Es sind 1435 Kilometer Luftlinie zwischen Nürnberg und Gijón, einer Stadt in der nordspanischen Provinz Asturien, der hierzulande kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird. Und doch mag sich an diesem Sonntagnachmittag der eine oder andere ältere Zuschauer in Schnepfenreuth im Nürnberger Norden an eben jenen für Fußballkenner geschichtsträchtigen Ort erinnert haben.
Als nämlich Schiedsrichter Markus Bayerl ankündigte, es seien nur noch 42 Sekunden zu spielen in der Kreisligapartie zwischen dem Erstplatzierten TB St. Johannis 88 Nürnberg und dem STV Deutenbach, kam es zumindest kurzfristig zu einer Hommage an den Nichtangriffspakt zwischen der deutschen und der österreichischen Nationalmannschaft bei der WM 1982 in Spanien. Damals wie am Sonntag hatten beide Mannschaften ihr Ziel erreicht. Deutenbach reichte das bis dato umkämpfte und spielerisch glanzlose 1:1 zum sicheren Klassenerhalt, Johannis konnte sich mit einem Punkt zum Meister und Aufsteiger machen.
Und so passte sich die Heimelf in der eigenen Hälfte rund zwei Minuten lang lustlos den Ball zu, während die Gäste am Mittelkreis zusahen. Die Zuschauer feixten, die Spieler forderten den Schiedsrichter auf, „endlich“ abzupfeifen. Nach einer überflüssigen Nachspielzeit war das unwürdige Schauspiel vorbei, und die Meisterfeier konnte beginnen.
Grund zum Feiern haben sie schließlich in Schnepfenreuth. Der TB Johannis 88 ist binnen drei Jahren von der Kreisklasse in die Bezirksliga aufgestiegen. Der Verein betritt damit Neuland, es ist auch ohne die Erinnerung an Gijón ein historischer Tag, wie Abteilungsleiter Uli Ried stolz feststellt: „Wir sind überglücklich. Das ist der größte Erfolg vom Turnerbund Johannis 88 überhaupt. Irgendjemand erzählt immer, das man in der damaligen gleichgesetzten Bezirksliga 1946 gespielt hat, aber das kennt ja keiner mehr.“
Es ist ein Erfolg, der umso beachtlicher ist, da Johannis während der laufenden Spielzeit den Trainer ausgewechselt hat. Andreas Awerkow kam erst im Sommer zum Turnerbund, überwarf sich aber mit Teilen der Mannschaft und musste im März gehen. „Wir haben uns für diesen Weg entschieden, im Nachhinein war es aus unserer Sicht der richtige“, sagt Uli Ried. Das gleichberechtigte Trainergespann Thomas Gahlert und Peter Wagner schaffte daraufhin als Interimslösung den Aufstieg, doch in der Bezirksliga wird keiner von beiden an der Seitenlinie stehen. „Wir haben auch mit beiden ernsthafte Gespräche geführt“, sagt Ried, doch die Trainer haben sich dafür entschieden, wieder ausschließlich im Jugendbereich des Vereins tätig zu sein.
Der Nachfolger steht schon bereit. Seit Mitte Mai ist klar, dass Norbert Frey in Schnepfenreuth übernimmt, und als Zuschauer lässt er sich die Aufstiegsfeier nicht entgehen. Frey, der diese Saison noch die U17-Frauen des 1. FC Nürnberg trainiert, suchte nach einer neuen Herausforderung, sah sich um und wurde von Johannis überzeugt: „Wenn man sagt, man verlässt einen gewissen Verein, bei dem man tätig ist, dann spricht sich das natürlich rum, von daher war der eine oder andere Kontakt da. Johannis war in den letzten Jahren der aufstrebende Verein, hier kann etwas heranwachsen. Und da möchte ich helfen, dass man sich in der Bezirksliga etablieren kann. Das Umfeld ist sehr gut, und ich denke, da kann man was bewegen.“
Über die Herangehensweise für die neue Saison herrscht bereits Konsens zwischen Abteilungsleitung und dem baldigen Trainer. Einen Kaufrausch soll es nicht geben. „Die Mannschaft steht nicht durch Zufall auf Platz eins. Es wäre daher schwach zu sagen, man gibt ihr ein vollkommen neues Bild. Mit Geldscheinen wedeln, das möchte ich nicht und das will der Verein auch nicht“, sagt Frey.
Und Uli Ried hofft darauf, die aktuellen Spieler zum Bleiben zu bewegen: „Wir haben im Moment überhaupt keine Neuzugänge im Auge, wir werden erst einmal kämpfen müssen, damit uns keine Spieler abgeworben werden, weil bei einem Aufstieg in die Bezirksliga natürlich alle anderen Vereine hellhörig werden.“ Anders hört sich das bei Kapitän Yavuz Akpinar an, der mehr Qualität fordert: „Wir brauchen auf vier, fünf Positionen Verstärkungen.“ Ried verweist indes auf die hoffnungsvolle Jugendarbeit. „Es muss weiterhin unser Ziel sein, dass wir immer wieder zwei, drei Mann aus der eigenen Jugend einbinden. Da versprechen wir uns von Norbert Frey, dass er genau das Händchen hat.“
Frey kann schließlich einige Erfahrung im Jugendbereich vorweisen, bei Greuther Fürth wie auch beim 1. FC Nürnberg, doch auch im Herren-Amateurbereich hat er schon gearbeitet und bringt daher all das mit, was sie sich bei Johannis vom neuen Trainer erwarten. „Wir haben uns die Trainersuche generell nicht leicht gemacht“, betont Uli Ried. Man wolle nun mittel- bis langfristig mit Frey zusammenarbeiten — bestenfalls natürlich länger als ein Jahr in der Bezirksliga. „Wir hoffen, dass wir nicht vom ersten Tag an etwas mit dem Abstieg zu tun haben, aber man muss natürlich realistisch sein, dass wir jetzt nicht die riesige Rolle in der Bezirksliga spielen. Wir werden uns im unteren Drittel behaupten müssen.“ Jetzt darf sich der Verein auf eine historische Bezirksliga- Premierensaison freuen. Gespielt wird dann in Erlangen oder Zirndorf. Und Gijón ist wieder ganz weit weg.