2024-05-08T14:46:11.570Z

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Freude pur und enger Kontakt zu den Profis: Üben mit Nicu (l.), Einlaufen mit Hufnagel und Grauschopf. F foto: Hübner
Freude pur und enger Kontakt zu den Profis: Üben mit Nicu (l.), Einlaufen mit Hufnagel und Grauschopf. F foto: Hübner

„Haching schaut hin“ - Inklusionstag im Stadion der SpVgg Unterhaching

Spiel ohne Grenzen

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„Haching schaut hin“ – diesmal auf junge Menschen, für die Fußball ein probater Weg ist aus der gesellschaftlichen Isolation, ihnen Mut und Selbstvertrauen gibt.

Es ist ja nicht so, dass Albin keinen Bammel gehabt hätte. Nein, nicht weil er, eigentlich Skifahrer und Leichtathlet, nun vor einer doch recht stattlichen Zuschauerzahl Fußball spielen sollte. Das ungute Gefühl kam einfach daher, weil im gegnerischen Tor eine gute Bekannte stand, sie Athletensprecherin und er Athletensprecher bei Special Olympics Bayern. Dabei hatte sich Albin fest vorgenommen, heute ein Tor zu schießen, „mindestens“, vielleicht würde ihn das seinem Traum, einmal mit dem FC Bayern trainieren zu dürfen, ein Stück näher bringen. Aber gegen die Kollegin?

Für Albin wäre ein Tor in dieser Partie dann ohnehin nur die vorläufige Krönung eines Tages gewesen, der für ihn stressig, aber auch ziemlich schön und vor allem wichtig gewesen war. Mittags hatte er gemeinsam mit Olympiasieger Klaus Wolfermann, Ex-Profi Maximilian Nicu, Moderatorin Nele Schenker und Präsident Manni Schwabl im Unterhachinger Sportpark den „Inklusionsparcours“ eröffnet, später war er dann eben als Fußballer selbst aktiv und schließlich saß er noch auf der Bank der „Münchner Stars des Amateurfußballs“, die gegen die Drittligaprofis der SpVgg Unterhaching antraten. Und da kam Albin, eigentlich Co-Trainer, dann überraschend doch noch zu seinem Tor, erzielte, gerade erst eingewechselt, beim 1:14 den Ehrentreffer für die Amateure. Und rundete damit einen Tag ab, der ganz im Zeichen der Inklusion gestanden hatte.

Für Manni Schwabl, den Präsidenten der SpVgg Unterhaching, war es eine Herzensangelegenheit gewesen, auch die jungen Menschen mit Handicap einzubinden in das alljährliche Hachinger Fanfest, ihnen ein Podium zu geben, auf dem sie sich und ihr Können zeigen konnten. „Durch den Börsengang haben wir uns ein bisschen wichtig gemacht“, übt Schwabl so etwas wie Selbstkritik. Viel wichtiger aber sei, so ein Thema zu forcieren. Ein Thema, bei dem der Fußball zeigt, dass er wirklich mehr ist als das 1:0, viel mehr als das große Geschäft, dass er Kindern und Jugendlichen, die vom Schicksal nicht begünstigt sind, so viel Freude vermitteln kann, so viel Lebensmut und dieses wunderbare Gefühl, etwas Großes geleistet zu haben.

„Dabei geht es ihnen gar nicht in erster Linie ums Gewinnen“, sagt Roland Schmiedel, der das Team von Special Olympics Bayern betreut. Einmal pro Woche trainieren er, eigentlich Herren-Trainer beim FC Grün-Weiß Gröbenzell, und seine beiden Söhne Michael und Daniel mit den Jungs, „weil wir gespürt haben, wie dankbar sie sind, welche Herzlichkeit sie ausstrahlen, welche Freude am Spiel sie entwickeln.“ Natürlich wollen sie auch gewinnen, „doch wenn ich nicht gewinnen kann, so will ich mutig mein Bestes geben“, heißt es im Eid der Special Olympics, der Olympischen Spiele der geistige Behinderten. Und dieses Bekenntnis steht über allem.

Die Special Olympics wurden 1968 von Eunice Kennedy-Shriver, einer Schwester der legendären US-Präsidenten John F. Kennedy, in Leben gerufen und 1991 vom früheren BLSV-Präsidenten Peter Kapustin ins Deutschland etabliert. Seitdem bietet Special Olympics behinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen über den Sport diverse Zugangsmöglichkeiten zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und bekommt immer mehr Unterstützung von prominenten Sportlern und Politikern. Klaus Wolfermann, Olympiasieger von München 1972, ist einer der Botschafter von Special Olympics Bayern, weil einem, wie er sagt, „das Herz aufgeht, wenn man sieht, mit wieviel Spaß und Begeisterung diese Kinder Sport treiben.“

In Regensburg haben die Heilerzieher Ben Rückerl und Stefan Plötz die Strahlkraft des Fußballs als probates Mittel für die Arbeit mit geistig behinderten Jugendlichen entdeckt, haben die Bananenflanken-Liga gegründet, die sich inzwischen über ganz Deutschland ausbreitet. In Regensburg waren die Ex-Profis Tobias Schweinsteiger und Michael Hofmann von Anfang an mit viel Herzblut dabei, in München ist Benny Lauth Mitbegründer des Ablegers Bananenflanke München. Rückerl und Plötz haben das Projekt in Regensburg ganz professionell aufgezogen, zum Saisonstart sogar einen „Medientag“ veranstaltet, an dem sich die „Bananenflanker“ der Presse und den Fotografen präsentieren. „Wir wollen den Kids das Gefühl geben, wie richtige Profis zu sein“, erklärt Rückerl. Und so geben sie sich auch: stolz. PR-Termine sind für sie schon Selbstverständlichkeit, routiniert stellen sie sich in Pose.

Die Spieltage finden nicht im Verborgenen statt, man geht bewusst an die Öffentlichkeit, in Einkaufszentren, auf belebte Plätze, „die Leute sollen sehen, was die Kinder können.“ Und das ist „viel mehr, als ihnen zugetraut wird“. Dabei komme es natürlich schon mal zu „recht komischen Situationen“. Ob man da lachen darf? „Klar“, sagt Rückerl, „wir wollen die Jungs ja nicht in Watte packen, die lachen da mit.“

„Wenn man das sieht geht einem das Herz auf“

Nein, diese Kinder wollen kein Mitleid, keine falsch verstandene Rücksicht, sie wollen und sollen so genommen werden, wie sie sind. Mit Projekten wie dem der Bananenflanke sollen gesellschaftliche Barrieren überwunden, Grenzen aufgeweicht werden. Es sind Menschen, sagt Rückerl, „von denen auch wir noch viel lernen können.“ Zum Beispiel wie man Freude und Spaß auslebt, wie man Gefühle zeigt, wie man mächtig stolz sein kann, auch wenn man nicht gewonnen, aber eben „mutig sein Bestes gegeben“ hat.

„Entscheidend ist der „Sieg über sich selbst“, weiß auch Roland Schmiedel. Wobei er schon spürt, wie der Ehrgeiz wächst, immer größer wird. „Manchmal sogar zu groß.“ Er habe ein paar Jungs in der Mannschaft, die durchaus auch in den Ligen der sogenannten „Normalen“ mithalten könnten, „würden sie dort akzeptiert.“ Noch immer gibt es hier ein paar Hemmschwellen, gerade deshalb ist so ein Tag wie der „Inklusionstag“ in Unterhaching so wichtig. Weil Berührungsängste abgebaut, Schranken geöffnet werden, wenn Behinderte und Nichtbehinderte gemeinsam aktiv werden und gegenseitige Akzeptanz entwickeln.

Erst auf dem „Inklusionsparcours“, wo es vom Elfmeterschießen gegen Profi-Keeper Michael Gurski bis zum Testen der Schussgeschwindigkeit geht oder beim Fußball-Boccia zu einem spannenden und manchmal lustigen Vergleich mit den Hachinger Spielern gab, dann auf dem Rasen im Stadion, wo sich das „Team Bananenflanke“, die Mannschaft von Special Olympics , ein Team des Bayerischen Fußball-Verbandes und der FC Espanol gegenüberstanden, angefeuert von einem großen Publikum. Was auch für Albin Hofmayer, der schon viele Special Olympics miterlebt hat, etwas Besonderes war: „In einem so großen Stadion vor so vielen Zuschauern zu spielen, das ist schon super.“

„Entscheidend ist am Ende der Sieg über sich selbst“

Der Dank galt schließlich der SpVgg und deren Präsidenten, dem das fast peinlich war. Schließlich weiß Manni Schwabl genau, dass so ein Tag auch für ihn und seinen Verein ein Gewinn ist, gerade in diesen Tagen, da wegen des Börsengangs das mediale Interesse so groß ist wie lange nicht mehr. Da tue es ganz gut, die Bodenhaftung zu wahren, sich darauf zu besinnen, dass Sport und Fußball so viel Freude stiften und benachteiligten Menschen Lebensmut, Selbstbewusstsein geben und damit Türen öffnen kann. „Das passt zu unserer Philosophie.“ Und so versprach Schwabl schließlich, von jeder Eintrittskarte in der neuen Saison einen Euro für die vereinseigene Sozialstiftung „Haching schaut hin“ abzuzweigen, um auch in den kommenden Jahren Tage wie diese veranstalten zu können. Und alle, die diesmal an den Inklusionsspielen teilgenommen haben, sind zum Derby gegen den TSV 1860 eingeladen.

Albin ist zwar Bayern-Fan, doch auch er will kommen. Und sich daran erinnern, dass er auf dem Rasen, auf dem jetzt die Profis kämpfen, auch mal getroffen hat.

Aufrufe: 026.7.2019, 13:57 Uhr
Münchner Merkur (Süd) / Redaktion Münchner MerkurAutor