2024-05-24T11:28:31.627Z

Allgemeines

Interview // Muss es immer ein 11 gegen 11 sein?

Ende Januar führte der Thüringer Fußball-Verband zum ersten Mal in seiner Geschichte einen digitalen Verbandstag durch und wählte dabei eine neue Verbandsführung. Unter anderem neu im TFV-Vorstand: Christopher Graßmuck, der seitdem Vorsitzender des Jugendausschusses ist.

Wir haben mit dem 37-Jährigen aus Renthendorf gesprochen. Dabei sprachen wir über die ersten Wochen im neuen Amt, die Bemühungen in Pandemiezeiten und die größten Herausforderungen, die auf den Thüringer Fußballnachwuchs zukommen werden.

Hallo Christopher, Ich habe gelesen, dass du ein Weltbummler bist. Du hast dutzende Länder bereist, in Afrika studiert und ein Praktikum in Israel gemacht. Bist du jetzt sesshaft geworden oder packst du bald wieder deinen Rucksack?

„Eigentlich habe ich in Jena studiert. In Namibia habe ich „nur" ein Auslandssemester gemacht und ein Praktikum in Israel. Grundsätzlich bin ich aber durchaus sesshaft und vor allem heimatverbunden. Ich fühle mich in Thüringen zuhause, bin aber auch sehr gerne unterwegs. Insofern freue ich mich auch schon darauf, dass man wieder reisen darf, wenn die Pandemie soweit im Griff ist. Ich habe da auch schon das ein oder andere Ziel im Kopf, wo es dann hingehen soll.“
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Wie kam es dazu, dass du für den Vorsitz des Jugendausschuss kandidiert hast? Aus eigenem Antrieb oder wurdest du angesprochen, ob du das übernehmen würdest?

„Ich war schon sechs Jahre Ausschussvorsitzender im KFA Jena-Saale-Orla. Da habe ich mich aus verschiedenen Gründen nicht mehr zur Wahl gestellt. Außerdem bin ich schon viele Jahre in mehreren Ligen und Wettbewerben Staffelleiter – eine Aufgabe, die mir sehr viel Spaß macht. Insofern kenne ich mich da schon aus und habe Erfahrungen gesammelt.

Dann kam es dazu, dass Peter Ott ankündigt hat, nicht mehr weiterzumachen. Da sprach mich Udo Penßler-Beyer (Hinweis der Redaktion: Neuer TFV-Präsident) an und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, für dieses Amt zu kandidieren. Ich habe mir dann etwas Bedenkzeit erbeten, um für mich festzustellen, ob ich die Aufgabe ausfüllen kann und ob es was für mich ist. Denn – und so ehrlich bin ich – in einigen Bereichen hatte ich ja bis dato keine Erfahrungen. Beispielsweise habe ich nicht sämtliche Trainerqualifikationen oder Erfahrung als Übungsleiter. Was das betrifft habe ich aber gute Unterstützer aus der Geschäftsstelle. Meiner Meinung nach habe ich viele andere Qualitäten die ich einbringen kann.“
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Wie sahen deine ersten Wochen als Ausschussvorsitzender aus?

„Es ist aktuell sehr arbeitsintensiv, wobei mich mein Vorgänger Peter Ott auch gut unterstützt und bei Fragen jederzeit ansprechbar ist. In den ersten Wochen verschafft man sich erstmal einen Überblick. Einige Dinge will man eben auch anders machen, weil man einfach eine andere Herangehensweise hat.

Wichtig war mir als erstes die Kontakte zu den anderen Ausschüssen zu knüpfen und direkt mit den Kreis-Jugendobleuten in den Austausch zu kommen. Es haben wöchentlich die verschiedensten Online-Meetings stattgefunden, um herauszufinden was gut läuft und wo möglicherweise Potenziale sind. Mir ist wichtig gleich einen guten Start und ein gutes Miteinander zu haben und da ist mir vor allem die Zusammenarbeit mit den Vorsitzenden aus den Kreisen ein echtes Anliegen. Aus irgendwelchen Gründen war das wohl in den vergangenen Jahren nicht ganz optimal. Woran das liegt kann ich aber nicht sagen.“
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Viele Sportfreunde, die im Nachwuchsbereich aktiv sind, drängen aktuell auf eine Rückkehr auf den Fußballplatz. Wie siehst du die Debatte?

„Die Rückkehr auf den Sportplatz ist sehr wichtig und für den Nachwuchs wahrscheinlich noch wichtiger. Vor allem geht es dabei um ein regelmäßiges Training unter Anleitung und auch das Treffen mit den Mannschaftskameraden. Klar, der Leistungsvergleich ist das Highlight aber die Trainingseinheiten bilden für viele auch einen Ausgleich zum Alltag. Es ist für mich schade und schmerzhaft, dass die Kinder ihren Sport nicht ausüben dürften. Daran sollte sich zeitnah wieder etwas ändern.“
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Was tut der Verband und du im Speziellen dafür, dass sich dieses Anliegen möglicherweise beschleunigt. Macht ihr Druck auf die entsprechenden Stellen (Landesregierung, Kreise, Ministerien), damit die Kids schnellstmöglich wieder kicken können?

„Hier kann ich nur für die letzten Wochen – seitdem ich im Amt bin – sprechen. Ich muss sagen, dass die spielleitenden Organe in einem ständigen Austausch sind. Von E-Mail bis Online-Sitzungen wird da einiges in viele Richtung beraten und diskutiert. Es gibt den Austausch mit dem NOFV und auch eine Sitzung beim DFB-Jugendbeirat.

Ich weiß, dass der Präsident und die Geschäftsstelle auch im Kontakt mit der Landesregierung sind. Es wird also viel gemacht. Ich persönlich habe keinen Kontakt z.b. zur Landesregierung. Da würde ich auch meine Kompetenzen überschreiten. Das ist nicht meine Aufgabe. Aber ich weiß, dass das Präsidium da dran ist. Außerdem übernimmt der LSB (Landessportbund) in der aktuellen Situation primär die Vertretung aller Sportfachverbände aus Thüringen und vertritt damit auch den TFV.“
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Vereine haben zum Teil Angst einen erheblichen Anteil der Nachwuchsspieler zu verlieren und befürchten um Strukturen im Verein und den Ligen. Kannst du das nachvollziehen?

„Klar, die Angst ist berechtigt. Aber ich sehe nicht, dass wir sofort alles schwarz reden sollten. Ich bin optimistisch, dass es nicht so schlimm wird. Bei den ganz jungen wird es wahrscheinlich weniger Mannschaften geben, weil die Vereine im Moment nicht aktiv für den Fußball werben können. Aber sehr gerne lasse ich mich auch da eines Besseren belehren. Gerade im Großfeldbereich muss man mal abwarten. Ich habe viele Rückmeldungen von Spielern und Übungsleitern, dass die Kinder und Jugendlichen heiß sind und wieder zurück wollen.“
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Dem Vernehmen nach genießen die Kinder in der Politik (Stichwort: "Kitas und Schulen zuerst") ein stückweit Priorität. Ist das im Verband auch so? Genießt aktuell der Nachwuchsfußball in euren Diskussionen und Maßnahmen auch Priorität?

„Ich habe bisher erst an zwei Vorstandssitzungen teilgenommen und da wurde dem Nachwuchs natürlich großes Gehör geschenkt - das war gut. Aber auch über die anderen Bereiche wurde gleichermaßen gesprochen.“
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Wo siehst du zukünftig die größten Herausforderungen für den Thüringer Fußball-Nachwuchs?

„Ich denke, dass wir uns in Thüringen über die Spielklassenstruktur Gedanken machen sollten. Das gilt für den Landesspielbetrieb aber auch auf Kreisebene. Außerdem sollten wir auch über verkürzte Spielformen diskutieren. Muss es immer ein elf gegen elf sein? Vielleicht kann man so Mannschaften erhalten. Wenn man über den Tellerrand hinausschaut, und das mach ich gerne, gibt es da verdammt viele interessante Ansätze, die man diskutieren sollte. Das heißt nicht immer das man das machen muss. Manche Dinge passen vielleicht gar nicht zu uns. Aber diskutiert werden sollte es. Wir müssen kucken was zu uns passt und den Nachwuchsspielern und ihren Vereinen weiterhilft. Das „Projekt Zukunft“ vom DFB ist sehr spannend. Von neuen Spielformen bis zur Trainerausbildung gibt es da viele Vorschläge.

Mir liegt auch am Herzen, dass wir – unabhängig von Vereinen – junge, interessierte Sportfreunde für die Funktionärsarbeit finden. Das wird leider immer weniger. In diesem Bereich fehlt auch der Nachwuchs. Daran müssen wir alle arbeiten.

Zusammenfassend: Es wird spannend. Ich setzte auf ein gutes Miteinander und faire, transparente Gespräche sonst kommt man nicht zum Ziel.“

Aufrufe: 026.3.2021, 15:00 Uhr
FuPa ThüringenAutor