Interview mit einem Ball

Unser heutiger Interviewpartner lebt in völliger Abgeschiedenheit auf einem Dorfsportplatz. Es gibt eine Grillbude, ein schickes Vereinsheim mit Umkleidekabinen und einen Rasenplatz inmitten der Natur. Wenn hier gerade kein Fußball gespielt wird, dann schreckt man höchstens kurz auf, wenn mal wieder ein Zug am Bahnhof hält. Dieser befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Sportstätte.

Findet kein Trainings- oder Spielbetrieb statt, dann ist es eine Oase der Ruhe. An Spieltagen weht ein Bratwurstgeruch über die Anlage, die Fans sammeln sich an der Grillbude und fachsimpeln. Man erzählt sich von besseren Zeiten, immerhin spielte der Verein auch schon in der Bezirksliga, aber das ist lange her. Es gab aber auch schon schlechtere Zeiten und insgesamt ist der Verein sehr gut aufgestellt, profitiert von guter Jugendarbeit und lebt von seinen fussballverrückten, ehrenamtlichen Helfern.

Sollte es zu stark regnen, dann verschwindet der ein oder andere Zuschauer auch schon mal ins Auto und verfolgt das Spiel von dort. Wir haben uns auf die Anlage geschlichen und mit jemandem gesprochen, der genau weiß, wie hier der Hase läuft: Der Ball. Erratet ihr wo dieser Ball zuhause ist?

FuPa: Hallo, wie hast du davon erfahren, dass es in der nächsten Zeit erst mal keine Einsätze für dich geben wird?

Ball: Zunächst hofften alle noch auf besseres, trockenes Wetter und redeten sich die Köpfe wegen der Geisterspiele in der Bundesliga heiß. Da hörte ich auch zum ersten Mal von Corona. Leider entwickelte sich die ganze Situation dann schnell zum Negativen und aus Gesprächen auf dem Platz hörte ich schnell heraus, dass ich und auch meine ganzen Freunde erst mal in der Kiste bleiben.

FuPa: Machst du dir persönlich auch Sorgen um deine Gesundheit?

Ball: Erstmal nicht. Wir haben uns informiert und es ist ziemlich sicher, dass wir Bälle uns nicht mit dem Virus anstecken können. Um unsere Fußballer mache ich mir da schon mehr Sorgen und ich hoffe, dass alle vernünftig sind und die Tipps der Behörden befolgen.

Natürlich würden wir auch gerne so schnell wie möglich wieder raus, auf dem Rasen rollen und durch die Luft fliegen, aber die Gesundheit der Menschen hat nun Vorrang.

FuPa: Hast du nicht Sorge um deine Figur, wenn die Pause länger anhält?

Ball: Na hör mal, ich habe einen Umfang von 70 cm. Das ist Idealmaß. In den Wintermonaten nehme ich sogar eher noch ab. Da fühle ich mich oft platt. Figurprobleme gibt es bei mir nicht. Das kann ich mir nicht leisten. Der Trainer unserer 1. Herren legt großen Wert auf die Fitness. Er war zu seiner aktiven Zeit ja auch ein gefürchteter Torjäger.

FuPa: Wie lange kennt ihr euch denn schon?

Ball: Lange. Schon in den Neunzigern war er mit anderen Mannschaften hier zu Besuch. Dann übernahm er vor acht Jahren unser Aushängeschild: die 1. Herren. Selbst kickt er nicht mehr, aber er könnte sicher noch dem einen oder anderen etwas vormachen. Aber lassen wir die alten Zeiten. Damals gab es ja noch einen „Questra“, einen „Fevernova“ oder „Teamgeist“. In dieser Saison dürfte er sehr zufrieden mit seinen Jungs sein. Wir spielen eine sehr gute Saison bisher.

FuPa: Wie sieht denn so ein Spieltag für dich aus?

Ball: Das ist ganz unterschiedlich. Wir schlafen zunächst aus, dann am Vormittag werden wir geweckt. Der Platzdienst rumpelt hier rum, um den Platz zu kreiden. Ungefähr eine Stunde vor Spielbeginn kommen wir zum Einsatz. Ich ruhe mich aber noch etwas aus. Während die anderen Bälle schon mit unseren Jungs spielen, sie nennen das „Aufwärmen“, warte ich in der Schiedsrichterkabine auf meinen Einsatz. Die kenne ich mittlerweile natürlich auch alle. Wenn die 1. Herren spielt, bringt er sogar noch zwei Assistenten mit. Was da alles besprochen wird, bleibt aber geheim.

Zwischendurch kommt unser langjähriger Betreuer in die Kabine und bringt die Passmappe. Der Mann ist ein Phänomen und kennt jede Passnummer unserer Spieler auswendig. Ohne ihn läuft hier nichts.

FuPa: Aber da bekommst du doch sicher so einiges mit oder?

Ball: Ja, natürlich. Aber im Großen und Ganzen machen die wirklich einen prima Job. Und zu mir sind sie ja auch alle nett. Natürlich sehe ich einige Entscheidungen mal anders, aber ich bin auch parteiisch. Nur schade, dass ich nur in Heimspielen zum Einsatz komme. Gern würde ich auch mal auf anderen Plätzen rollen.

FuPa: Mit welchem Spielertyp spielst du denn am liebsten?

Ball: Ganz klar mit den Technikern. In den unteren Herrenmannschaften kann das schon mal ganz schön weh tun. Die Jungs treffen mich oft an der falschen Stelle und ich fliege dann eben nicht dahin wo ich hin soll.

In unserem Verein gibt es auch eine Frauenmannschaft. Da wird viel weniger getreten und gebrüllt. Zur Abwechslung ist das wirklich angenehm. Insgesamt ist es aber auch ein tolles Gefühl so gemocht zu werden. Jeder möchte mich berühren. Wer kann das schon von sich behaupten?

FuPa: Hast du einen Lieblingsspieler?

Ball: Na klar. Mein Lieblingsspieler spielt schon immer hier. Sein Papa war mit meinem Papa schon befreundet. Ich darf keine Namen nennen, sonst sind die anderen beleidigt, aber wenn er mich in die Hand nimmt, mich mit dem Fuß streichelt und sein Spann mich voll trifft, dann bekomme ich Gänsehaut. Er tritt mich dann voller Gefühl und ich fliege ins Netz. Ganz oft auch aus weiter Entfernung. Letzte Saison hat er mich 14 Mal ins Tor geschossen. Das ist eine ganz besondere Verbindung zwischen uns. Er hat es einfach drauf. Leider hat er sich im letzten Jahr schwer verletzt, aber nun ist er zurück.

FuPa: Was wirst du in nächster Zeit am meisten vermissen?

Ball: Unsere Fußballer in ihren knalligen Trikots. Wir werden nun alle vernünftig und geduldig sein. Wenn wir diese Situation gemeistert haben, dann können alle stolz sein und wir legen wieder richtig los.

LINK: Viele weitere Berichte über den Amateurfußball im Kreis Cuxhaven