2024-05-22T11:15:19.621Z

FuPa Portrait

„Ich komme zurück, denn ich will Fußball spielen!"

Nach dem Ende seiner erfolgreichen Laufkarriere und einem Kreuzbandriss hat Hendrik Pohle hart für sein Comeback beim B-Ligisten BW Gütersloh gearbeitet.

Die Rückennummer 13 brachte ihm Glück. Vor knapp acht Wochen, am 17. November 2019, erzielte Hendrik Pohle endlich sein erstes Tor für BW Gütersloh. Im Spiel der 2. Mannschaft in der Kreisliga C gegen Tur Abdin II markierte der Rechtsaußen in der 88. Minute den Treffer zum 5:1-Endstand. Es war sein Durchbruch beim Comeback als Fußballer. Gut ein Jahr zuvor hatte der frühere ostwestfälische Spitzenläufer die Sportart gewechselt. Hendrik Pohle war seinem Herzen gefolgt, hatte die Laufschuhe an den Nagel gehängt und sich die Fußballschuhe geschnürt. Doch aus der schnellen Kicker-Karriere wurde zunächst nichts, weil er sich im Training einen Kreuzbandriss im linken Knie zuzog und lange pausieren musste. Allerdings war für Hendrik Pohle eins glasklar: „Ich komme zurück, denn ich will Fußball spielen. Mein größter Wunsch ist es, als Stürmer ein Tor für Blau-Weiß zu schießen."

Fast wäre Hendrik Pohle am 17. November 2019 sogar noch ein besonderer Coup gelungen. Andreas Dobrzanski, Trainer der in der Kreisliga B spielenden „Ersten“, beorderte ihn für die anschließende Partie gegen den FC Isselhorst II auf die Bank und wechselte den Stürmer in der 81. Minute ein. Tatsächlich bekam Pohle eine Riesenchance zum 3:0. „Wahrscheinlich fehlte mir die Kraft, auf jeden Fall habe ich das Ding nicht rein gemacht.“ Ein wenig ärgert sich der Fußballer heute immer noch, aber schon bald konnte er über das Missgeschick lächeln: Wenig später traf ein Teamkollege und sorgte mit dem 3:0 für die endgültige Entscheidung.

Dass ein als Läufer erfolgsverwöhnter Athlet überhaupt so viel Zähigkeit beweisen und sich nach der schweren Verletzung für Fußball auf fast unterstem Niveau wieder in Wettkampfform bringen würde, ist nicht selbstverständlich. Früher trainierte Hendrik Pohle mit Nationalkader-Läufer Amanal Petros und Hermannslauf-Ikone Elias Sansar. Im Trikot der SV Brackwede gewann er 2012 die Isselhorster Nacht und 2017 den 18 Kilometer langen Böckstiegellauf. Seine persönliche Bestzeit über 10 Kilometer schraubte er auf 31:24 Minuten.

Der Bielefelder kokettierte mit seiner kräftigen Statur (1,77 m, 81 kg) und bezeichnete sich als „der schnellste schwere Läufer in Deutschland“. Doch auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn zog er einen (vorläufigen) Schlussstrich: „Für mich war es eine total schwierige Entscheidung, mich gegen das Laufen und für den Fußball auszusprechen.“ Noch bevor die Karriere in der neuen Sportart richtig begann, war der Kreuzbandriss ein besonderer Schock. Vier Monate kämpfte Pohle mit Wasser im Knie, quälte sich durch Physiotherapie, fand Trost in den sozialen Medien, wo er Menschen mit der gleichen Verletzung kennen und schätzen lernte.

„In einer solchen Verletzungspause lernt man viel über sich selbst und seinen Körper. Erst ist man erschrocken, wie lange man daran laboriert. Aber man muss dem Körper einfach Zeit geben, um sich selbst zu heilen. Das ist ganz individuell und ganz wichtig“, blickt Pohle zurück. Er ließ auch andere an seiner Genesung und seinem Kampf um ein Comeback teilhaben. Vielfach postete Hendrik Pohle Bilder und Berichte auf Facebook, häufig mit motivierenden Sprüchen.

„Mit meinen Auftritten in den sozialen Medien will ich Menschen inspirieren und ihnen Hoffnung geben“, erklärt er. Hinter dem Bedürfnis, andere zu unterstützen, steckt auch eine persönliche Erfahrung, denn in seiner Schulzeit wurde Hendrik Pohle gemobbt. „Ich trug keine Markensachen und war in den Augen der anderen Kinder nicht cool. Ich wurde ausgegrenzt“, erinnert er sich.

Dass änderte sich, als er der Empfehlung seiner Sportlehrerin folgte und mit dem Laufen begann. 2003 stellte er als 14-Jähriger mit 9:19,58 Minuten einen noch heute gültigen Westfalenrekord über 3.000 Meter auf. „Durch den Sport und meine Erfolge bekam ich Anerkennung in der Schule - und das Mobbing hörte auf.“ Das prägte seinen Charakter und seine Einstellung zum Sport. „Sport ist ein guter Lehrer. Er hat mir viel beigebracht: Kameradschaft, Zurückhaltung und wie man mit Differenzen umgeht.“

»Egal wie viele Hindernisse im Weg stehen, du kannst es schaffen«

Wohl nicht zufällig ließ er sich nach der Schulzeit zum Erzieher ausbilden. Heute arbeitet Hendrik Pohle in einer Kindertagesstätte. Aus der Zeit seiner Ausbildung stammt auch sein Spitzname „Hero“, zu deutsch Held, den manche auch als eitle Selbstdarstellung des extrovertierten Typen missverstehen könnten. Während seiner Zeit im Jugendzentrum Baumheide spielte er mit den Kids im Garten Fußball, und der Ball flog auf das Dach des benachbarten Supermarktes.

In Absprache mit dem Filialleiter stieg er auf das Dach und holte den Ball. „Die Kinder haben unten gewartet und mir zugejubelt. Ich stand oben wie ein Superheld. Später nannten mich dann alle nur noch Hero.“ Derzeit postet der „Held“ besonders häufig, wie er seinen Körper mit Krafttraining in Form bringt – eine neue Leidenschaft, die das inzwischen bei knapp 90 Kilogramm bemessene Körpergewicht nicht unbedingt reduziert. „Es sieht auf den Bildern mächtiger aus, als es in Wirklichkeit ist“, schwächt Hendrik Pohle ab.

Läuferisch ist er nicht mehr allzu häufig unterwegs. Umso erstaunlicher war sein Auftritt am 11. Januar in Oelde: An seinem 31. Geburtstag meldete er sich zum traditionellen Crosslauf an. Zwei Jahre nach seinem letzten Wettkampf finishte er nach 4.150 Metern hinter dem 15 Jahre jüngeren Sieger auf Rang vier, auch wenn er mit 15:38 Minuten über zwei Minuten hinter seiner früheren Bestzeit zurückblieb.

Seine Leidenschaft für den Fußball und die Verbundenheit mit seinem Verein demonstrierte Pohle dadurch, dass er nicht im klassischen Laufdress, sondern mit Hose, Stutzen und Trikot von BW Gütersloh auflief. „Ob ich noch mal im Laufen angreife, weiß ich nicht. Erstmal konzentriere ich mich jetzt auf die Rückrunde mit Blau-Weiß“, sagt er. Er blieb dem Verein in der Winterpause treu, geht von Spielen in der 2. Mannschaft aus, stellt sich aber mit ungebrochenem Ehrgeiz weiter für Einsätze in der „Ersten“ zur Verfügung.

Nach vier Testspielen geht es für den Absteiger in der Kreisliga B am 1. März mit der Partie bei Suryoye Gütersloh weiter. Als Tabellendritter hat BW Gütersloh neun Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Herzebrocker SV. Beherzigt man die persönlichen Motivationssprüche von Hendrik Pohle auf Facebook, Twitter und Co. („Egal wie viele Hindernisse in deinem Weg stehen, wie steil der Weg auch sein mag, du kannst es schaffen“), ist die sofortige Rückkehr in die Kreisliga A immer noch möglich.

Aufrufe: 06.2.2020, 09:00 Uhr
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