte nach Heimstetten. Nun kehrt der 37-Jährige als Cheftrainer zurück und will mit seinen Assistenten Stefan Bürgermeier und Julian Hoch ab der nächsten Saison den Landesliga-Aufstieg angreifen.

Ein bunter Erfahrungsschatz aus dem Trainingsalltag mit Koryphäen, wie José Mourinho, Brendan Rodgers, Claudio Ranieri oder Horst Hrubesch kann dabei ebenso nützlich sein, wie Kneißls eigene Coaching-Karriere rund um den Fußball-Komplex sowie sein Experten-Engagement beim Streamingdienst DAZN. Die Ebersberger Zeitung hat mit dem gebürtigen Hessen auch über die diversen Facetten des Trainerjobs gesprochen.

Wie emotional war Ihre Rückkehr ins Vaterstettener Sportzentrum, oder genügen eine Saison und 19 Treffer nicht für die Entwicklung nachhaltige Gefühlsbande, Herr Kneißl?

Sebastian Kneißl: Doch, ich habe mich sehr gefreut und meine Rückkehr auch aktiv ein bisschen auf Instagram dokumentiert (lacht). Der Verein liegt mir schon am Herzen, zumal ich als Spieler damals eine zweite Saison dranhängen wollte. In dieser Situation hat mir das Angebot für eine Teilzeitstelle in Heimstetten aber eine gewisse Sicherheit gegeben. Der Verein hat damals vorbildlich reagiert und ich bin mit Helmut (Abteilungsleiter Helmut Lämmermeier, d. Red.) in Verbindung geblieben. Hier jetzt wieder richtig auf dem Zweier-Platz zu arbeiten und das dann im Stadion umzusetzen, ist ein schönes Gefühl.

Stichwort Emotion: Wie schwierig ist die aktuelle Corona-Situation gerade für Amateurfußballer aus Sicht eines Diplom Mental Trainers?

Ich habe den Jungs bei der Begrüßung elf Teamwerte präsentiert. Ein Punkt lautet Demut und Dankbarkeit. Da wir jetzt wieder mit Vollkontakt kicken dürfen, wird uns die Dankbarkeit in den ersten Wochen begleiten. Durch diese Freude am Kicken sehe ich es nicht so schlimm, dass ich da psychologisch eingreifen muss. Sollte widererwartend ein neuer Break kommen, reagieren wir darauf. Man muss die Situation auch mit Humor nehmen.

Zum Beispiel?

Wir können ja noch nicht in die Duschen und Kabinen. Nach dem ersten Training wollten daher alle sehen, wie Mario Sieger und Mansouri Alassani nassgeregnet und durchgeschwitzt in die S-Bahn steigen. Das war lustig, aber beim nächsten Mal bin ich sicher, dass ihnen Mitfahrgelegenheiten angeboten werden.

Auf Ihrer Homepage beschreiben Sie sich als „Deutschlands #1 Fußball-Kompetenz-Trainer“. Was bedeutet das – auch für den SCBV?

In meiner Profi-Zeit hatte ich ein Problem: Ich konnte mich nicht selbst führen. Du bist aber nur dann ein Leader, wenn du dich auch selbst führen kannst. Inzwischen habe ich mich so in das Thema Persönlichkeitsentwicklung reingefuchst, dass ich weiß, dass ich jeden Spieler fußballerisch besser mache. Als Mentaltrainer kann ich ihm aber auch noch beispielsweise zeigen, wie er mit schwierigen Situationen wie Nervosität bestmöglich umgeht.

Welche Ziele halten Sie nach den ersten Gesprächen mit Spielern und Vorstand in dieser Restsaison für realistisch?

Erstmal ist es wichtig, die Zweite Mannschaft in der Kreisklasse zu halten. Da kann es gut sein, dass ich da selbst mal auflaufen werde. Mit der Ersten versuchen wir uns in der Rückrunde zu festigen. Keine Chance, dass ich da das Wort mit A in den Mund nehme. Für diese Saison haben wir das entspannte Ziel, mit Zug meine Spielprinzipien zu lernen. Wenn wir die drin haben, kommt der Erfolg. Was dann tabellarisch rauskommt, ist fast egal.

Und danach?

Ich habe nicht geplant, nur ein halbes Jahr in Baldham zu bleiben. Natürlich ist der Landesliga-Aufstieg das große Ziel. Um dahin zu kommen, müssen wir aber einiges im Verein verändern und nächsten Sommer personell definitiv etwas machen, Leader in den Kader bekommen und Quantität nachlegen.

Dabei wurde der Kader erst zu Saisonbeginn bewusst verkleinert und von Konsolidierung geredet. Wie passt das zusammen?

Es klingt echt arrogant, aber das Trainerteam Kneißl/Bürgermeier zieht vom Namen her auch. Wir haben perspektivisch schon einige Gespräche geführt und alle haben dabei gesagt, ihnen geht‘s nicht ums Geld, sondern sie wollen Teil unseres Projekts sein. Das bedeutet eine gewisse finanzielle Entlastung. Bis dato bin ich sehr zufrieden. Helmut will einiges machen und auch Thomas Nock als Sportlicher Leiter ist sehr engagiert.

Im Februar haben Sie angekündigt, mittelfristig in der Regionalliga trainieren zu wollen. Was reizt Sie jetzt an der Bezirksliga, die irgendwo zwischen Freizeitkick und Leistungssport steht?

Genau das macht es für mich so spannend. Ich hatte ein Angebot aus der Bayernliga, habe mich aber dagegen entschieden, weil die einfache Fahrt, mit einer kleinen Tochter daheim, zu lange war. Früher war ich Projektmanager bei einem Möbelunternehmen, wo es mich bei Reklamationen immer gereizt hat, eine gute Lösung mit dem Kunden zu finden. Hier doktert der SCBV seit Jahren an diesem Aufstieg rum. Es reizt mich, mich metaphorisch in die Geschichtsbücher des SCBV einzutragen. Dieses Bild habe ich auch gleich den Jungs gezeigt und sie gefragt: Hast du Bock darauf, dich in diesem Buch einzutragen? Und was bist du bereit, dafür zu investieren?

Ein Eintrag in die Vereinschronik. Baut man sich damit zur Begrüßung nicht eine enorme Fallhöhe auf?

Die Fallhöhe beträgt für mich null Komma null. Ganz ehrlich. Wenn ich weiß, dass ich jeden Spieler ein Stück besser mache, ist mein Auftrag erledigt. In Deutschland wird zwar alles in Zahlen und Fakten gemessen. Aber wenn ich einem Spieler sein eigenes Handeln bewusster mache, ihm eine Technik an die Hand gebe, wie er mit bestimmten Situationen besser umgeht, und sogar seinen Lifestyle ändert, um noch bessere Ergebnisse einzufahren, dann habe ich ihn doch schon besser gemacht.

Das Interview führte Julian Betzl

Aufrufe: 020.7.2020, 12:18 Uhr
Ebersberger Zeitung / Julian BetzlAutor